Das Hamsterrad im Job verlassen: Welche Vorteile ein Sabbatical hat und wie man es am besten angeht

Sich als Clown ausbilden lassen, in Nepal in einer Schule mitarbeiten, um die Welt reisen, ein Buch schreiben, ein Haus bauen – immer mehr Menschen nehmen sich eine längere Auszeit, um sich einen Herzenswunsch zu erfüllen oder Abstand zu gewinnen. Oder beides. Das Sabbatical ist dafür eine gute Idee. Was muss aber mit dem Chef geklärt werden und wie organisiert man solch eine Auszeit?

Von Christine Stahr

Ein Sabbatical ist eine mehrere Monate dauernde Pause vom Alltag mit der Garantie, danach wieder in seinem alten Job arbeiten zu können. Der Begriff verweist auf den jüdischen Sabbat: den siebten Wochentag, an dem die Menschen dem göttlichen Gebot zufolge nicht arbeiten sollen. Das hebräische Wort „šabat“ bedeutet übersetzt „innehalten“.

Genau das – innehalten – wollte Oliver Zinn, Risiko-Controller für Immobilien, als er sich entschied, eine Auszeit zu nehmen. „Die Idee dafür kam mir in einer sehr stressigen Jobsituation. Der normale Urlaub hat mir da einfach nicht mehr gereicht, um abzuschalten“, erzählt er. „Durch den Stress habe ich mich auch gefragt, ob ich das alles überhaupt noch will.“ Um das zu entscheiden, hat Oliver Zinn Abstand gesucht.

Viele Menschen wünschen sich, das tägliche Hamsterrad für eine längere Zeit links liegen zu lassen. Ein Sabbatical bietet zudem die Möglichkeit, eine Erfahrung zu machen, die sich sonst nicht oder nur schwer ins Leben integrieren lässt. „Und während eines Sabbaticals lässt sich gut darüber nachdenken, ob man grundlegend in seinem Leben etwas ändern möchte“, meint Carmen Binnewies, Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Münster.
Das Sabbatical von Oliver Zinn dauerte sechs Monate. „Das war genau der richtige Zeitraum für mich“, findet er im Rückblick. Generell ist die optimale Länge eines Sabbaticals abhängig von den jeweiligen Gründen für die Auszeit. Und von den individuellen Zielen. 
Als Wiebke K. und ihr Mann, beide Lehrer, im Sommer 2013 ihr Sabbatical begannen, waren sie nicht übermäßig gestresst, es war einfach der erstbeste Zeitpunkt. „Wir reisen gerne, und als unsere Kinder die Schule beendet hatten, sind wir gleich los“, erzählt Wiebke K.

Also fuhren sie los, zuerst nach Nepal, von dort ging es weiter nach Thailand, Neuseeland, Brasilien, Argentinien und Kuba. Zwölf Monate waren sie in der Welt unterwegs. Rückblickend betrachtet findet Wiebke K. das zu lang. „Irgendwann, nach einem halben Jahr etwa, kam bei mir eine Reisemüdigkeit auf. Da denkst du dir dann: Noch ’ne Wüste? Ach nee, lass mal. Nach einer Weile kann das Reisen ziemlich langweilig werden.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Eine Aufgabe hätte der zweiten Hälfte unseres Sabbaticals gutgetan.“ Tatsächlich suchen sich viele Menschen in ihrer Auszeit eine Aufgabe, zum Beispiel als Ehrenamtliche im Ausland – in dem sogenannten Social Sabbatical unterrichten sie, pflegen Kranke, betreuen Kinder oder bauen Websites – die Möglichkeiten sind zahlreich. Einen Eindruck davon, wie es sein kann, sich in einem Entwicklungsland ehrenamtlich zu engagieren, haben auch Wiebke K. und ihr Mann bekommen. „In Nepal haben wir mal zehn Tage in einer Schule gelebt und dort mitgeholfen“, erzählt sie, „da waren wir richtig eingebunden in den Alltag, das war toll.“ Sie zögert einen Moment. Dann fügt sie hinzu: „Irgendwie waren wir mehr im Gespräch mit der Welt.“

Ein Recht auf ein Sabbatical?

Arbeitspsychologin Binnewies empfiehlt, für das Sabbatical einen Zeitraum zu wählen, in dem keine großen Umbrüche zu erwarten sind. „Um im Sabbatical den Abstand zum Alltag zu wahren, ist es wichtig, nicht so oft gestört zu werden. Eine Zeit, in der ganz viel passiert, zum Beispiel weil das eigene Unternehmen dann mit einem anderen fusioniert, bietet sich vor dem Hintergrund also nicht gerade an. Auch weil einem die Rückkehr dann vielleicht bevorsteht, und das wirkt sich negativ auf die Erholung aus.“

Einfach losreisen nach dem Motto „Ich bin dann mal weg“ funktioniert bei einem Sabbatical in der Regel nicht. Im Gegenteil: Eine lange Pause wird meist Jahre vorher mit dem Arbeitgeber vereinbart – wenn eine Vereinbarung überhaupt zustande kommt. Ein grundsätzliches Recht auf eine Auszeit gibt es in Deutschland nicht. Lediglich im öffentlichen Dienst bestehen Vereinbarungen, die ein Sabbatical vorsehen und die Bedingungen dafür regeln. Außerdem haben meist große Unternehmen mit dem Betriebsrat entsprechende Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. In allen anderen Fällen ist das Sabbatical

Verhandlungssache zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Für ein Sabbatical gibt es verschiedene Modelle. Ein Mitarbeiter kann Teilzeitarbeit mit seinem Arbeitgeber vereinbaren. Er arbeitet dann beispielsweise 40 Stunden, wird aber nur für 30 Stunden bezahlt. Die 10 unbezahlten Stunden fließen jede Woche auf sein Zeitkonto – so lange bis auf dem Konto genug Zeit für das Sabbatical zusammengekommen ist. Gesammelt werden können auch Überstunden oder Urlaubstage. Den so zusammengesammelten Überschuss erhält der Mitarbeiter während des Sabbaticals. Ihm wird dann weiter regelmäßig das Gehalt gezahlt. Der Vorteil bei diesen Modellen: Der Arbeitnehmer bleibt während des Sabbaticals versichert, da er ja weiterhin Gehalt bekommt. Diesen Vorteil bietet neben den Ansparmodellen nur die verschobene Elternzeit. Bis ein Kind acht Jahre alt ist, kann sie genommen werden.

Bei den Ansparmodellen muss die Planung des Sabbaticals sehr früh beginnen, schließlich dauert es, bis genug Geld oder Zeit zusammengekommen sind. In so einer langen Ansparphase kann eine ganze Menge passieren. Kurzfristiger lässt sich ein Sabbatical realisieren, wenn ein unbezahlter langer Urlaub vereinbart wird. Aber das hat Nachteile, die über das fehlende Gehalt in der Auszeit hinausgehen, ist doch der Arbeitnehmer in der Zeit des Sabbaticals nicht versichert. Er muss sich selbst versichern, die Krankenversicherung ist unverzichtbar, und auch ein Aussetzen der Beiträge für die Rentenversicherung bringt Nachteile – sowohl im Hinblick auf die Höhe der künftigen Rente als auch vor dem Hintergrund einer möglichen Erwerbsunfähigkeit.