Da geht noch was: Neue Erlösquellen für Medien

Zeitschriften und Sender nutzen ihre Bekanntheit und tummeln sich mit ihren Marken in neuen Geschäftsfeldern. Die Medien profitieren davon und Werbetreibenden eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten.
Die Stiftung Warentest prüft jährlich mehr als 30.000 Produkte und verkauft Gütesiegel an die Hersteller, die damit werben können. (© Andreas Meichsner/laif)

Milliarden Euro gesteigert – ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein anhaltender Trend, der dazu geführt hat, dass die Medienhäuser inzwischen drei von zehn Euro jenseits der traditionellen Erlössäulen Vertrieb und Werbung erwirtschaften. Mehr als die Hälfte davon stammt aus digitalen Aktivitäten wie Onlineshops und Vergleichsportalen, fast 20 Prozent steuern Online-Stellenmärkte bei, wie aus Berechnungen der Unternehmensberatung Schickler für den Medienverband der Freien Presse (MVFP) hervorgeht. Fünf Beispiele, die zeigen, was möglich ist.

Siegelgeschäft: Logo-Umsatz mit dem „Test“-Urteil

„Test“ und „Finanztest“, die beiden Zeitschriften der Stiftung Waren­test, folgen einem Reinheitsgebot besonderer Art: Sie dürfen keine Spuren von Werbung enthalten. Gegründet 1964 vom Deutschen Bundestag, hat sich die Stiftung zu strengster Neutralität verpflichtet, um bei mehr als 30.000 im Jahr getesteten Produkten nicht mal den Anschein einer Beeinflussung zu erwecken. Zum Ausgleich spendiert der Bund, genauer: das Ministerium der Justiz und das für Verbraucherschutz, den ­Warentestern 1,9 Millionen Euro. Das waren 2021 gerade einmal drei Prozent der Gesamteinnahmen.

Aus wirtschaftlicher Sicht tut das Anzeigen-Zölibat natürlich weh, erst recht, weil die beiden Monatsmagazine je Erscheinung zusammen 562.000 Exemplare verkaufen und, so viel Prognose darf man wagen, attraktive Werbeträger für viele Marken wären. Doch statt mit Anzeigen verdienen „Test“, „Finanztest“ und ­Test.de seit 2013 am Verkauf von Logolizenzen. Das heißt: Unternehmen können ihre Produkte mit dem Siegel der Stiftung Warentest bewerben. Je nach Dauer (ein bis drei Jahre) und Um­fang der werblichen ­Aktivitäten werden für eine Lizenz zwischen 8500 und 49.000 Euro fällig.

Im vergangenen Jahr haben die renommierten Warentester 667 Markenlizenzen verkauft und damit 5,7 Millionen Euro verdient. Das ist rund ein Zehntel mehr als vor zwei Jahren und entspricht einem Anteil am Gesamtumsatz von neun Prozent.

Mit Siegeln machen längst auch Medienmarken wie „Focus“ und „Capital“ gute Geschäfte. Das Wirtschaftsmagazin führt mit Partnern mehr als ein Dutzend Tests und Studien durch, die Basis für die Vergabe von Siegeln sind. Bis zu 20 Prozent des Umsatzes und etwa ein Drittel des Gewinns steuert diese Art der Lizenzvergabe bei.

Shopping-Event: Wie „Glamour“ zur Einkaufsplattform wird

„Glamour“ eine Zeitschrift zu nennen ist nicht falsch, aber nur die halbe Wahrheit. Denn ihr Kernthema ist inzwischen „Inspirational Shopping“, wie das Condé Nast nennt, also „zum Einkaufen anzuregen“. Vor 21 Jahren gestartet, hat sich „Glamour“ somit von einem Magazin zu einer 360-Grad-Shopping-und-Beauty-Plattform weiterentwickelt. „08/15-Content kann jeder“, sagt Georg Wittmann, Head of Editorial Content bei Glamour Deutschland. „Unsere Stärke ist es, Content erlebbar zu machen. Nicht nur auf physischen Events, sondern indem wir Journeys schaffen, die nicht damit enden, dass ein Tab geschlossen oder ein Magazin zugeklappt wird.“ „Glamour“ sei, auf gut Denglish gesagt, „eine Experience-Brand, die Audiences mit für sie relevanten Marken auf native Weise verbindet“.

