Die Printwelt zu Gast in Düsseldorf

In wenigen Branchen ist das Tempo der Veränderung so hoch wie in der Druckindustrie. Auf der Drupa lässt sich der Wandel besichtigen.

von Roland Karle

Wenn in Düsseldorf die weltweit führende Messe für Druck und Papier zu Gast ist, kommt daran keiner vorbei. Vom 3. bis 16. Mai wird „die größte Druckerei der Welt“ hier Station machen. Ungewöhnlich lange im Vergleich zu anderen Branchenmessen, aber der Aufbau der teilweise riesigen Anlagen ist schließlich aufwendig, und die Besucher – 2008 kamen 59 Prozent aus dem Ausland – stellen sich darauf ein. Auch der Turnus ist geübt: Seit der Premiere 1951 fand die Leistungsschau der Printbranche stets alle drei bis fünf Jahre statt. „Die Drupa wirkt weit über das Messegelände hinaus“, betont Werner M. Dornscheidt, Vorsitzender der Geschäftsführung Messe Düsseldorf, und verweist beispielhaft auf das 7,50 Meter lange „Drupaperboat“ eines niederländischen Künstlers, das im Kö-Graben vor Anker geht. Es besteht tatsächlich aus Papier – und ist seetüchtig. Ein passendes, Hoffnung stiftendes Symbol für die Branche.
Seit der letzten Drupa 2008 haben sich die schlechten Nachrichten gehäuft, manchen Firmen steht das Wasser bis zum Hals. Ende November 2011 meldete Manroland Insolvenz an, im Januar folgte der Foto- und Druckerhersteller Kodak. Auch der Marktführer hat zu kämpfen: Der Umsatz von Heidelberger Druckmaschinen sank binnen vier Jahren um fast ein Drittel von 3,8 Milliarden Euro (2007) auf rund 2,6 Milliarden Euro (2011), 2009/10 summierte sich der operative Verlust auf 386 Millionen Euro. Während etliche Industrien 2010 mit teilweise zweistelligen Zuwachsraten vom Aufschwung profitierten, ging der Umsatz der deutschen Druckbranche um 2,5 Prozent zurück – und das nach Einbußen von knapp zehn Prozent im Jahr zuvor. 2011 stabilisierte sich die Situation, die Gesamterlöse lagen mit 20,3 Milliarden Euro sogar um 0,2 Prozent über dem Vorjahreswert. Allerdings setzt sich der Personalabbau fort: Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist laut Bundesverband Druck und Medien (BVDM) seit 2000 von 222 891 auf 154 524 gesunken – ein Minus von 31 Prozent.

„Der Markt in den westlichen Ländern stagniert größtenteils auf hohem Niveau“, sagt Bernhard Schreier, Vorstandsvorsitzender Heidelberger Druckmaschinen. Zugleich sei in Schwellen- und asiatischen Ländern ein hohes Wachstum zu beobachten. Allein in China habe sich das Marktvolumen innerhalb von sechs Jahren auf 42 Milliarden Euro verdoppelt. Eine Lokomotive der Entwicklung ist der Verpackungsdruck. In vielen aufstrebenden Ländern, wo vor geraumer Zeit die Waren noch in Zeitungspapier oder lose verpackt wurden, ist werbewirksame Verpackung zu einem großen Thema geworden. Auch in den westlichen Industrieländern profitiert diese Sparte von zunehmender Sortenvielfalt und mehr Wettbewerb am Point of Sale. Schreier erwartet bis 2014 ein Marktplus von 17 Prozent. Dennoch „muss sich die Druckindustrie auf ein weiteres Jahr des Strukturwandels einstellen“, erklärt Michael Apenberg, Chef von Apenberg + Partner. Die Berater fragen jeden Herbst führende Firmen der Druck- und Medienwirtschaft nach den Erwartungen für das kommende Jahr. Die Hälfte der antwortenden 265 Druckereimanager rechnet mit weiter sinkenden Absatzpreisen, dennoch herrscht verhaltener Optimismus. Überwiegend positive Prognosen stammen von Etiketten- und Verpackungsdruckern, während die Bogen-Akzidenzdrucker mehrheitlich (56 Prozent) von rückläufiger Marktentwicklung ausgehen.

Die Firmen stellen sich auf anhaltenden Wandel ein. Laut Apenberg-Studie überarbeiten gut 40 Prozent ihr Geschäftsmodell, erweitern es durch neue Dienstleistungen und Produkte. Zwar zeichnen sich starke Entwicklungslinien ab, doch Drupa-Präsident Schreier rät, „sehr genau auf Mikrotrends zu achten, die sich aus der Zusammenarbeit mit eigenen Kunden und aus regionalen Veränderungen ableiten lassen“. Es gebe teilweise große Überkapazitäten, „das erzeugt Konkurrenzdruck“, sagt Dirk Jägers. Ähnlich wie Schreier sieht auch der Geschäftsführer von IST Metz Lichtblicke vor allem in Asien. Der auf UV-Anlagen spezialisierte Druckzulieferer hat deshalb in Thailand eine weitere Tochterfirma gegründet, Jägers erwartet weltweit „moderates Wachstum“. Dabei gewinnt der Digitaldruck an Bedeutung. „Einzelne Aussteller haben ihre Fläche um bis zu 30 Prozent vergrößert“, berichtet Messechef Dornscheidt. Parallel dazu sei ein deutlicher Zuwachs bei Unternehmen aus der Weiterverarbeitung festzustellen. Über die weiteren Folgen der digitalen Revolution wird eifrig diskutiert. Die gute Nachricht: „Trotz E-Books, Tablet-PCs, Facebook & Co nimmt das weltweite Druckvolumen beständig zu“, sagt Schreier. Jedoch sinken vielerorts die Auflagen klassischer Printmedien.
„Die Entwicklung wird auf eine weitere Verknüpfung von gedruckten und elektronischen Medien hinauslaufen“, glaubt Schreier. Augmented Reality und Smart Tagging seien Beispiele für Brückentechnologien, durch die sich Print mit Mobile und Social Media vorteilhaft verbinden lässt. „Hier stehen wir erst am Anfang eines spannenden Integrationsprozesses“. Künftig könnte durch QR-Codes oder andere Bilderkennungssysteme interaktiver Mehrwert fur Mailings, Werbeanzeigen und Plakate geschaffen werden, sodass sich diese für mehrstufige crossmediale Kampagnen einsetzen lassen. Große Chancen sieht der Heidelberger-Chef auch im sogenannten Functional Printing. Damit ist der Druck extrem dünner Elektronikbauteile gemeint, etwa von Platinen, Solarzellen, RFID-Etiketten oder selbstleuchtenden Tapeten. Dank neuartiger Verfahren werden dabei spezielle Polymer-Kunststoffe verarbeitet. Prototypen der Maschinen werden auf der Drupa zu sehen sein. Selbst in traditionellen Märkten tut sich etwas. IST Metz hat kürzlich beispielsweise einen Großauftrag einer türkischen Zeitung erhalten, die ihre Mantelseite hochwertig in UV-Technik drucken und so ihren Verkauf steigern will. Auch andere Verlage denken über solche Tuning-Möglichkeiten nach. „Der Wettbewerb auf dem Zeitungsmarkt erzwingt geradezu neue Ideen“, sagt Geschäftsführer Jägers, „davon können wir profitieren.“