Rechtsfallen im Influencer-Marketing

Nicht alles, was ein Influencer postet, ist kennzeichnungspflichtig. Nicht alles, was ein Mitarbeiter postet, ist freie Meinungsäußerung. Je professioneller Influencer-Marketing wird, umso komplizierter wird die Rechtslage. Medienanwalt Stefan Schicker klärt auf.
Prominente Influencerinnen: Cathy Hummels, Verona Pooth und Daniela Katzenberger (von links) bei der Eröffnung eines Kinder Frozen Pop-up-Stores in Hamburg (© Imago)

Herr Schicker, die Klage gegen Cathy Hummels wegen Schleichwerbung wurde mit dem Hinweis abgewiesen, dass ihre Instagram-Follower ja wüssten, dass sie regelmäßig Werbung macht. Wie beurteilen Sie das Ergebnis?
Stefan Schicker: Das ist so nicht ganz richtig. Die Klage gegen Cathy Hummels scheiterte, weil Frau Hummels eben keine Gegenleistung erhalten hat, und „Werbung“ als eine Äußerung „gegen Entgelt“ definiert ist. Aus demselben Grund ist auch das. Taggen (Markieren, Anm. d. Red.) von Unternehmen ohne finanzielle Gegenleistung eben keine Form kommerzieller Kommunikation.

Der Instagram-Account von Cathy Hummels ist auf den ersten Blick als kommerziell zu erkennen, sagt das Landgericht München.

Wie argumentiert das Gericht?
Das Gericht führt sehr deutlich aus, dass der User den Account von Frau Hummels „von außen“ als kommerziellen Account erkennen kann. Er ist mit einem blauen Hacken versehen, als ein Account von „öffentlichem Interesse“. Die Followerzahl mit knapp einer halben Million liegt weit jenseits eines privaten Accounts und indiziert ebenfalls einen geschäftlichen Zweck. Und weil die Zielgruppe nicht Kinder und Jugendliche sind, gibt es da auch keinen besonderen Schutzbedarf. Die Meinungsfreiheit und das Gebot der Gleichbehandlung mit traditionellen Medien erfordern, dass Postings in digitalen Medien nicht anders behandelt werden als in konventionellen Medien wie etwa Frauenzeitschriften, in denen in ähnlicher Weise Produktempfehlungen abgegeben werden.

Und die Argumentation überzeugt Sie?
Die Argumentation des Gerichts ist an und für sich logisch. Insbesondere verfängt das letztere Argument der Gleichbehandlung mit traditionellen Medien, da auch hier eine Kennzeichnung als Anzeige nur erfolgen muss, wenn die entsprechende Stellungnahme von dem Unternehmen beauftragt und bezahlt wurde. In diesem Sinne trägt das Hummels-Urteil zur Gleichbehandlung neuer Medien mit den traditionellen Medien bei. Hinzu kommt, dass im Falle von Frau Hummels‘ Profil jedem noch so uninformierten Verbraucher direkt klar sein dürfte, dass hier kommerzielle Zwecke dahinterstehen – und zwar bereits bei einem ersten Blick auf die Kurzbiografie, in der unter anderem auf Frau Hummels‘ eigenes Yoga-Buch und ihr kommerziell vertriebenes Yoga-Programm verwiesen wird. Also: Ja, es ist kommerzielle Kommunikation und das wird aus der Art des Accounts auch nach außen deutlich und Nein, es ist keine Werbung und muss nicht extra gekennzeichnet werden.

