Werbung im Metaverse: „Der kreativste Weg gewinnt“

Im Metaverse herrscht der „Wilde Westen“, doch mit Einfallsreichtum und 3D-Expertise können Marken dort schon viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, erklärt der Metaverse-Fachmann Dominik Griese im Interview.
Dominik Griese nennt sich selbst „Nerd“ und „Sci-Fi-Enthusiast“ und hat sich ganz dem Metaverse verschrieben. (© Lena Hogekamp)

Werbung ist ein beliebtes Tool aus der Offline-Welt, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch wie kann Werbung im Metaverse aussehen und was braucht es überhaupt, um dort sichtbar zu werden? Der Metaverse-Experte Dominik Griese beantwortet die wichtigsten Fragen.

Herr Griese, welche Art von Werbung ist im Metaverse möglich?

Insbesondere „verstaubte“ Werbemethoden kommen hier wieder mehr zum Einsatz: riesige Werbetafeln an virtuellen Hochhäusern, eingängige Radiospots in bunten Technoläden, Avatare mit virtuellen Schildern, die sie nicht nur peinlich herumwerfen, sondern mit einem Klick jedem anderen Avatar ermöglichen, zum gewünschten Ort reisen zu können. Der kreativste und merkwürdigste Weg siegt.

Wie geht man beim Werben am besten vor? 

Wir reden hier nicht von einem Spiel, was man durchspielen kann, sondern von einer virtuellen Alternative zu unserem realen Leben, in dem wir genauso stattfinden dürfen wie hier in unserer gewohnten haptischen Umgebung. In jedem Fall lohnt es sich aber, erst mal einfach stattzufinden. Und das geht nur mit einer virtuellen Identität, geknüpft an eine Wallet wie beispielsweise MetaMask. Sich hier eine Identität anzulegen, dauert maximal fünf Minuten. 

Kann man Kampagnen bereits über Mediaagenturen buchen? 

Mediaagenturen kratzen gerade noch in 90 Prozent der Fälle an der Oberfläche und probieren selbst noch aus. Im Metaverse herrscht der „Wilde Westen“. Verstanden haben es die Agenturen, die sich beispielsweise als Meta­verse-Architekturbüro oder als Metaverse-Zeitungsagentur bezeichnen und sich dann auf dieses Kerngeschäft konzentrieren. Ich bin mir sicher, dass es in kurzer Zeit auch Metaverse-Agenturen gibt, die die zuvor genannten Dienstleister für eine Kampagne buchen.

Muss man eigene Räume gestalten?

Wer virtuelles Land kauft und selbst ein virtuelles Gebäude – also ohne ein Metaverse-Bauunternehmen – errichten möchte, muss die Räume auch selbst gestalten.

Gibt es Werbetafeln oder Banner für Werbung?

Es ist den Landbesitzer*innen des jeweiligen Meta­verse selbst überlassen, ob sie Werbetafeln an ihrem Gebäude zulassen. Einige Meta­versen verbieten zwar Werbetafeln, in Metaversen wie dem Decentra­land oder auch in GTA RP sind sie aber gern gesehen und viel genutzt.

Auch Werbung für Luxuswaren macht den Sprung ins Metaverse. ©Gucci

Welches Dateiformat braucht Werbung, um sie dort zeigen zu können?

Auch hier gibt es kein Richtig oder Falsch. Das müssen Nutzer*innen bei den jeweiligen Anbieter*innen erfragen. Das Spektrum reicht von herkömmlichen JPGs bis zu aufwendigen erlebnisintensiven 3D-Gestaltungen. 

Wie kann Werbung im Metaverse konkret aussehen?

Alles ist möglich: knallbunt, als Flyer, als Hologramm, als Werbetafel, als Ausbruch eines Vulkans, als Kleidungsstück, als spielerisches Erlebnis. Der kreativste Weg gewinnt.

Sind die Avatare auch die Models der Kampagnen?

Wer seinen Avatar als Model sieht, kann im Metaverse diesen Weg einschlagen. Wer seinen Avatar als Klempner*in, Künstler*in, Sänger*in, Tänzer*in oder Botschafter*in sieht, darf natürlich auch diesen Weg einschlagen. Unsere Avatare sollten mehr als Ersatz zum Maus-Cursor betrachtet werden. Ein Maus-Cursor in einer dreidimensionalen Umgebung ist schwierig zu nutzen. Bei einer Figur, wie wir sie aus Videospielen kennen, sind wir es jedoch bereits gewohnt, sie durch dreidimensionale Umgebungen zu steuern.

Welche Kompetenzen braucht man?

Um stattzufinden: gar keine! Welche Kompetenzen benötigt man für Instagram oder Google? Wer jedoch Häuser errichten, Fashion designen oder Events ausrichten will, benötigt wahrscheinlich ein ähnliches Skill-Set wie das Pendant der realen Welt. 3D-Expertise ist ebenfalls stets ein Vorteil. Vorwissen aus dem Ga­ming-­Sektor – also als Entwickler*in – ist wahrscheinlich der größte Vorteil.

Wo sind die Unterschiede zu der Werbung, die wir bisher von Instagram oder aus dem Fernsehen kennen?

Werbung, egal wo sie stattfindet, ist in den wenigsten Fällen erlebbar. Man hofft auf einen Affektkauf und bildet sich ein, durch strategische Algorithmen ein wahres Kund*innen­erlebnis in Form eines Ablaufes zu erschaffen. Die Realität sieht oft anders aus. Metaverse-Werbung funktioniert geduldiger. Mithilfe von Geschenken werden potenzielle Besucher*innen zum gewünschten Ort gelockt und durch eine immersive, erlebnisorientierte Welt bewegt, die Besucher*innen oft ganz nebenbei spielerisch an die Marke binden soll oder sie die Geschichte der Marke selbst erleben lässt.

Ein virtuelles Haus mit Grundstück kostet eine fünfstellige Summe.

Wo bewegt sich die Werbung preislich im ­Vergleich zu den herkömmlichen Werbe­mitteln?

Sie können das Web3 bereits mit 150 bis 300 Dollar für Marketing­zwecke nutzen. Der geringe Preis bedeutet aber, dass man selbst viel Zeit und Energie reinstecken muss. Das Budget kann dann beliebig in die Höhe geschraubt werden. Konkretes Beispiel: Metaverse-kompatible NFTs werden ab 120 Dollar auf beliebten Marktplätzen verkauft. Diese in einem Gebäude im Meta­verse auszustellen und so effektiver auf sie aufmerksam zu machen, kostet dann zusätzlich den Mietpreis des Geschäfts, in dem ich meine NFTs ausstellen möchte – also 300 bis 2000 Dollar. Möchte ich die Mietpreise nicht hinnehmen, kaufe ich mir selber Land – was zwischen 4000 und 500.000 Dollar kostet. Baue ich dort ein pompöses Gebäude mit spielerischen Anwendungen, wie beispielsweise ein Casino oder ein Sammelspiel, dann sind wir schnell im sechsstelligen bis Millionenbereich.

Gibt es Richtlinien bei der Werbung, beispielsweise hinsichtlich der Altersfreigabe?

Dazu gibt die zuständige DAO (dezentralisierte autonome Organisation) Auskunft, das unterscheidet sich von Metaverse zu Metaverse. Die DAO entscheidet, wer Werbung machen darf und welche Richtlinien eingehalten werden müssen. Auf den Home­pages der jeweiligen Metaversen sind diese schnell zu erreichen.

Welche Marken machen bereits Werbung im Metaverse?

Tommy Hilfiger, Dolce & Gabbana, Forever 21, Lam­bor­ghi­ni, Qatar Airways, McDonald’s, Nike, Gucci, Ba­len­ciaga, Slipknot, Samsung, Absolut Vodka, Coca-Cola – die Liste ist endlos lang. 

Absolut Vodka ist nur eine von zahlreichen Marken, die bereits im Metaverse für sich werben. ©Absolut Vodka

Welche Werbung hat Sie zuletzt besonders ­beeindruckt? 

Absolut Vodka war mein letztes größeres Event. Der Hersteller hat einen virtuellen Flugtunnel in einer riesigen Absolut-Flasche gebaut, der Personen auf unterschiedliche Etagen brachte. Auf jeder Etage konnten Personen spielerisch die Marke kennenlernen. Wer alle Aufgaben von Absolut Vodka absolvierte, konnte an mehreren Gewinnspielen teilnehmen und so unter anderem Tickets für das Coachella Festival gewinnen. Ich habe leider nur drei virtuelle Kleidungsstücke erhalten, eines konnte ich aber für gutes Geld verkaufen. Ich habe also im Grunde mit der Werbung von Absolut Vodka selbst Geld verdient. Leider trinke ich bereits seit zwei Jahren keinen Alkohol mehr, weshalb die Produkte der Marke wirklich mehr als irrelevant für mich sind. Allerdings haben mir die beiden anderen Kleidungsstücke so gut gefallen, dass ich diese nun im Metaverse trage und dadurch völlig unabsichtlich auf die Marke aufmerksam mache.

Was ist sonst alles möglich im Metaverse?

Man kann eine Ausbildung bei der Polizei machen, die dauert im Metaverse auch nur ein Jahr. Alternativ kann man der Kirche einen Besuch abstatten und sich dort einen offiziellen Gottesdienst anschauen. Wer seine*n virtuelle*n Partner*in findet, darf dort bereits heiraten und anschließend in das gemeinsame virtuelle Haus einziehen – die kosten in der Regel inklusive Grundstück mindestens eine fünfstellige Summe.

Wo kann man sich über News im Metaverse ­informieren?

Die Newsletter der jeweiligen Metaversen sind spannend. Der Instagram-Kanal @metav3rse ist ebenfalls zu empfeh­len. Außerdem habe ich selbst den Blog gegründet, um regelmäßig über Metaverse zu schreiben.

Einblicke in die Nutzungsmöglichkeiten des Metaverse gewährt der DMV von Juni bis August auf einer gemeinsamen Seminarreihe mit Meta. Die Teilnahme ist kostenlos.

(eb, Jahrgang 1993) ist freie Journalistin und kam vom Modejournalismus über Umwege zum Wirtschaftsjournalismus. Sie kann sich schnell für neue Themen begeistern, führt am liebsten Interviews und hasst Stillstand – was das Pendeln zwischen Bayern und Berlin umso leichter macht.