Dem Dialogmarketing gehen die Allrounder aus

Die Anforderungen im Dialogmarketing werden immer komplexer. Denn die klassischen Instrumente wie das Print-Mailing werden durch neue Online-Dialogmaßnahmen nicht verdrängt, sondern ergänzt. Der Branche fehlen insbesondere Fachkräfte, die das gesamte Aufgabenspektrum beherrschen und alle Kanäle bedienen können.
Michael Baumbach

Die Zeiten, in denen eine Stellenanzeige mit den Begriffen „Dialogmarketing“, „Key Account“ oder „Traineeprogramm“ ganze Wäschekörbe mit qualifizierten Bewerbungen füllte, sind definitiv vorbei. Die Datenschutznovelle in 2009 und der nachgelagerte Stellenabbau, insbesondere bei den Dialogmarketing-Dienstleistern, sowie die dramatische Entwicklung bei den klassischen Versendern hat zu einem herben Verlust von Fachkräften geführt.

Multi-Channel-Expertise fehlt

Die junge Generation fokussierte auf Online-Marketing, und die gestandenen Fachkräfte wechselten teilweise die Branche oder sind heute nicht mehr berufstätig. Fundraiser suchen zum Beispiel händeringend nach Menschen, die das klassische Spendenmailing beherrschen, weil die Zielgruppe deutlich besser auf das Mailing reagiert als auf die E-Mail. Die Branche braucht also Allrounder, weil die Online-Versender sowie die klassischen Versender auf alle Kanäle setzen. Aber diese Multi-Channel-Experten sind schwer zu finden und daher sehr begehrt.

Strategisches Personalmarketing tut not

Eine Stellenanzeige in der Tages- oder Fachpresse hilft da nicht weiter. Heute müssen Dialogmarketing-Unternehmen andere Wege beschreiten, mit kreativen Ideen auf sich aufmerksam machen, um Nachwuchskräfte und Fachpersonal für sich zu gewinnen. Recruitingmessen, Employer Branding, Talentmanagement und natürlich eine positive Bewertung auf den Arbeitgeberbewertungsportalen wie zum Beispiel Kununu sind die neuen Themen der Personalabteilung.

Insbesondere kleinere Familienunternehmen und der Mittelstand verfügen heute nicht immer über die Möglichkeit, strategische Personalarbeit zu leisten. Denn auch in den Personalabteilungen fehlen qualifizierte Fachkräfte – ein gefährlicher Teufelskreis, den die Unternehmen oft nur mit temporärer, externer Hilfe durchbrechen können.

Chance für den Mittelstand

Top Talente und besonders die begehrten Allrounder schauen nach den großen Namen und kennen die spannenden Möglichkeiten im Mittelstand nicht immer. Es ist also an der Zeit, den Wettbewerbsvorteil Mittelstand nach vorn zu stellen, zu kommunizieren und in messbare Erfolge, sprich „qualifizierte Besetzungen“ umzusetzen.

Denn prinzipiell hat es der Mittelstand durch den gesellschaftlichen Wertewandel heute sehr viel leichter als ein Großunternehmen, Talente für sich zu gewinnen. Die nachstrebende Generation Y legt sehr viel weniger Wert auf Top-Einkommen und Statussymbole. Stattdessen sind die Nähe zum „Chef“ und den Entscheidern, die Flexibilität bei der Arbeitszeit und beim Arbeitsort sowie das sofortige Mitwirken an strategischen Entscheidungen die wesentlichen Treiber in der persönlichen Karriereplanung junger Talente. Und hier kann der flexible Mittelstand im Vergleich zu Großkonzernen oftmals punkten.

(Diese Kolumne erschien am 31. Juli 2015 zuerst als Kommentar in unserem aktuellen Onlineschwerpunkt „Dialogmarketing“.)

Über den Autor: Michael Baumbach ist Management- und Personalberater und geschäftsführender Gesellschafter der indialogum GmbH in Bochum. Er war Gründungsgesellschafter bei der Deutsche Post Adress GmbH, Geschäftsführer bei AZ-Direct und bis 2011 Geschäftsführer und Bereichsvorstand bei der Bertelsmann-Tochter Arvato Services.