842.000 aktive App-Nutzer*innen zählte der Verlag Condé Nast zur „Glamour Shopping-Week“ im Frühjahr.

Die Brücke dazu hat der Verlag im Jahr 2006 mit der ersten „Glamour Shopping-Week“ (GSW) gebaut. Was als Kooperation zwischen Verlag und Händlern, zwischen Medium und Fashion-/Beauty-Marken begann, ist mittlerweile zu einem multimedialen Großevent geworden. Heute gibt es zu jeder Jahreszeit eine „Shopping-Week“, also viermal jährlich. Eine Art „Black Friday“ im Mehr-Tages-Takt, der die Interessen von Leser*innen und Werbetreibenden verbindet – und in einem Rabattfestival (gut für die Käufer*innen) mit hohem Absatzvolumen (gut für die Onlineshops) gipfelt.

Wer die Vergünstigungen nutzen möchte, braucht dazu eine „Shopping-Card“. Die ist Bestandteil der Print- oder E-Paper-Ausgabe für 3,49 Euro oder kann in der Glamour-App zum gleichen Preis aktiviert werden. Vor und während der „glamourösen“ Einkaufswochen ist der Run riesig: Zur GSW im Frühjahr zählte ­Condé Nast 842.000 aktive App-Nutzer*innen; im gesamten Jahr 2021 waren es 3,7 Millionen. Auch der Heftverkauf schießt dann nach oben: Bestseller im Einzelhandel war Ausgabe 5/2021 zur X-Mas-Shopping-Week mit 468.783 Stück – die Auflage lag damit zwölfmal höher als die schwächste Nummer im Jahr. Neben den Vertriebs­erlösen freut sich „Glamour“ über ein üppiges Vermarktungskonto: Allein im Frühjahr 2022 nahmen 161 Partner-Unternehmen und 14 Influencer Brands an der Shopping-Week teil.

Onlineshop: Exquisites aus dem „Landlust“-Regal

Alpaka-Merino-Wolle ab 7,95 Euro, ein Lese­kissen für 56 Euro oder eine Rostfeuerkugel für 149 Euro gibt es im Onlineshop von „Landlust“. Das Magazin, 2021 mit zweimonatlich über 844.000 verkauf­ten Heften immer noch ein Auflagenriese im Zeitschriftenmarkt, hat vor geraumer Zeit seinen eigenen Laden aufgemacht. Rund 550 Produkte sind in den Online-Regalen zu finden, „handverlesen, möglichst individuell und in dieser Form nur im ,Landlust‘-Shop erhältlich“, wie Malte Index-ygFaEP SchwerdtfegerSchwerdtfeger betont. Er ist Sprecher der Geschäftsführung der Deutschen Medien-Manufaktur (DMM), einem Gemeinschaftsunternehmen von Landwirtschaftsverlag und Gruner + Jahr, wo die „Landlust“ ihr Zuhause hat.

550 Produkte, alle mit einer starken Nähe zum Kern der Medienmarke, finden die Kund*innen im „Landlust“-Onlineshop.

Eine Medienmarke derart zu erweitern sei dann Erfolg versprechend, „wenn das neue Geschäft eine starke Nähe zu deren Kern hat und die Produkterweiterung authentisch ist“, so Schwerdtfeger. Bei „Landlust“ sei das der Fall. „Wir betreiben einen Manu­faktur-getriebenen Shop, die Produkte werden in kleinen Stückzahlen bei Werkstätten und Handwerksbetrieben eingekauft, individuell ausgesucht und haben eine gewisse Unique­ness“, sagt der Verlagsmanager.

