Die Markenlektion 2021

Markenunternehmen sollten nicht nur innovativ sein, sie sollten Schlüsselinnovationen oder neuen Geschäftsfeldern auch einen echten neuen Namen geben. Dabei kann schon ein kleines "i" aus dem generischen Begriff Phone eine mächtige Marke wie iPhone machen.
Das "i" von Marken wie iPod oder iPhone ist der wertvollste Buchstabe der Welt. Apple-Gründer Steve Jobs (1955-2011) hat dafür den Grundstein gelegt. (© Imago)

Im Oktober dieses Jahres hat Interbrand – wie jedes Jahr seit 2001 – die wertvollsten globalen Marken dieser Erde präsentiert. Dabei überschritt Apple als erste Marke der Welt die 400 Milliarden US-Dollar. Der iPhone-Konzern führt das Ranking mit gut 408 Milliarden Dollar an. Dahinter folgen Amazon (249 Milliarden), Microsoft (210 Milliarden), Google (197 Milliarden) und Samsung (75 Milliarden). Doch das ist nicht der einzige Grund zum Jubeln für Apple: Gleichzeitig hat in diesem Jahr auch der iPod sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert.

Vom Krisenkandidaten …

Dabei sah die Zukunft von Apple im Jahr 2001 ganz und gar nicht so rosig aus. Damals lag man im Interbrand-Ranking mit einem Markenwert von knapp 5,5 Milliarden US-Dollar gerade einmal auf Platz 49. Apple stand vom Markenwert her noch klar im Schatten von Technologiemarken wie Microsoft, IBM, GE, Nokia, Intel, HP, Cisco, Sony, Compaq, Oracle, Kodak, Nintendo, Dell, Ericsson, Canon, Samsung, SAP und Xerox.

Zudem hieß es im ersten Interbrand-Ranking, das in der „Business Week“ vom 6. August 2001, also noch vor der Premiere des iPods im Oktober, vorgestellt wurde: „Apple bringt weiterhin attraktive Produkte auf den Markt, hat aber Schwierigkeiten, über die Mac-Fangemeinde hinaus Abnehmer zu finden.“ Dabei las sich das für das Unternehmen bereits wieder sehr schmeichelhaft im Vergleich zur „Business Week“-Titelseite vom 5. Februar 1996. Dort hieß es über Apple: „The Fall of an American Icon“. Heißt aber auch: In 25 Jahren wandelte sich Apple vom Krisenkandidaten zum Vorzeige- und Vorbildunternehmen.

… zum Vorzeigeunternehmen

Die meisten Unternehmen hätten in einer solchen Krisensituation wahrscheinlich intuitiv auf eine klassische Dreifachoffensive gesetzt: Man hätte zeitgleich eine Produkt-, Werbe- und Preisoffensive gestartet, um den Turnaround der Marke zu erzwingen. Ganz anders Steve Jobs. Er fokussierte 2001 alle Kräfte auf den iPod, den ersten MP3-Player mit Harddisc, und auf den brillanten Slogan „1000 Songs in your Pocket“.

Damit schuf Jobs nicht nur eine neue Erfolgsbasis für Apple, er setzte auch auf einen neuen Markenmodus. Es begann das Zeitalter der „i“-Innovationen für Apple. So lancierte er nicht einen Apple MP3 Player, ein Apple Smartphone und ein Apple Tablet, sondern iPod, iPhone und iPad. Lag Apple im Jahr 2001, wie bereits oben erwähnt, nur auf Platz 49, war man im Jahr 2007, als das erste iPhone präsentiert wurde, bereits auf Platz 33 mit einem Markenwert von 11 Milliarden US-Dollar vorgerückt. Im Jahr 2010, als das iPad präsentiert wurde, lag Apple bereits auf Platz 17 dieses Rankings mit einem Wert von 21 Milliarden Dollar. 2013 löste der Tech-Konzern endgültig den Langzeitspitzenreiter Coca-Cola ab. Damals lag der Markenwert von Apple bei 98 Milliarden US-Dollar.

Der wahre „i“-Wert

So wurde Steve Jobs nicht umsonst bereits zu Lebzeiten durch den Erfolg dieser „i“-Innovationen zum „iGod“ erhoben. Damit sind wir bei einem extrem wichtigen Punkt aus Markensicht: Durch diese Art der Namensgebung schuf der Unternehmensgründer nicht nur drei neue Innovationen, er baute de facto drei neue Marken auf. Das lässt sich sehr schön aus zwei Perspektiven festmachen:

  • Die Perspektive „Mundpropaganda“: Niemand würde heute in einen Apple Store oder in einen Media-Markt gehen und nach einem Apple Smartphone, einem Apple Tablet oder einem Apple MP3-Player fragen. Stattdessen haben sich in der Wahrnehmung und im Sprachgebrauch die Marken iPhone, iPad und iPod klar durchgesetzt. Damit besitzen diese Produkte mental auch eine stärkere und eigenständigere Position als etwa die Apple Watch. Denn mental betrachtet ist diese immer nur die Watch von Apple, weil sie keinen eigenen Namen a la iPhone besitzt.
  • Die Perspektive „potenzieller Markenverkauf“: Noch spannender wird es, wenn man das Ganze aus Sicht eines potenziellen Markenverkaufs bewerten würde. Wie viel Geld würde jemand für die Namen Phone, Tablet, MP3-Player oder Watch ausgeben? Antwort: Null, weil das generische Begriffe sind, die jeder verwenden darf. Ganz anders würde das für iPad, iPod, vor allem aber für iPhone aussehen. Hier schuf Steve Jobs echte Markenmehrwerte.

AWS, Azure und Google Cloud

Interessant in diesem Kontext sind auch die aktuellen Branding-Strategien von Amazon, Google und Microsoft im Cloud-Geschäft. Bei Amazon lautet der Markenname für das Cloud-Business Amazon AWS, bei Microsoft Azure und bei Google einfach nur Google Cloud. Aus Markensicht verfolgen hier Amazon und vor allem Microsoft eine klar bessere Strategie als Google, da beide auf echte Markennamen setzen, während Google nur auf den generischen Begriff „Cloud“ setzt.

So macht es einen großen Unterschied, ob man sich nur ein neues Geschäftsfeld oder ein neues Geschäftsfeld mit einer neuen Marke aufbaut. Wenn Google sich einmal vom Geschäftsfeld Cloud trennen möchte, kann man nur das Business verkaufen. Wenn sich Microsoft oder Amazon einmal davon trennen möchten, könnten sie das Business und die Marken Azure beziehungsweise AWS verkaufen. Das könnte finanziell einen sehr großen Unterschied ausmachen.

Fazit oder die Markenlektion des Jahres: Seien Sie nicht nur innovativ, sondern geben Sie Schlüsselinnovationen oder neuen Schlüsselgeschäftsfeldern auch einen echten neuen Namen, wobei dabei schon ein kleines „i“ aus dem generischen Begriff Phone eine mächtige Marke iPhone machen kann.