Charlie Hebdo, Lügenpresse und ein Streit um Schulbildung

Auch der Terroranschlag auf ihre Redaktion hält die Macher von "Charlie Hebdo" nicht ab: Die erste Ausgabe danach ziert eine Karikatur des Propheten. Die Auflage steigt auf fünf Millionen. Das Wort "Lügenpresse" schafft es zum "Unwort des Jahres 2014" und ein Tweet entfacht eine Bildungsdebatte.
Charlie Hebdo, Pegida-Demo, eine neue Tiffany-Werbung mit zwei Männern und eine Schülerin, die mit nur einem Tweet deutschlandweit bekannt wird. (© dpa 2015, Screenshot twitter, Tiffany & Co. 2015)

Das Zeichen der Woche: Charlie Hebdo macht weiter

Knapp eine Woche nach dem grausamen Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ setzt eben diese ein Zeichen und meldet sich zurück. Wer dachte, dass sich die Karikaturisten einschüchtern oder selbst zensieren würden, irrte. Die erste Ausgabe nach dem Attentat ziert wieder eine Mohammed-Karikatur. Der Prophet hält ein Schild mit „Je suis Charlie“ in die Höhe, darüber steht zu lesen: „Tout est pardonné“ (deutsch: Alles ist vergeben).

Auf 16 Seiten beweist die Redaktion, dass was von den hunderttausenden Demonstranten weltweit gefordet wurde: Pressefreiheit lässt sich nicht ermorden. Erscheint die Zeitschrift normalerweise mit einer Auflage von 60.000, ist die Ausgabe nach den Terroranschlägen 3 Millionen Ausgaben stark. Übersetzt in 16 Sprachen und mit der  Unterstützung von französischen Medien soll dieses Zeichen nicht nur in Frankreich gesehen werden. Nachdem in Frankreich an vielen Verkaufsstellen die Magazine schon nach wenigen Minuten ausverkauft waren, soll die Auflage nun auf 5 Millionen erhöht werden, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Auch in der Türkei werden einzelne Seiten von „Charlie Hebdo“ in der Tageszeitung „Cumhuriyet“ abgedruckt. Wie es dort gelegentlich mit der Zensur gehalten wird, ist seit Erdogans angeordneter Twittersperre bekannt. So auch jetzt: Ein Gericht ordnete eine Sperre von Internetseiten an, die die Karikatur veröffentlicht haben. Auch die Redaktion der „Cumhuriyet“ hatte mit Einschränkungen zu kämpfen, wie „Meedia“ berichtet.

Von dem Erfolg des Magazins und besonders der Solidaritätsbekundung „Je suis Charlie“, fühlt sich auch manch ein findiger Geschäftsmann angezogen: Mehr als 50 Anträge auf das Markenrecht wurden dafür eingereicht, wie das „Manager Magazin“ vermeldet. Statt Eiffelturm-Miniatur bald „Je suis Charlie“-Aschenbecher als Paris-Souvenir? Kein Wunder, dass da manch einer nur noch mit dem Kopf schütteln kann. Wer mit seinem Geld lieber die Redaktion  unterstützen will, kann die aktuelle Ausgabe von „Charlie Hebdo“ übrigens ab Samstag auch in Deutschland bekommen. „Handelsblatt Online“ hat sich die französische Ausgabe schon angesehen.

Das (Un)Wort der Woche (des Jahres): Lügenpresse!

Wer bei den Pegida-Demonstrationen von Dresden bis Berlin, genau hinhört, der wird immer mal wieder eine Ausruf zu hören bekommen: Lügenpresse halt die Fresse! Klangvoll gereimt und dennoch nicht harmlos, wie jetzt auch die Jury des „Unwort des Jahres“ feststellte. Denn das Wort Lügenpresse hat eine wenig glanzvolle Karriere hinter sich: Im Ersten Weltkrieg und dann unter Propagandaminister Joseph Goebbels im Dritten Reich verwendet, erlebt es jetzt seine aufmerksamkeitsstarke Wiedergeburt. Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) wählte es nun zum „Unwort des Jahres 2014“. Doch abschrecken lassen sich die Wortbenutzer davon nicht, wie „Handelsblatt Online“ in einer Zusammenstellung der „schönsten“ Nutzerkommentare zeigt. Doch die Frequenz seiner Verwendung scheint nahezulegen, dass das Vertrauen in die Medien zurückgegangen ist. Zeit zu reden, findet auch „Handelsblatt Online“ und ruft auf Facebook zum konstruktiven Dialog auf. Vielleicht geht es ja auch ohne Diffamierung.

Die Kampagne der Woche: Tiffany auf neuen Wegen

Spätestens seitdem Holly Golightly im Film „Frühstück bei Tiffany´s“ ihren Capuccino verträumt vor der New Yorker Auslage des Edeljuweliers schlürfte, hat die Marke Kultstatus. Zahlreiche Filme folgten, in denen Liebhaber ihren Angebeteten einen Antrag in den Räumen der Marke auf Knien unterbreiteten. Wer es also richtig romantisch mag und dazu noch auf Marken setzt, der sucht sich seinen Verlobungsring bei Tiffany & Co.. Doch geheiratet wird eben nicht mehr nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Mann und Mann und Frau und Frau. Tiffany & Co. geht jetzt mit dieser Entwicklung und veröffentlicht zum ersten Mal auch eine Werbeanzeige mit einem gleichgeschlechtlichen Paar mit der Zeile „Will you?“ (Deutsch: Wirst du?), wie „Handelsblatt Online“ berichtet. Im 21. Jahrhundert findet Holly Golightly eben manchmal auch eine Paula Varjak.

Der Tweet der Woche: Bildungsnotstand?

Via Twitter beschwerte sich diese Woche eine 18-Jährige Schülerin: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen“. Der Tweet wurde sooft geteilt und bei zahlreichen Medien veröffentlicht, dass er tatsächlich eine Debatte auslöste, ob der Lehrplan noch zeitgemäß sei. Warum der Tweet das schaffte, hat „Meedia“ analysiert.

"Charlie Hebdo" auf Facebook

„Charlie Hebdo“ auf Facebook

Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart wendete sich in seinem „Morning Briefing“ direkt an die Verfasserin: „Steueroptimierer und Versicherungsvertreter treten noch früh genug in Dein Leben. Sei froh, dass Deine Lehrer sie Dir vom Leib halten. Erich Kästner, Kurt Tucholsky und Sarah Kirsch, um einige zu nennen, haben Dir mit ihrer Dichtung wahrscheinlich mehr zu bieten. Sie bereichern durch Klang und Klugheit, ohne dass Du dafür Steuern zahlen musst. In ihren Gedankengebäuden lässt sich sogar mietfrei wohnen. Leben ist nur ein anderes Wort für unfertig sein. So gesehen, liebe Naina, bist Du bereits mittendrin.“