Die neue Rolle des Marketers

Das Marketing ändert sich derzeit rasant. Themen wie Realtime Advertising, Behavioural Marketing, Marketing Automation oder Database Marketing markieren einen Weg, an dessen Ende andere Anforderungen stehen als noch vor 20 Jahren. Gefragt ist weniger der große Verkäufer als der große Versteher, der Kommunikations-Verständnis und technisches Know-how zusammenbringt.

Von Raoul Fischer

Eines steht heute schon fest: Die Lehrpläne im Marketing müssen umgeschrieben werden – und zwar schnell. Denn die Rolle des Marketers und seine Aufgaben verändern sich gerade rasant. Es ist nicht die normale Evolution, die alle Berufe betrifft, sondern eher eine Revolution, die den Job grundlegend auf den Kopf stellt. Hauptverursacher ist die Digitalisierung: Die Veränderungen, die Interaktivität, Big Data und soziale Medien für Werbung und Kommunikation mit sich bringen, erfordern eine neue Herangehensweise – und damit eine andere Einstellung und andere Fähigkeiten der Akteure. Auf den Punkt gebracht: Der klassische Gralshüter der Marke weicht einem Kommunikator.

Individuelle Kommunikation

Früher funktionierte die Marketing-Welt nach einem klaren Schema: Am Anfang stand eine Marke oder ein Produkt. Aus dem Briefing für die Kommunikation erstellten Marketer und ihre Dienstleister ein Marketingkonzept. Im Zentrum stand die große Idee, die in verschiedene Maßnahmen für Werbung und Dialogmarketing umgesetzt wurde. 360-Grad-Kommunikation bedeutete, eine Marke über alle Kanäle und in alle Richtungen schlüssig und wiedererkennbar zu positionieren. Idealerweise waren die verschiedenen Kanäle crossmedial vernetzt, wenngleich es eine klare Trennung in klassische und digitale Kommunikationsmedien gab.

Genau diese klare Ordnung bricht gerade zusammen. Für den Konsumenten spielt die Trennung Digital–Klassik oder Online–Offline keine Rolle. Er hat sich daran gewöhnt, dass Inhalte ihm unabhängig von Zeit und Ort überall zur Verfügung stehen: Dann, wann er sie braucht, dort, wo er sie braucht, – und genau wie er sie braucht. Genau das ist die entscheidende Perspektive. Marketing muss sich heute am Dialog mit dem einzelnen Konsumenten orientieren, dessen Perspektive einnehmen. Grob gesagt: Gefordert ist nicht mehr die hohe Reichweite allgemeiner – und damit eingeschränkt relevanter – Botschaften, der großen Idee. Vielmehr geht es um individuelle Kommunikation – One-to-One – mit einer hohen Relevanz der Inhalte, und hunderten verschiedener kleiner Ideen.

Radikales Umdenken

Vom Marketer erfordert das ein radikales Umdenken. Wo früher die Marke im Mittelpunkt stand, geht es heute vor allem um die Kundenbeziehung. Orientierte sich Kommunikation vorher an Zielgruppen, nimmt sie nun immer mehr das Individuum ins Visier. Wurden an Zielgruppen noch Botschaften gesendet, erfordert die Kommunikation mit dem Einzelnen einen echten Dialog. Der Marketer muss also in der Lage sein, diese kulturelle Entwicklung nachzuvollziehen. Er muss verstehen, was Menschen wollen, warum sie kaufen und sich für eine konkrete Marke entscheiden.

Und es fordert vom Marketer neue Fähigkeiten. Er braucht nicht nur Kommunikations-wissenschaftliches Know-how, sondern auch technisches Verständnis. Er muss in der Lage sein, Daten und Informationen zu analysieren, zu ordnen und daraus sinnvolle Marketing-Maßnahmen abzuleiten, die in einen vertieften Dialog führen. Dazu muss er zum Teil hochkomplexe Software-Lösungen bedienen können oder zumindest verstehen, die ihm die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen.