„Dem guten Verkäufer hilft ein gutes CRM-System“

Franz Renkin, langjähriger Sales Manager und Unternehmensberater und aktuell Verlagsleiter beim Red Bull Media House, gibt im absatzwirtschaft-Special-Interview Auskunft über Verkäufer, Strategien und den Wert von CRM-Software.
Franz Renkin (© maihiro)

Franz Renkin, zuvor unter anderem Geschäftsführer bei AdLink Österreich, verantwortet seit rund drei Jahren im Management des Red Bull Media House den Bereich Verkauf. Die Tochtergesellschaft des österreichischen Getränkekonzerns ist ein erfolgreicher Verlag: Neben dem Lifestyle-Magazin „The Redbulletin“, das als Tageszeitungs-Beilage mit rund zwei Millionen Exemplaren in zwölf Ländern erscheint, und einer Reihe weiterer Blätter zählen Servus TV und die Zeitschrift „Servus in Stadt & Land“ zum Verlagsprogramm. Das Blatt ist inzwischen die auflagenstärkste Monatszeitschrift in Österreich und hat auch einen deutschen Ableger.

Herr Renkin, Sie haben vor Jahren die Zusammenarbeit zwischen Verkauf und Marketing mit der Formel 1 verglichen, steht der Vergleich noch?

FRANZ RENKIN: Viel hat sich aus meiner Sicht nicht geändert. Es hängt dabei aber von der Branche ab. Insgesamt ist für mich Marketing etwas sehr umfassendes, das reicht vom Produktdesign über die Produktgestaltung bis zum Pricing. Der Verkäufer nimmt dann, was das Marketing für ihn hergerichtet hat, und setzt es im Markt um. Da ist er wie der Rennfahrer, der das getunte Fahrzeug fährt. Ist das schlecht eingestellt, kann er ein Super-Fahrer sein, wird aber nicht gewinnen. Und auch das sehen wir ja gerade in der Formel 1: Wer voriges Jahr gewonnen hat, sitzt heute in einem Auto, das vielleicht nicht gut genug ist.

Was zeichnet ein gutes CRM-„Auto“ für den Verkauf aus?

RENKIN: CRM ist ja nur ein Softwarehilfsmittel dafür, dass ich ein tatsächlich gelebtes System ideal einsetzen kann: Hiermit meine ich eben nicht Software, sondern ein System meines Marketings, meiner Kommunikation, meiner Performance. CRM hilft mir nur dabei, es professionell umzusetzen. Ich liebe CRM-Systeme, aber die sind pure Geldverschwendung, wenn ich sie nicht auf ein funktionierendes Verkaufssystem aufsetze. Ich muss wissen: An welche Kunden möchte ich was wann herantragen? Woher bekomme ich überhaupt die Informationen, damit ich meine Kunden richtig einschätzen kann?

Ein guter Verkäufer sorgt oft für gute Gelegenheiten, er ist fleißig und diszipliniert, zeigt Einsatz. Ein guter Verkäufer ist kompetent und kennt sich in seinem Markt aus. Das heißt, er muss wissen, was in seinem Markt läuft – und er muss die Menschen kennen. Ein guter Verkäufer ist ein guter Beziehungsmanager. Dem guten Verkäufer hilft ein gutes CRM-System, noch besser zu werden. Dem schlechten Verkäufer ist nicht zu helfen.

Sie plädieren für offensive Führungsverantwortung, hören aber Begriffe wie „Kontrolle“ nicht gern. Dabei werben doch die CRM-Hersteller immer mit dem totalen Durchblick dank ihrer Dashboards. Wie sollten Verkaufsleiter ihre Teams also führen, wenn nicht durch Kontrolle?

RENKIN: Es geht nicht primär darum, zu prüfen: Sind die eh brav? Das ist bestenfalls ein Abfallprodukt. Ich muss vielmehr wissen: Passiert genug? Warum passiert nicht genug? Warum bei diesem und bei jenem Kunden nicht? Warum ist die Pipeline nicht voll genug? Ich muss rasch erkennen können, ob der Einsatz stimmt. Denn wenn ich heute sehe, dass der Einsatz nicht stimmt, dann werde ich in drei Monaten ein Umsatzproblem bekommen. Oder in einer anderen Branche in sechs Monaten oder in eineinhalb Jahren oder zwei Wochen. Nur den Einsatz kann ich wirklich managen: Muss ich mehr zur Kundengruppe A oder zur Kundengruppe B oder müssen wir überhaupt mehr zum Kunden? Das kann ich beeinflussen, den Umsatz direkt nicht. Ich liebe ohnehin mehr das Wort Controlling als Kontrolle. Eine gute Controllingabteilung ist eine Planungsabteilung. Da geht es weniger um Kontrolle, sondern um vorausschauendes Planen.

Seit November vergangenen Jahres haben Sie in Ihrem Unternehmen ein cloudbasiertes CRM-System von SAP mithilfe der Spezialisten von maihiro eingeführt. Warum cloudbasiert?

