„Das Zeitungssterben beginnt erst“

Die Insolvenz der traditionsreichen „Frankfurter Rundschau“ ist nur ein vorläufiger Höhepunkt eines Trends, der die klassische deutsche Medienbranche bereits unumkehrbar erfasst hat. So frustrierend dies für Zeitungsleser und -macher klingt – so absehbar war diese Lage aus Sicht des Trend- und Zukunftsforschers Sven Gábor Jánszky. Seit vielen Jahren warnt er gemeinsam mit etlichen Kollegen, dass die Zeitungsbranche mit existenzbedrohenden Anzeigenverlusten, sinkenden Druckauflagen und wegbrechenden Marktanteilen konfrontiert ist.

Jánszky weist in diesem Zusammenhang auf „das nächste historische Datum“ hin: Nach Medienberichten berate am 21. November 2012 der Aufsichtsrat des Gruner und Jahr Konzerns über die Zukunft seiner Wirtschaftsmedien. Insider hielten es für wahrscheinlich, dass nach jahrelangen Verlusten die hoch angesehene „Financial Times Deutschland“ genauso geschlossen wird wie „Capital, „Impulse“ und „Börse online“. Auch Berliner Zeitung und Berliner Kurier bauten Personal ab, das Nürnberger Abendblatt sei eingestellt und die Nachrichtenagentur dapd sei pleite. Außerdem führen viele traditionsreiche Regionalzeitungen kontinuierlich Verluste im zweistelligen Prozentbereich ein.

Zeitungsverlage folgen der Musikindustrie

Nach Prognosen des deutschen Trendforschungsinstituts „2b Ahead ThinkTanks“ gehen die Zeitungsverlage den gleichen Weg, den die Musikindustrie vor zehn Jahren ging. Binnen weniger Jahre halbierte diese ihren Umsatz und kündigte 50 Prozent ihrer Mitarbeiter. Damit einher gingen Pleiten und Merger der großen Musikkonzerne. Das gleiche Szenario erwartet nach Ansicht von Institutsdirektor Jánszky auch die Tageszeitungsverlage. Er beschreibt die fünf wichtigsten Strategie-Trends für die Tageszeitungsverlage so:

1. Der Anzeigenmarkt verlässt kontinuierlich die Massenprodukte und wendet sich individuellen Werbeformen zu, die Streuverluste vermeiden und direkten Response ermöglichen.

2. Die kommende Display-Entwicklung bringt weiterhin neuartige elektronische Geräte, die die bisherigen papiernen Trägermedien (Bücher, Zeitungen) ablösen. Der Markt des bedruckten Papiers wird sich in den kommenden Jahren zu einem Premiummarkt entwickeln … klein, aber teuer.

3. Leser sind immer weniger bereit, ihr Geld für Abonnements von Massenprodukten auszugeben, die weder direkt auf ihre individuellen Interessen zusammengestellt sind noch einen Mehrnutzen im Vergleich zu kostenlosen Webangeboten bringen.

4. Je weiter die Digitalisierung um sich greift, desto aggressiver entkoppeln Over-the-top-Angebote (OTT) das Geschäftsmodell von der Infrastruktur und drängen die etablierten Infrastrukturanbieter skrupellos an den Rand. Dies gilt für alle Infrastrukturen, von Strom- und Telefonleitungen über Flugzeuge und Automobile bis TV-Frequenzen und Zeitungen.

5. Schulkinder werden in wenigen Jahren nicht mehr auf gedrucktem Papier lesen lernen. Damit wird die „Kulturtechnik des Lesens“ unterbewusst nicht mehr mit dem Rascheln von Papier verbunden, sondern mit dem Fingerstrich auf Touchpads. Je weniger Menschen auf Papier lesen lernen, desto näher rückt der langsame Tod des bedruckten Papiers.

In der Konsequenz wird – so Jánszky weiter – die gedruckte Zeitung in den kommenden Jahren zum Premiumprodukt werden. Es werde weniger geben. Aber sie würden wertvoller und teurer. Das bisherige Massengeschäft der Zeitung wandere in Onlineangebote ab. Wenig später würden auch die gedruckten Bücher diesem Trend folgen.

„Probleme sind hausgemacht“

Doch der Trendforscher gibt die Schuld für die Misere der Verlage nicht dem Internet. „Die Probleme der Verlage sind hausgemacht“, sagt er. „Das in der Branche übliche Gejammer über angeblich unfaires Verhalten von Internetunternehmen oder öffentlich-rechtlichem Rundfunk weist nur auf das eigene Unvermögen der Top-Entscheider in den Verlagen hin.“ Auf Basis seiner Trendanalyse empfiehlt er den Verlagen, ihr eigenes Geschäftsmodell anzugreifen. „Verlage müssen die verlegerische Logik des Erstellens eines neutralen redaktionellen Umfeldes für Werbeanzeigen verlassen. Sie müssen dazu übergehen, online nicht mehr Werbung, sondern eigene Services und Produkte zu verkaufen. Sie müssen das Internet nicht als zusätzlichen Vertriebskanal verstehen, sondern als Werkzeug, um das eigene Produkt adaptiv zu machen. Dies ist für einen Zeitungsliebhaber ein schwerer Schritt, aber das Problem ist eher ein mentales, kein wirtschaftliches,“ sagt der Trendforscher.

Als Beispiele für gelungene Angriffe auf eigene Geschäftsmodelle führt Jánszky den Axel-Springer-Verlag und den Burda Verlag an. Beide Verlage hätten frühzeitig auf die Warnungen reagiert. Sie machten inzwischen nur noch rund ein Drittel ihres Geschäfts mit bedrucktem Papier, bis zu 70 Prozent dagegen online.