Die Autobauer und ihr Problem, bei Frauen zu landen – Schafft die IAA die Trendumkehr?

Würden sich auf der IAA die Neuwagenkäufer in Deutschland treffen, wäre es eine Veranstaltung für ältere Männer. 50,7 Prozent aller Neuwagenkäufer waren in den ersten sieben Monaten dieses Jahres Männer über 45 Jahre, obgleich diese Gruppe nur 23,6 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands darstellt. Es sieht danach aus, als würden die Autobauer die Mitte der Gesellschaft verlieren.
Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Universität Duisburg-Essen. © Ulrich Zillmann, Mobil +49 (0) 176 44 55 96 22, eMail: uz@foto-ms.de

Dies ergibt sich aus der Auswertung aller Neuzulassungsdaten in Deutschland. Nur 26,9 Prozent aller Neuwagenkäufer sind derzeit unter 45 Jahre alt. Dabei stellt diese Bevölkerungsgruppe 50 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Seit 1995 ist der Anteil der „Unter 45- jährigen“ um knapp 45 Prozent eingebrochen. Die Tendenz ist weiter fallend, da die Autobauer kein Konzept zu haben scheinen, um die Mitte der Gesellschaft wieder stärker als Kunden zu gewinnen.

Wer mobil sein will, ist mit Facebook schneller als mit dem Auto

Schaut man sich die Produktneuerungen der IAA an, kann man davon ausgehen, dass die Messe wohl kaum dazu beitragen wird, diesen Trend zu stoppen. Junge Menschen sind in virtuellen Welten unterwegs, von Kindesbeinen an. Emotionen sind in virtuellen Welten zum Teil deutlicher ausgeprägt als in designtem Stahl oder Blech mit mehr PS. Wer mobil sein will, ist mit Internetapplikationen und Facebook schneller bei Freunden und in sozialen Kontakten als mit dem Auto. Wer Emotionen in der realen Welt sucht, wird mit immer mehr Trendsportarten und Großveranstaltungen verwöhnt. Produkte, wie Fahrräder oder Bikes, sind zum In-Thema geworden. Tabletts verbreiten größere Aha-Effekte als perfekt gestylte Auto-Innenräume, die versuchen, lediglich durch integrierte Tabletts den Bedeutungsverlust wieder gut zu machen. Gesprochen wird weniger über die PS-Zahl beim Auto, sondern die Technik von neuen Bikes.

Bisher haben die Autobauer, so scheint es, kein Konzept gefunden, um diesen Trend zu stoppen. Ansätze wie die neuen stationslosen Car-Sharing-Systeme á la Car2Go oder Drive-Now sind sicherlich Denkansätze. Allerdings bleibt das bei der IAA eher
Nebensache.

Von Männern getriebene Branche

Der Frauenanteil unter den Neuwagenkäufern stagniert seit 12 Jahren. Obwohl 51 Prozent der Bevölkerung Deutschlands Frauen sind, gehen nur 33,5 Prozent der privaten Neuwagenkäufe an Frauen. Frauen und Jüngere sind als Kunden deutlich unterrepräsentiert.

Die Autobranche ist eine Branche, die von Männern getrieben wird. Bei keinem Autobauer der Welt gibt es eine Frau als Vorstandsvorsitzende oder Sprecherin der Geschäftsführung. Erst auf Markenebene liefert Smart ein Beispiel hierfür. So ist Mercedes Car Group, zu der auch Smart zählt, eine reine Männergesellschaft. Und das trotz der Geschäftsführerin von Smart, die eben kein Mitglied im Bereichsvorstand ist.

Keine Frauen im Top-Management

In den sechs europäischen Autokonzernen BMW, Daimler, VW, Fiat, Peugeot-Citroen, Renault gibt es 44 Vorstände, darunter 4 Frauen. Die Frauenquote bei den europäischen Automobilkonzernen beträgt damit neun Prozent. Dabei sind die Vorstandsressorts, in denen Frauen vertreten sind, eher „angelagerte“ Ressorts wie Personal/Sozialwesen, Integrität und Recht oder das Präsidentenbüro.

Erweitert man die Führungsmannschaft und nimmt die oberste Markenebene bei den Autobauern mit in die Aufzählung, sind –bei den Autobauern 193 Manager in Top-Management Positionen. Nur 12 Frauen sind unter diesen 193 Top-Managern der europäischen Autobauer. Das entspricht sechs Prozent aller Management Positionen. Die Autobauer stehen damit alles andere als in der Mitte der Gesellschaft. Die Frauen sind bei den Autobauern in den wesentlichen Entscheidungsgremium, die über das Produkt, die Kommunikation und das
Vertriebssystem entscheiden, nicht präsent. Auch aus diesem Grunde scheint das Management-System wenig Impulse zu liefern, um die systematische Verzerrung in Richtung ältere Männer auszugleichen.

Trendumkehr durch die IAA?

Auf der Frankfurter IAA werden viele neue Produkte und Innovationen gezeigt. Elektromobilität und das „vernetzte Auto“ werden vom Veranstalter als tragende Innovationsthemen in den Mittelpunkt gestellt. Elektromobilität und das Elektroauto haben jedoch kaum Chancen in den nächsten Jahren den großen Durchbruch zu erleben. Dazu sind die Emissionsstandards für konventionelle Diesel zu niedrig und die
Gesamtkosten für das Elektroauto für den Käufer zu groß. Ab dem Jahre 2020, mit den strengeren Verbrauchsvorschriften könnte da ein Schub kommen. In den nächsten Jahren allerdings wird dieses IAA-Thema keine Trendumkehr zu jüngeren Autokäufern und Frauen einleiten.

Das zweite große Thema der IAA, das „vernetzte Auto“, ist bis jetzt eher ein großes Terrain von einzelnen Fahrerassistenzsystemen plus nette Internetapplikationen á la App, die jedes Smart-Phone bietet. Aber auch der zusätzliche Assistent wird keine Trendumkehr auslösen. Bis automatisiertes Fahren wirklich kommt, wird es noch gut zehn Jahre dauern. Also bietet auch auf diesem Feld die IAA nicht die Möglichkeit, den „Verlust der Mitte“ wieder gut zu machen.

Der Großteil der Neuvorstellungen bewegt sich in konventionellen Bahnen: Mehr PS, mehr Hochwertigkeit in der Verarbeitung, mehr Designsprache, mehr SUV, etc. Das ist konventionelle Optimierung, so wie es die letzten 30 Jahre gemacht wurde. Innovationen, welche den Trend der „Verlust der Mitte“ stoppen oder drehen können, sind auch hier nicht zu erkennen. Die große Revolution findet daher in Frankfurt nicht statt. Autobauer bewegen sich in traditionellen Bahnen, das zeigt auch das Profil des Top-Managements. Fehlende Frauen in Management-Positionen bedeuten, dass der klassische Marketing-Mix weiter läuft. Wenig Innovatives im Vertrieb, Internet-Neuwagenkauf bleibt weiter ausgeklammert, konventionelle Produkte und die Kommunikation der IAA gehen weiter in Richtung „hübsche Mädchen vor tollen
Autos“. Eine Revolution sieht anders aus.

Über den Autor: Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.