Adidas, Miele, Lego: Immer mehr Marken setzen auf D-to-C

Große Markenhersteller wie Adidas, Miele und Lego umgehen immer öfter den Handel und verkaufen direkt an die Konsumenten. Für den Handel ist das ein Ärgernis. Doch den Verbrauchern scheint der Direct-to-Consumer-Ansatz zu gefallen.
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60 Prozent der Kunden, die bereits Ware direkt beim Hersteller gekauft haben, fühlen sich dort besser aufgehoben als bei einem Händler. (© Unsplash/Roberto Cortese)

Adidas tut es, Miele tut es, Haribo und Lego ebenso: Immer mehr Markenhersteller verkaufen auch direkt an die Endkunden. Mit eigenen Online-Shops – und manchmal auch eigenen Läden – suchen sie den unmittelbaren Kontakt zum Konsumenten und können damit in der Corona-Krise immer öfter punkten. Für den Handel ist das wachsende D-to-C-Geschäft keine gute Nachricht.

„Es ist ein klarer Trend: Immer mehr Markenhersteller verkaufen ihre Ware auch direkt an die Endkunden. Und Corona hat diese Entwicklung noch einmal deutlich beschleunigt“, sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Das gelte für praktisch alle Branchen, für Bekleidung ebenso wie für Sportartikel, Elektronik, Spielwaren oder auch Lebensmittel.

Adidas will 50 Prozent über D-to-C umsetzen

Einer der Vorreiter beim Thema Direktvertrieb ist der weltweit zweitgrößte Sportartikelhersteller Adidas. Das Unternehmen macht zurzeit zwar noch den Löwenanteil seiner Umsätze über Sport-Fachgeschäfte und andere Zwischenhändler. Aber das soll sich ändern. Schon 2025 will das Unternehmen etwa die Hälfte seiner Umsätze in den eigenen Online-Shops und Markenstores erzielen, wie Adidas-Chef Kasper Rorsted kürzlich ankündigte.

Haribo verkauft Gummibärchen im Online-Shop nach Farbe sortiert

Allein ist Adidas mit seinem D-to-C-Ansatz nicht. Auch der Hausgerätehersteller Miele lockt mittlerweile Kunden mit Aktionspreisen für Saugroboter, Backöfen und Staubsaugerbeutel in den eigenen Online-Shop. Und die zum Danone-Konzern gehörende Babynahrungsmarke Milupa sagt dem klassischen Einzelhandel in ihrem Online-Shop sogar ganz offen den Kampf an. „Die Tage mit Baby oder Kleinkind sind manchmal ganz schön chaotisch. Wie gut, wenn du dann nicht mehr in den Supermarkt hetzen musst, sondern den Brei für dein Baby bequem online direkt vom Hersteller kaufen kannst“, wirbt sie um Kunden.

Hersteller wie der Spielzeuggigant Lego locken in ihren Shops mit Angeboten, die im klassischen Handel nicht zu finden sein sollen. Der Süßwarenhersteller Haribo verkauft Gummibärchen im eigenen Online-Shop sogar nach Farbe sortiert.

Kunden fühlen sich bei Herstellern besser aufgehoben

Alarmierend für den klassischen Einzelhandel ist eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung KPMG. Danach fühlen sich fast 60 Prozent der Kunden, die bereits Ware direkt beim Hersteller gekauft haben, dort besser aufgehoben als bei einem Händler. Vor allem die Gewissheit, keine Produktfälschung zu kaufen, sehen viele Verbraucher als Vorteil beim Direktkauf. Außerdem erwarten sie beim Kauf vom Hersteller eine umfassendere Beratung zu den Produkten und preisliche Vorteile. Auch individualisierte Produkte, die gelegentlich auf den Herstellerseiten zu finden sind, kommen gut an. Für den Kauf beim Händler spricht in den Augen der Kunden vor allem die schnelle Erreichbarkeit der Läden und das bessere Einkaufserlebnis.

Für den KPMG-Handelsexperten Stephan Fetsch steht deshalb fest, dass der Direktvertrieb „eines der wesentlichen Marktmuster dieses Jahrzehnts“ werden wird. Aktuell werden der Studie zufolge vor allem Schuhe und Bekleidung gerne direkt bei den Herstellern gekauft. Doch auch bei Lebensmitteln und Elektronik umgehen viele Konsumenten mittlerweile immer häufiger den Zwischenhändler.

Hersteller bekommen über D-to-C mehr Kontrolle

Für den Hersteller hat das Ausschalten des Zwischenhandels gleich mehrere Vorteile. „Durch den Direktverkauf an die Endkunden kann der Hersteller nicht nur die Gewinnmarge des Händlers selber einstecken, er hat auch mehr Kontrolle darüber, was mit seiner Ware geschieht“, betonte der Branchenkenner Heinemann. Außerdem erhält der Hersteller so direkten Zugang zum Kunden und damit wertvolle Daten über die Wünsche der Verbraucher.

Und noch ein Aspekt spielt eine große Rolle: „Für viele Hersteller sind der eigene Online-Shop und eigene Läden auch wichtig, um sicherzustellen, dass ihre Produkte weiterhin überall erhältlich sind“, sagt Heinemann. Die Zahl der Geschäfte in Deutschland schrumpfe, weil Handelsketten ihre Filialnetze ausdünnten und viele kleinere Händler aufgeben müssten. Diese Lücken müssten die Hersteller füllen. „Aus diesem Grund werden wir in Zukunft auch viel mehr Marken-Stores von Herstellern in den Innenstädten sehen“, ist der Experte überzeugt.

Was Kunden lästig finden

Lästig finden Verbraucherinnen und Verbraucher am Einkauf direkt beim Hersteller der KPMG-Studie zufolge vor allem eins: Dass in der Regel nicht alle benötigten Produkte auf einen Schlag erworben werden können. Vier von fünf befragten Konsumenten wünschten sich deshalb eine gemeinsame Vermarktungsplattform der Hersteller. Für den klassischen Einzelhandel wäre das wohl ein Alptraum.

Von Erich Reimann, dpa