Bundeswehr-Marketing: „Das war für uns ein großes Experiment“

Wir haben die Vertreterinnen und Vertreter der Gewinner des Marken-Award 2020 zum Gespräch gebeten. Heute: Dirk von Holleben, Beauftragter für die Kommunikation der Arbeitgebermarke Bundeswehr, spricht über die Entstehung und das Konzept der Content-Plattform Bundeswehr Exclusive.
Dirk von Holleben: "Wir haben es geschafft, die Bundeswehr zum Pausengespräch auf vielen Schulhöfen zu machen." (© Bundeswehr)

Ehrlich gesagt, Herr von Holleben, ein solches Projekt hätte der Bundeswehr kaum jemand zugetraut. Wie kam es zur Idee, Reality-Dokus für YouTube und andere soziale Medien zu produzieren?

DIRK VON HOLLEBEN: Wir suchten vor fünf Jahren eine neue Rahmenagentur für die Arbeitgeberkommunikation. Bei der europaweiten Ausschreibung lautete die Aufgabe, eine Kampagne zu entwickeln, die für Jobs bei der Bundeswehr wirbt. Wir haben uns für die Düsseldorfer Agentur Castenow entschieden, die keine klassische Kampagne eingereicht hat, sondern das Konzept für eine eigene Serie über die ersten Schritte in der Bundeswehr. So entstand 2016 die Serie „Die Rekruten“, bei der zwölf Rekruten zwölf Wochen lang täglich mit der Kamera begleitet wurden.

Ungewohntes Terrain für die Bundeswehr.

Natürlich, das war für uns ein großes Experiment. Der Erfolg hat uns dann auch sehr überrascht. Wir hatten plötzlich den am schnellsten wachsenden YouTube-Kanal mit 200.000 neuen Abonnenten in zwei Wochen. Zudem gab es viel Berichterstattung in den Medien. Der Erfolg hat uns ermutigt, in einer zweiten Serie zu zeigen, wie sich für Soldatinnen und Soldaten ein Auslandseinsatz in Mali gestaltet. Diese und die weiteren Serien sind seitdem auf der Plattform Bundeswehr Exclusive zu sehen.

Wie stark öffnet sich die Bundeswehr in den Videos, wo liegen die Grenzen?

Natürlich muss die militärische Sicherheit jederzeit gewährleistet sein. So dürfen wir etwa bestimmte Anlagen und Waffensysteme nicht öffentlich zeigen. Inhaltlich geht es aber ohnehin um die Menschen in der Bundeswehr, um die Art und Weise, wie sie ihren Job machen, mit allen Höhen und Tiefen, und das möglichst nah und authentisch. Einer der zwölf Rekruten aus der ersten Serie hat die Grundausbildung abgebrochen, was zunächst zu Diskussionen führte, ob man das zeigen soll. Aber auch das gehört eben dazu. Wir stellen die Situationen so dar, wie sie wirklich sind.

Welche Zielgruppen erreichen Sie mit Bundeswehr Exclusive?

Wir haben es geschafft, die Bundeswehr zum Pausengespräch auf vielen Schulhöfen zu machen. Junge Menschen interessieren sich für den Alltag in der Armee, der vielleicht anders ist, als sie sich das vorstellen. „Die Rekruten“ haben sich auch viele ehemalige Soldatinnen und Soldaten angesehen, die erleben sollten, wie sich die Grundausbildung seit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht verändert hat.

Welche Themen und Inhalte interessieren die Zuschauer besonders?

Zum einen Basiswissen rund um die Bundeswehr, vor allem für Einsteiger und Bewerber. Wie sind die ersten Tage auf der Stube? Wie laufen die Sporttests ab? Wie die Waffenausbildung? Zum anderen „Wow-Momente“, wenn wir Einblicke etwa in Auslandseinsätze geben, die man in dieser Form noch nicht sehen konnte.

Nach welchen Kriterien bewerten Sie den Erfolg der Serie?

Wir machen in erster Linie Arbeitgeberkommunikation. Daher geht es um die Aktivierung von neuen Bewerberinnen und Bewerbern. Wir wollen nicht die Masse erreichen, sondern die richtigen Menschen, die zu uns passen. Und es funktioniert: Im Quartal nach dem Start der „Rekruten“ beispielsweise lag die Zahl der Bewerbungen um 20 Prozent höher als im Vorjahresquartal. Es lässt sich nicht genau beziffern, wie groß der Effekt der Videos ist. Aber er dürfte ziemlich groß sein.

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.