CMO und CIO – Symbiose für mehr Kundennähe

Eigentlich kann der Chief Marketing Officer (CMO) nicht mehr ohne den Chief Information Officer (CIO), denn IT-Lösungen werden für das Marketing immer bedeutsamer. Aber häufig findet der CMO die IT-Abteilung zu langsam – Stichwort "Time to Market" – und auf der anderen Seite fürchtet der CIO um die Sicherheit der eigenen IT-Infratstruktur. Nicht zu unrecht, denn das Thema Datenschutz ist in den Medien immer für einen Aufreger gut. Daher wird es Zeit, dass CIO und CMO aufeinander zugehen und eine Sprache finden, wie Thomas Spreitzer, Leiter Marketing, T-Systems International im Interview betont.

Auf der DMEXCO wurde viel über Digitalisierung des Marketing gesprochen. Herr Spreitzer, als Marketing Leiter eines großen ICT Providers, ist das eigentlich ein Marketing- oder IT Thema?

Beides. Neue Kundengruppen zu erschließen, Kunden stärker zu binden oder deren Bedürfnisse besser zu verstehen – keine dieser Kernaufgaben des Marketing ist ohne IT möglich. Im Gegenteil: Durch die Digitalisierung (Internet of things, Social Media etc.) entstehen neue Möglichkeiten um mehr Kundennähe oder wie wir es nennen Zero Distance to the customer zu erreichen. Lassen Sie mich zwei Beispiele geben. Tesco hat in Südkorea den Shop zum Kunden gebracht, nämlich in Form von Plakaten im Regaldesign, wo die Kundenüber QR Codes bestellen und die Bestellung nach Hause geliefert bekommen. Das Ergebnis: Innerhalb von Monaten erreichte Tesco die Online Marktführerschaft und steigerte den Onlineverkauf um 130 Prozent. Zweites Beispiel: Wir arbeiten mit Rimowa und Airbus am vernetzten Koffer. Sie checken über ihr Smartphone nicht nur sich ein, sondern auch den Koffer, der über eine SIM Card den Barcode erhält und diesen auf einem kleinen Display anzeigt. Das Ergebnis: Keine Wartezeiten mehr am Schalter und zusätzlich geht der Koffer seltener verloren, da er rot blinkt, wenn er in das falsche Flugzeug eingeladen wird. Das würde Kundenzufriedenheit und –bindung massiv erhöhen.

IT ist dabei der entscheidende Enabler. Ohne Technologien wie Machine-to-Machine, Cloud und Smartphones, sowie Social Media wäre das alles gar nicht möglich. Und diese Entwicklung sehen wir – mit unterschiedlichem Reifegrad – in allen Branchen und egal ob Business-to-Business oder Business-to-Consumer.

Business-to-Consumer ist nachvollziehbar, aber wie meinen Sie das im Bezug auf Business-to-Business?

Es geht darum einen Schritt weiter zu denken als bisher. Auch B2B-Unternehmen müssen vom Endkunden her denken. Es ist doch so: Viele Unternehmen mit starken Händlerstrukturen, wie die Automobilbranche oder Versicherungsbranche haben nur bedingt direkten Zugang zum Endkunden oder es ist für sie mindestens schwer in Erfahrung zu bringen, wie das Produkt wirklich genutzt wird. Das eigentliche Kundenwissen liegt bei den Händlern. Durch vernetzte Autos, die quasi in Real-Time mit dem Hersteller kommunizieren werden nicht nur neue Services möglich, sondern wertvolle Insights gewonnen, was der Kunde wirklich nutzt. Dasselbe gilt für den Ski-Hersteller Rossignol, der mit einer App bestimmte Produkte vernetzt und über deren Nutzung wertvolle Customer Insights gewinnt. Dafür brauchen Sie aber Informationstechnologie.

Der ehemalige Marketing-Leiter der OTTO Gruppe sagte uns, die interne IT sei zu langsam, seine Strategie dazu sei es, alles auszulagern. Wie stehen Sie dazu?

