Chefdirigent Mark Mast: Was Manager von Musikern lernen können

Klassische Musik und Unternehmensführung – das sind doch getrennte Welten? Irrtum, findet der Münchner Chefdirigent Mark Mast. Er sagt, wo die Parallelen liegen, und bringt nebenbei einen Saal mit 400 Einzelhändlern zum Singen.
„Meine Partitur hat ein Mozart geschrieben. Nach welcher dirigieren Sie?“ fragt der Chefdirigent der Bayerischen Philharmonie, Mark Mast, seine Zuhörer auf dem Rid-Kongress. (© Rid Stiftung / Jan Schmiedel)

Für Mark Mast liegen die Parallelen auf der Hand: Das Orchester ist die Belegschaft, Musik das Produkt, und der Komponist? Ein Unternehmensgründer mit einer Vision. „Meine Partitur hat ein Mozart geschrieben. Nach welcher dirigieren Sie?“ fragte der Chefdirigent der Bayerischen Philharmonie seine Zuhörer auf dem Münchner Rid-Kongress, der sich vergangene Woche mit der Zukunft des Handels beschäftigte. Unter dem Titel „Sinfonie der Kompetenzen“ zeigte Mast, dass Unternehmen durchaus etwas von Orchestern lernen können. Zu seinem ungewöhnlichen Vortrag hatte er seinen Taktstock, eine Pianistin und eine gute Portion Humor mitgebracht. Am Ende brachte er damit sogar 400 gestandene Einzelhändler zum Singen.

Mast stammt aus dem Schwarzwald und hätte nach dem Wunsch seines Vaters das familieneigene Sägewerk übernehmen sollen. Es kam anders – und doch scheint dem Musiker das Unternehmertum im Blut zu liegen. Schließlich ist er seit 25 Jahren nicht nur Dirigent, sondern auch Intendant der Philharmonie und damit ihr Manager, zuständig für fünf Orchester und vier Chöre. „Ich lebe diese Doppelrolle täglich und löse viele Management-Herausforderungen mit musikalischen Prinzipen“, verriet Mast.

Innovation entsteht durch „kluge Kombination von Menschen und ihren Ideen“

Sein Credo lautete: „Wenn sich zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, stimmig begegnen, kann etwas Neues entstehen.“ In der Musik formen einzelne Töne eine neue Melodie, im Business entsteht Innovation durch die kluge Kombination von Menschen und ihren Ideen. Dabei brauchen beide einen klaren Aufbau, damit sie ihren Auftrag erfüllen können: Ohne strenge Sitzordnung von Streichern, Bläsern und Sonderinstrumenten würde das Orchester einen Klangbrei produzieren, ohne Gliederung in Abteilungen mit bestimmten Aufgaben würde in der Firma Chaos herrschen. „Das nennt man dann Jazz“, scherzte Mast.

Die Partitur verglich er mit einem Unternehmensleitbild. So, wie ein Dirigent sie im Sinne des Komponisten zu interpretieren habe, so müsse der Manager die Wünsche und Werte der Eigentümer verstehen. Und so, wie ein Orchester jeden Abend vor Publikum spiele, als sei es das erste Mal, so müssten die Mitarbeiter im Unternehmen jeden Tag das Geschäft für den Kunden neu erfinden. „Dann entsteht ein Mehrwert, den nur der Mensch dem Menschen geben kann“, befand Mast. „Am Ende ist alles Emotion.“ Wie in der Musik.

Dirigenten und Chefs „hören zu und zeigen die Richtung“

Die Frage, die ihm Zuhörer am häufigsten stellten, sei: Was mache eigentlich der Dirigent? Könne das Orchester nicht ebenso gut ohne ihn spielen? Ähnliche Fragen müssten sich Führungskräfte häufig gefallen lassen. Masts Antwort, in beiden Fällen: „Er hört zu und zeigt die Richtung.“ Erfolgsvoraussetzungen sind Ruhe und Selbstbeherrschung. Ein wildes Herumrudern sei „kein Zeichen von einer besonderen Fähigkeit als Dirigent“ – und wohl auch nicht als Führungskraft. Schließlich geht es in der Musik wie auch im Unternehmen beständig darum, Ergebnisse zu optimieren, durch geduldiges Proben und Probieren, durch immer neue Folgen von Versuch und Irrtum. „Das Falsche auszuschließen, um das Richtige zu finden“, so formulierte es Mast.

Der praktische Beweis folgte, indem der Dirigent aus den versammelten Händlern einen Chor formte und sie eine musikalische Interpretation des Eichendorff-Gedichts Wünschelrute einüben ließ. „Schläft ein Lied in allen Dingen…“, am Ende schmetterte der Saal die Strophen sogar vierstimmig. Und Mast bemerkte: „Es hilft schon, wenn man einen Dirigent hat, gell?“

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(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.