Stefan Schicker ist Rechtsanwalt bei der SKW Schwarz in München und baut derzeit für die Kanzlei den Bereich Legal Tech auf. © SKW Schwarz

Wird damit Instagram in den Status der „Dauerwerbesendung“ erhoben und die individuelle Kennzeichnungspflicht erlischt?
Nein, keinesfalls. Dieses Urteil bezieht sich erstens lediglich auf Postings, denen eben gerade keine finanzielle oder sonstige Gegenleistung eines Unternehmens zugrunde liegen und zweitens auch nur auf den speziellen Fall der Cathy Hummels. Das Gericht stellt deutlich fest, dass es in seinem Urteil keine allgemeingültigen Aussagen für alle Influencer oder Blogger treffen möchte, die auf jeden anderen Fall übertragen werden können. Das Gericht hat ausschließlich im Hinblick auf Paragraf 5a VI UWG etwas „Neues“ entschieden – nämlich, dass die Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks aus einer Gesamtschau aller begleitenden Umstände ermittelt werden muss. Die übrigen Vorschriften, die der Bewerbung von Produkten auf Instagram entgegentreten, bleiben hiervon unberührt. Bezahlte Werbung auf Instagram muss daher weiterhin als solche kenntlich gemacht werden.

Wenn ich den Influencer auf meiner eigenen Website als Marke einsetze, muss ich dann separat kennzeichnen? Da ist doch alles Werbung.
Auf der Website ist von vorne herein klar, dass es sich um einen werblichen Auftritt einer Firma handelt. Daher ist hier eine gesonderte Kennzeichnung nicht notwendig.

Wer ist eigentlich aus Sicht der Gerichte ein Influencer?
Der Begriff „Influencer“ bedurfte bislang keiner Definition und das ist an sich auch irrelevant, da ihm keinerlei rechtliche Bedeutung beizumessen ist. Das Berliner Kammergericht stellte zu Beginn dieses Jahres hierzu passenderweise fest: „Es gibt jedoch keinen Grund, jede … Äußerung einer Person, die sich als ‚Influencer‘ bezeichnet oder bezeichnen lässt oder anstrebt, sich als ‚Influencer‘ bezeichnen zu können oder bezeichnen zu lassen, ohne Ansehung des konkreten Inhalts und der besonderen Umstände als Werbung mit einhergehender Kennzeichnungspflicht anzusehen.“ Also: Egal, ob einer von sich behauptet, er sei ein Influencer oder eben nicht, bleibt die Kennzeichnungspflicht davon unberührt. Sie hängt von der möglichen Gegenleistung ab.

Sind meine Mitarbeiter Influencer, wenn sie eigene Social-Media-Konten führen und besteht dort eine Kennzeichnungspflicht?
Hier besteht in jedem Falle eine Kennzeichnungspflicht, wenn es sich bei den Beiträgen um eine Werbung gegen Gegenleistung handelt. Wenn es sich lediglich um „kommerzielle Kommunikation“ handelt, dann muss aus dem Profil deutlich werden, dass hinter den Postings ein kommerzieller Zweck steht. Wie genau das zu bewerkstelligen ist, also ob ein blauer Haken, eine nicht unerhebliche Followerzahl oder gar der Hinweis „Dies ist ein kommerziell betriebener Account“ in der Biografie-Sektion genügt, ist stets in einer Einzelfallabwägung zu entscheiden.

Ein weiteres aktuelles Thema sind gefälschte Reichweiten bei Influencern. Gibt es eine rechtliche Handhabe gegen „eingekaufte“ Fans?
Bislang ist noch kein prominenter Fall bekannt geworden, der es zu Gericht geschafft hätte. Eine mögliche Handhabe wäre aber Paragraf 5 I 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), demzufolge eine geschäftliche Handlung irreführend ist, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Dienstleistung enthält. Kurz gefasst: Ein Influencer, der dank Tausender eingekaufter Follower einen Werbevertrag abschließt, täuscht den Werbetreibenden durch seine hohen Followerzahlen über seine Eignung als Werbepartner und handelt somit unlauter – denn hinter gekauften Followern stehen eben keine echten, potentiellen Kunden des werbenden Unternehmens. Entsprechend könnte man auch über strafrechtliche Konsequenzen (zum Beispiel Betrug oder Täuschung) nachdenken. Der entsprechende Vertrag wäre dann natürlich auch anfechtbar. Was in jedem Falle ratsam ist, sind entsprechende Vertragsklauseln, die bestimmte Gestaltungsrechte wie den Rücktritt oder Vertragsstrafen für den Fall androhen, dass der jeweilige Influencer in großem Stil Reichweite kauft.