E-Commerce: Baumärkte überlassen Amazon beim Bohren, Hämmern und Mörteln das Zepter

Baumärkte wie Obi, Hagebau und Co. haben sich mit der Digitalisierung lange Zeit gelassen. Aber nun nimmt das Mammutprojekt Gestalt an – höchste Zeit, wenn man dem Riesen Amazon das Geschäft nicht überlassen will.
Geht der Kund doch noch lieber in den Baumarkt oder kauft Online? Baumärkte haben zumindest ein E-Commerce-Problem

Amazon-Hegemonie verhindern

Aber werden die – zweifellos schlagkräftigen – Vorteile der Omnichannel-Struktur reichen, um eine Amazon-Hegemonie zu verhindern? Die Baumärkte werden noch einige grundsätzlich strategische Fragen beantworten müssen. Die erste: Geht man in die Preiskämpfe hinein, die das Internet unweigerlich mit sich bringt? Beim Thema Dynamic Pricing gebe es noch viel Nachholbedarf bei den Baumärkten, mahnte 2016 das Beratungsunternehmen A. T. Kearney an. Amazon ändere fast pausenlos seine Preise, während sie bei den Fachhändlern so gut wie unverändert blieben.  Doch davon wollen die Baumarktketten nichts wissen. Sie dürften beim Unterbieten nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Kürzeren ziehen. Auch das Konzept, stationäres und Onlinegeschäft als Einheit zu vermitteln, könnte damit wackeln.

Mit welchen Argumenten positioniert sich der Fachhandel gegen Amazon und natürlich auch alle anderen Konkurrenten? Na klar: Beratung, Beratung, Beratung. „Die Stärke der klassischen Baumärkte liegt darin, dem Kunden nicht ein Produkt, sondern ein ganzes Projekt zu verkaufen, ihn überhaupt dazu zu bringen, ein bestimmtes Projekt anzugehen“, sagt IFH-Expertin Stüber. „Daher sind die Baumärkte
gut beraten, dies auch im Netz auszuspielen.“
Das tun sie auch: Content-Marketing wird großgeschrieben. Die Websites der Anbieter haben sich zu regelrechten Nachschlagewerken für alle Aufgaben rund um Haus und Garten entwickelt. Bei Hornbach kann man in zahlreichen Videos lernen, wie man Holzzäune baut, eine Markise an der Wand montiert oder eine Holz-Stein-Terrasse anlegt. Alle Anbieter liefern sehr tiefgehende Informationen über die Produkte und stellen sie in einen Projektzusammenhang. Und wer wissen will, wie es andere gemacht haben, kann sich in den Facebook-Communitys der großen Marken mit anderen Heimwerkern austauschen.

Die Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, dürften das bisherige Geschäftsmodell der Baumarkt-Branche ganz grundsätzlich verändern. Da wundert es nicht, dass Marktführer Obi vor einigen Monaten mit „Obi Next“ sogar eine eigene Unternehmenseinheit gegründet hat, die den Change-Prozess vorantreiben soll. Sie soll dafür sorgen, dass sich Obi zum führenden Cross-Channel-Kanal für Heimwerker entwickelt. Geplant sind völlig neuartige kundenorientierte Angebote, die zunächst in Österreich getestet werden.

Neue Impulse – auch über das Onlinegeschäft hinaus – sind dringend notwendig, immerhin steht die gesamte Branche unter Druck. Nicht nur die Pleiten von Max Bahr und Praktiker 2014 haben gezeigt, dass das Geschäft nicht leichter wird. Laut Stüber werden in Zukunft viele Filialen ihren Charakter verändern müssen: „Sie können Showrooms werden oder Pick-up-Points. Interessant können auch kleine, innerstädtische Konzepte – vielleicht auch mit mobilem Charakter – sein, für Kunden, die nicht gerne den weiten Weg auf die grüne Wiese auf sich nehmen.“

Dies ist eine gekürzte Fassung. Den ganzen Artikel können Sie in der aktuellen absatzwirtschaft 11/2017 lesen

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.