Das Hamsterrad im Job verlassen: Welche Vorteile ein Sabbatical hat und wie man es am besten angeht

Sich als Clown ausbilden lassen, in Nepal in einer Schule mitarbeiten, um die Welt reisen, ein Buch schreiben, ein Haus bauen – immer mehr Menschen nehmen sich eine längere Auszeit, um sich einen Herzenswunsch zu erfüllen oder Abstand zu gewinnen. Oder beides. Das Sabbatical ist dafür eine gute Idee. Was muss aber mit dem Chef geklärt werden und wie organisiert man solch eine Auszeit?

Eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber aushandeln

Wichtig ist es auf jeden Fall, die Vereinbarung zum Sabbatical mit dem Arbeitgeber schriftlich festzuhalten. Darin sollte beispielsweise die Rückkehr in den alten Job garantiert und die Länge der Ansparphase samt ihrem Beginn fixiert werden. Wichtig ist bei den Ansparmodellen zudem eine Vereinbarung, die das gesparte Geld oder die gesparte Zeit vor der Insolvenz des Arbeitgebers schützen.

Damit es überhaupt zu solch einer Vereinbarung kommt, muss erst mal der Arbeitgeber ins Boot geholt werden. Der Arbeitnehmer sucht das Gespräch mit seinem Chef am besten möglichst frühzeitig, und er sollte sich darauf gut vorbereiten. Schließlich möchte der Vorgesetzte sicher wissen, warum sich sein Mitarbeiter solch eine lange Auszeit wünscht und welches Ziel er damit verfolgt. Darüber sollte man sich also vorher klar werden und dann offen kommunizieren. Auch um Befürchtungen aus dem Weg zu räumen, bei dem Wunsch nach einer langen Auszeit könnte es sich um eine vorweggenommene Kündigung handeln. Überzeugen können den Arbeitgeber etwa Kompetenzen, die in der Sabbatzeit erworben oder gestärkt werden. Auch Vorschläge zu einer möglichen Vertretungsregelung während der eigenen langen Abwesenheit kommen gut an. „Meinen Job haben für die sechs Monate meine Kollegen unter sich aufgeteilt. Und für die einfacheren Aufgaben haben wir eine studentische Aushilfe angestellt“, berichtet Oliver Zinn. „Inzwischen ist aus der studentischen Aushilfe ein Kollege geworden. Eigentlich ist das super gelaufen. Meine Chefin konnte sich ihren künftigen Mitarbeiter schließlich sechs Monate lang in aller Ruhe anschauen.“  Auch für den Controller selbst ist es super gelaufen, bekam er doch die Zustimmung zu seinem Sabbatical überraschend schnell und einfach. „Ich habe mich auf ein halbes Jahr Diskussion eingestellt, aber dann hatte ich nur wenige Gespräche. Dafür bin ich sehr dankbar. Meine Identifikation mit dem Unternehmen ist seitdem viel höher.“

Das Sabbatical planen

Für die konkrete Planung des Sabbaticals ist es wichtig zu wissen, wie viel Geld einem in der Auszeit zur Verfügung steht. Fragen nach den Kosten, beispielsweise für zusätzliche Versicherungen wie eine Auslandskrankenversicherung, müssen geklärt werden, damit nicht mitten im Sabbatical das Geld ausgeht. Selbst wer weiterhin Gehalt bekommt, lebt meist auf einem niedrigeren Niveau. „Den Urlaubsstandard kann man nicht halten, wenn man so
lange weg ist“, berichtet K., „die Flüge, die Unterkünfte, das kostet ja alles. Wir hatten 80 Euro pro Tag zur Verfügung. Das bedeutet: Leben auf Hostel-Ebene für ein Jahr.“ Um zu Hause Kosten zu sparen, hat das Ehepaar sein Haus untervermietet. „Das ist schon ein komisches Gefühl: Du ziehst dann die Tür hinter dir zu und weißt, du kannst nicht zurück für die nächsten zwölf Monate.“ Trotzdem vermieten viele in dieser Situation ihr Haus oder ihre Wohnung. 