Ich kann das verstehen, glaube aber, dass das komplette Auslagern falsch ist und ich sage das als Marketingleiter einer Unternehmung, die Outsourcing verkauft. Der richtige Mix ist meist erfolgsversprechend. Mein Ziel ist es eher mehr Mitarbeiter einzustellen, die Marketing ganzheitlicher, integrierter denken können und vor allem unsere Kunden und unser Portfolio wirklich verstehen. Denn nur so kann effektiv der Marketingmix gebildet werden. Das wirkliche IT-Know-how würde ich immer von externen Spezialisten beziehen.

Wenn CIO und CMO, und damit ihre Organisationen aufeinander zugehen, wo liegen die Fallstricke?

Eines der größten Probleme ist wie immer die Kommunikation. Das beginnt bei völlig unterschiedlichen Sprachen und Denkweisen und endet mit den konträren Zielen, wie schnell versus sicher, flexibel versus zentral und voll integriert. Deswegen ist das gegenseitige Verständnis das A und O. Das geht auf Dauer auch nur, wenn die IT beginnt marketingaffine Menschen einzustellen und vice versa eben IT Service Provider und Agenturen nutzen. Viele der Marketingbereiche unterschätzen dabei auch die Risiken im Umgang mit IT. Von Datenschutz und –sicherheit angefangen über Ausfallsicherheit von Systemen bis hin zu explodierenden Nachfolgekosten aufgrund mangelnder Planung und Integration sind dort viele Dinge zu beachten.

Wenn Gartner davon spricht dass das IT Budget zum CMO wandert, dann wird das gegenseitige Verständnis schnell aufhören, oder?

Ich glaube nicht daran, dass das Budget in der Größenordnung verlagert wird. Ich halte die CMO-gegen-CIO-Diskussion eben für falsch. Fakt ist, bei allen neuen Möglichkeiten die ein CMO hat IT aus der Cloud oder von iTunes zu beziehen – den Job des CIO’s kann er deswegen noch lange nicht übernehmen. Entscheidend wird sein, dass zwischen beiden ein enger Dialog stattfindet, wie man schneller und besser wird, ohne dass man sich achtlos in Sicherheitsrisiken oder Kostenfallen begibt. Wenn der CIO progressiv denkt und der CMO die Chancen und Risiken von IT versteht, dann können sie vielleicht eine perfekte Symbiose eingehen.

Mit welchen Projekten sollte die „junge Liebe“ zwischen IT und Marketing starten?

Das ist in der Tat abhängig von Branche und Unternehmen, aber aus meiner Sicht eignen sich vor allem Lösungen an der Kundenschnittstelle. Zum Beispiel Servicemitarbeiter mit mehr Zugang zu zentralen Systemen ausstatten, damit sie beim Kunden deutlich schneller und handlungsfähiger werden. Oder Big-Data-Projekte in Verbindung mit Social Media und Online Lead Generation Ansätzen. Insbesondere Cloud Lösungen haben den Charme, dass sie ohne große Anfangsinvestitionen getestet werden können und man sich so dem Thema mit überschaubaren Investments im Trial & Error Verfahren nähern kann.

Wie sieht der Ideal-CMO 2014 aus?

Er versteht die Kundenbedürfnisse, seine eigenen Produkte und die neuen Möglichkeiten und Risiken die durch die Digitalisierung entstehen. Er sucht den Dialog mit Kunden, aber auch Branchenfremden, IT Consultants und Agenturen und sieht sowohl Positionierung, Unternehmens- und Produktentwicklung als auch Lead Generation als seine Kernaufgaben.

Vita Thomas Spreitzer, Leiter Marketing, T-Systems International GmbH:
Nach seinem Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre an der FH Augsburg und der Università di Modena (Italien) startete Thomas Spreitzer, Jahrgang 1974, seine Karriere als Produktmanager bei Siemens-Nixdorf in Augsburg. 1999 wechselte er in den internationalen Vertrieb zum debis Systemhaus (Systems Integration Sparte) und war für das Business Development der Länder Italien und Spanien zuständig. Seit der Gründung von T-Systems war er in unterschiedlichen Managementfunktionen tätig, unter anderem leitete er die Business-Development-Bereiche für die Industry Line Manufacturing Industry (2001 bis 2002) und Services & Finance (2002 bis 2003), um 2004 ins Marketing zu wechseln. Dort verantwortete er den Bereich Marketing Communications, bevor er im Januar 2009 die neugeschaffene Rolle des Leiters Marketing übernahm.

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