Bildung: „Brigitte“ & Co mit eigener Akademie

Bertelsmann hat Bildung zur „dritten Geschäftssäule neben ­Medien und Dienstleistungen“ ausgerufen und im vergangenen Jahr damit schon ordentlich Umsatz gemacht. In Zahlen: 283 Millionen Euro. Die Erlöse der Bertelsmann Education Group stammen fast ausschließlich aus dem US-Markt; steil nordwärts gerichtete Mundwinkel im Management löst die erzielte ­Marge aus: 31 Prozent. Auch wenn solch spektakuläre Umsatzrenditen eher die Ausnahme sind, sehen Medienunternehmen in Lehr- und Lernangeboten ein einträgliches und zunehmend stark nach­gefragtes Geschäft.

Bei manchen Verlagen, beispielsweise Haufe, Klett und Weka, gehört Bildung fast zur DNA. Andere tummeln sich erst in jüngerer Vergangenheit auf diesem Feld. Der Zeitverlag entwickelte die 2011 gestarteten Aktivitäten „Weiterbildung“ zur eigenständigen „Zeit Akademie“, die sich als digitale Lernplattform etabliert hat. Der „Spiegel“ kooperiert seit 2018 mit der SRH Fernhochschule in der „Spiegel Akademie“ und will Interessierte – akademische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich – fit für Themen wie Agiles Coaching, Digital Leadership oder Influencer Management machen.

Auch die ehrwürdige „Brigitte“ hat mit der „Brigitte Academy“ eine Plattform für persönliche Weiterentwicklung in Beruf und Privatleben eröffnet. Ziel ist es, Frauen in vielerlei Hinsicht zu unterstützen und zu ermutigen. Die Themen reichen von Storytelling bis Rente, von Gesundheit bis „­Style Day“. Im August startet die Master­class Finanzen: Ein Paket aus Video-Coaching mit angesehenen Finanzexpertinnen, gedrucktem Work­book, Live-Webinaren, Kleingruppentrainings und Online-Community soll den Frauen dabei helfen, das für sie „passende Money Mindset zu entwickeln“ – Kostenpunkt: 549 Euro.

E-Commerce: „Schöner Wohnen“ mit eigener Kollektion

„Schöner Wohnen“ hat geschafft, was ganz wenige Medienmarken schaffen: eine Kollektion unter eigenem Namen und ein riesiges Sortiment aufzubauen. Es umfasst Produkte aus den Bereichen Farben, Heimtextilien, Fensterdekoration, Sicht- und Sonnenschutz, Fliesen, Bodenbeläge, Teppiche, Tapeten, Leuchten, Indoor-Möbel und seit diesem Jahr auch Outdoor-Möbel. Anfang 2023 kommt ein umfangreiches Bad-Programm hinzu. „Schöner Wohnen“ hat sich zur „größten Einrichtungslizenzmarke mit dem breitesten Sortiment in Deutschland entwickelt“, sagt Frank Index-YDAbiB StahmerStahmer, Executive Director Brands – Licensing bei G+J. Marktstudien bestätigen der Dachmarke „Schöner Wohnen“ einen Bekanntheitsgrad in Deutschland von 89 Prozent, nahezu alle loben Design (93 Prozent) und Qualität (94 Prozent). Mittlerweile sind Produkte an mehr als 3000 Standorten erhältlich.

Auf die 1960 gegründete Zeitschrift folgte erst im Jahr 2000 der Launch der „Schöner Wohnen“-Kollektion, der Onlineshop startete 2016, ein Jahr später kam das Möbelsortiment dazu. Genaue Zahlen verrät Stahmer nicht, jedoch mache „das Lizenzgeschäft mittlerweile einen signifikanten Anteil am Gesamtumsatz der Marke aus“. Zwischen Zeitschriften- und Produktpublikum gibt es hohe Übereinstimmung. „Ein Großteil der Leserinnen sind begeisterte Kundinnen der Kollektion“, sagt Frank Stahmer mit Verweis auf Ergebnisse aus der Marktforschung und Feedback in persönlichen Gesprächen. Als größtes Learning und Erfolgsfaktor bezeichnet der Medienmanager, dass „wir unserer Zielgruppe treu, aber dabei niemals stehen geblieben sind“.

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.