Oliver Zinn hat ein Jahr vorher angefangen zu planen und ist ziemlich froh darüber. „Zuerst wollte ich meine Traumziele bereisen, Namibia und Nepal. Und dann Freunde besuchen, die nach Kanada ausgewandert sind.“ Er grinst. „Aber dann habe ich mal einen Zeitplan ausgearbeitet und festgestellt: Wenn du das so machst, dann kommst du mit einem Burn-out aus dem Sabbatical zurück. Als mir das klar war, habe ich den Plan noch mal umgeschmissen. Das war ein halbes Jahr vor dem Beginn des Sabbaticals.“

Ganz weit weg

Übrig geblieben von Olivers Plan ist Kanada. Er tourte durch das Land, besuchte seine Freunde. Und er ließ sich in einer Clownsfarm in einem Indianerreservat ausbilden. Als er davon erzählt, strahlt er über das ganze Gesicht. „Ich hatte damals zwar schon in Deutschland mit der Clownsausbildung begonnen, aber die Zeit im Manitoulin Conservatory for Creation and Performance war einfach fantastisch. Eines der größten Geschenke in meinem Leben.“

Wiebke K. war während der Reise viel mit Organisatorischem beschäftigt. „Ständig bist du auf der Suche nach guten Hostels“, berichtet sie, „schließlich willst du nicht irgendwo landen, wo du dich gar nicht wohlfühlst. Während des Reisens soll es dir ja gut gehen, und darum musst du dich kümmern, das ist unterwegs dein Projekt, das gibt dir auch die Struktur. Dauernd bist du mit der Frage beschäftigt: Was mache ich wann? Wie gestalte ich die Zeit, damit sie schön ist und die Bedürfnisse von beiden erfüllt sind. Das ist gerade in der Ferne wichtig. Streit kann man da gar nicht gebrauchen.“

Auch weil ein Sabbatical häufig eine Menge Selbstorganisation bedeutet und es wichtig ist, sich in der Zeit selbst Ziele setzen zu können, ist nach Binnewies so eine lange Auszeit nicht geeignet für Menschen, die kurz vor dem Burn-out oder einer Depression stehen.

Die ersten Wochen nach der Rückkehr hat Wiebke K. viel Zeit zu Hause auf dem Sofa verbracht und den Komfort genossen, der vor der Abreise für sie ganz selbstverständlich war. Das Sabbatical hat ihre Einstellung verändert. „Deutschland ist für viele Menschen in der Welt das Paradies“, meint sie. „Die Justizsicherheit hier und der Wohlstand, die komfortablen Lebensumstände – ich habe gelernt, das alles stärker wertzuschätzen.“ 

Oliver Zinn geriet bei seinem Neustart schnell wieder in den alten Trott. Das geht vielen so. Die Autorinnen des Ratgebers „Auszeit vom Job“ Anja Mumm und Nicole Jähnichen empfehlen deshalb, es langsam anzugehen und nicht direkt voll durchzustarten. Und sie geben den Tipp, sich am Ende eines Sabbaticals darüber klar zu werden, welche neuen Gewohnheiten einem guttun und die dann bewusst beizubehalten, also zum Beispiel regelmäßig spazieren zu gehen oder ein Musikinstrument zu spielen. Oliver Zinn wusste nach den sechs Monaten seines Sabbaticals zweierlei. Erstens: Er ist in seinem Job gar nicht so falsch. Und zweitens: Er liebt die Clownerie. Kurz nachdem er wieder angefangen hatte zu arbeiten, reduzierte er deshalb seine Arbeitszeit auf vier Tage. Heute arbeitet er 3,5 Tage in seinem alten Job und einen Tag als Klinikclown. Ein Sabbatical möchte er am liebsten alle fünf Jahre einlegen. „Eigentlich wäre es dann jetzt fast wieder so weit“, meint er und lächelt, „aber momentan steht es nicht an, ich bin einfach gerade richtig zufrieden so, wie es ist.“