„Daimlers Zukunft ist ungewiss“

"Daimler findet sich strategisch auf dem Stand von Mitte der 80er Jahre wieder, aber erheblich ärmer an Perspektiven und finanziellen Mitteln". So urteilt Prof. Dr. Stefan Bratzel vom Center of Automotive in Bergisch Gladbach. Für ihn ist die Zukunft von Chrysler ungewiss.

Kommentar

Welche Folgen hat dieser Deal nun für Daimler, welche für Chrysler? Kann Daimler langfristig allein unabhängig bleiben? Droht gar eine feindliche Übernahme? Was kostet der Verkauf – und zwar nicht nur in rein finanzieller Hinsicht? Welche strategischen Optionen hat Dieter Zetsche? Mit der Trennung von Chrysler ist – trotz der Minderheitsbeteiligung von knapp 20 Prozent – der
Traum von einer Welt AG geplatzt. Innerhalb von 9 Jahren wurde in erheblichem Maße Wert vernichtet. Werden vom Kaufpreis von 36 Mio. Euro für die Fusion von 1998 mit Chrysler den Ergebnisbeitrag der Tochter von rund 11 Milliarden Euro abgezogen, so ist das amerikanische Abenteuer mehr als ein Verlustgeschäft ein Milliarden-Verlustgeschäft gewesen.

Hinsichtlich seiner strategischen Ausrichtung steht die neue Daimler AG jetzt auf dem Stand von Mitte der 80er Jahre. Die neue Vision eines weltweiten Premiumanbieters ähnelt dabei stark dem Vorbild von BMW. Nach verkauften Pkw ist die neue Daimler AG sogar kleiner als der bayrische Konzern. Der Branchenprimus Toyota setzt dagegen fast 7-mal mehr Fahrzeuge ab.

Fest steht: Am heutigen Montag werden die Karten im weltweiten Autobusiness neu gemischt. Es entstehen zwei neue, deutlich kleinere Automobilkonzerne, an deren Unterschiedlichkeit sich die Probleme ablesen lassen, die sie gemeinsam unter einem Dach hatten. Auf der einen Seite der ewig kränkelnde US-Massenanbieter mit enormen Absatzproblemen im eigenen Land aufgrund
einer verfehlten, weil zu kurzsichtigen Modellpolitik und einer schweren Last in Form von Pensionsverpflichtungen in der Zukunft. Auf der anderen Seite ein ausgewiesener Premiumanbieter im PKW-Bereich mit inzwischen wieder besseren Stand in Europa, aber an globalen Stückzahlen gemessen untergeordneter Bedeutung in der globalisierten Autowelt.

Fest steht außerdem: Daimler muss sich mittel- bis langfristig Sorgen um die eigene Unabhängigkeit machen. Stand heute ist die Gefahr groß, dass Daimler zum Übernahmekandidaten wird. Daimler ist – im Unterschied zu BMW – nicht durch strategische Anteilseigner, wie die Quandt-Familie, gesichert und hat einen hohen Anteil von Streubesitz. Zwar ist der genaue Börsenwert
noch nicht abzusehen, Daimler wäre jedoch ein günstiges Filetstück für einige Akteure.

Hier wird sich Daimler in Zukunft zum Beispiel durch strategische Partnerschaften absichern müssen. Für die neue Chrysler – Gesellschaft wird es längerfristig im heiß umkämpften US-Markt schwierig zu bestehen. Es ist fraglich, ob sich Chrysler ohne weitere Partner am Markt halten kann. Vorstellbar sind strategische Partnerschaften mit einem anderen Hersteller als auch – bei negativer Performance am Markt – eine Zerschlagung.

Prof. Dr. Stefan Bratzel
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