RENKIN: Die Cloud ist die Form, die den Verkäufer weitgehend unabhängig macht. Wenn der beim Kunden ist, soll er möglichst viel Information dabeihaben – es ist ja nicht so, dass er zwischen zwei Kundenterminen ins Büro fahren und sich informieren kann. Zudem bereiten sich Verkäufer ja nicht wie Universitätsprofessoren vor, sondern sind beim Dokumentieren doch manchmal etwas flapsig. Daher müssen die Instrumente dazu zeitnah zur Verfügung stehen. In der Vorbereitung wie in der Nachbereitung. Führen Sie mal 50 Telefonate beim Autofahren auf der Strecke zwischen Wien und München und versuchen Sie, sich nachträglich daran zu erinnern, was Sie mit wem besprochen haben. Eine schwierige Übung. Eine Dokumentation muss authentisch sein, das kann sie nur, wenn sie zeitnah erfolgt, am besten noch während des Gesprächs. Ich muss also das Werkzeug permanent verfügbar haben, das geht nur mit der Cloud.

Außerdem kommt natürlich dazu, wie sexy ein System für die Benutzer ist. Sie brauchen ein Instrument, das einfach bedienen lässt, das vielleicht auch ein bisschen Spaß macht, das einfach cool und gut ist. Ein Dashboard zum Beispiel, bei dem ich die wichtigen Kennzahlen im Blick habe, ist ja nicht nur für mich wichtig, sondern auch für den Mitarbeiter. Der macht das auf und sieht: Wo bin ich mit meinen KPIs, wie weit bin ich noch von meinen Zielen entfernt? Da achten wir auch auf Transparenz. Grundsätzlich. Das ist ganz wichtig. Ich habe keine Lust darauf, dass bei mir in der Firma das Rad fünfmal neu erfunden wird. Transparenz heißt auch: Ich sehe, was der Kollege macht, und kann mir was abschauen, wenn es gut ist. Angst – ob vor Kontrolle oder den Kollegen – ist ziemlich erfolgshemmend.

Was ist Ihrer Meinung nach bei der Einführung eines CRM-Systems das Wichtigste?

RENKIN: Ich habe ja schon viele Einführungen auch bei anderen Unternehmen begleitet und es geht immer um das gleiche: Ich muss erstens mit der Software ein System abbilden, das ich bei der Arbeit schon habe. Die muss also schon gut organisiert sein: Was tue ich, tue ich das Richtige, wie plane ich? Sonst nutzt die Software nichts. Das zweite: Man muss bei der Implementierung immer die einbinden, die es dann später nutzen sollen. Das gilt im Verkauf vielleicht noch mehr als in anderen Abteilungen. Wenn es das Baby des Managements ist, dann wird es immer das Baby des Managements bleiben. Es muss aber das Baby der handelnden Personen sein. Sie müssen mitentwickeln, ihre Ideen verwirklichen können. Mitarbeiterbeteiligung ist das schöne Wort dazu. Als Manager kann ich so ein System nur soweit beurteilen, wie es meine Arbeit betrifft. Meine Mitarbeiter können das für ihre Arbeit natürlich auch, die wollen mitreden, die wollen mitgestalten. Und wenn ich meinen Mitarbeitern nicht vertraue, dass sie ihre Arbeit gut machen wollen, habe ich sowieso ein ganz anderes Problem.

Als drittes ist dann noch wichtig: Keep it simple. Man muss auch ein bisschen Mut haben, Dinge bewusst nicht zu nutzen, die ein System kann. Die können alle unheimlich viel, aber das wird längst nicht alles gebraucht. Lieber einfache Sachen bauen, die man dann auch nutzt, als komplizierte Gebäude errichten, in denen sich keiner auskennt.

Wenn Cloud-CRM so einfach ist, warum braucht es denn dann ein Beratungsunternehmen?

RENKIN: Es zu nutzen soll einfach sein, aber es zu implementieren, es anzupassen, ist es nicht. Dazu braucht man das richtige Beratungsunternehmen, das sich in der richtigen Branche bewegt, das dienstleistungsorientiert ist, bei dem die Kommunikation gut funktioniert. Mir vorzustellen, dass ich das ohne Beratungsunternehmen umgesetzt hätte, würde einem Albtraum gleichkommen. In so einem Prozess sind so viele Kleinigkeiten zu bedenken und bearbeiten, wenn ich das in meiner Abteilung machen würde, müsste ich mich fragen, ob meine Abteilung richtig organisiert ist, denn soviel Zeit dürften wir gar nicht haben.

Ihr CRM-System ist seit November im Einsatz – hat es sich bewährt?

RENKIN: Das muss man in zwei Stufen beantworten. Zum einen muss das System als Hilfsmittel akzeptiert sein und man muss es einsetzen wollen. Da sind wir auf einem sehr guten Weg, die Kundengespräche werden dokumentiert, wichtige Infos gesammelt, das funktioniert. Die zweite Stufe wäre dann, dass wir auch mehr Umsatz haben, denn wir sind ja keine Sozialorganisationen – das kann man aber erst nach einiger Zeit beantworten.

Allerdings glaube ich fest daran, dass ein großer Teil des Verkaufserfolgs an den Personen liegt. In einem gesättigten Markt wie unserem ist der persönliche Faktor ganz, ganz wichtig: Wie motiviert und professionell gehen die Mitarbeiter raus? Wie sind die auf den einzelnen Kunden eingestellt? Trotzdem ist ein CRM aus meiner Sicht unverzichtbar. Merkwürdigerweise haben längst nicht alle Unternehmen eines, viele haben kein sehr gutes und noch viel mehr nutzen es nicht richtig.