Bleibt Thyssenkrupp dem Stahl doch treu?

„Thyssenkrupp kauft Atlas“, „Thyssenkrupp plant Stellenabbau“ – der Essener Konzern erregt in letzter Zeit mit deutlichen Schlagzeilen viel Aufmerksamkeit. Doch was steckt tatsächlich dahinter und wo soll es für den einstigen Stahlkonzern hingehen?

Wohin die Reise gehen soll, weiß der Konzern genau: „Thyssenkrupp befindet sich im größten Umbau seiner Konzerngeschichte und das Ziel der so genannten Strategischen Weiterentwicklung ist der starke Industriekonzern“, bringt es Robin Zimmermann, Head of External Communications, auf den Punkt. Das klingt gut, doch warum sollen dann in der Sparte Großanlagenbau Stellen gestrichen werden? Ist das Teil des Zukunftsplanes? Scheinbar ja, denn um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, hat die Stahlsparte von Thyssenkrupp im vergangenen Jahr das Strategieprogramm „one steel“ auf den Weg gebracht. Ziel des Programms sei es, die Leistungsfähigkeit durch eine strategische Weiterentwicklung abzusichern und dauerhaft die Kapitalkosten zu erwirtschaften. Um das zu erreichen, seien neben Investitionen in zukunftsfähige Geschäfte und Anwendungen auch Kosteneinsparungen von Steel Europe notwendig – und zwar um rund 500 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren. Diese Kosteneinsparungen beinhalten wiederum auch die Streichung von Arbeitsplätzen: „In dem Konzept des Vorstands von Steel Europe geht es auch um eine sofortige Ergebnisverbesserung bei der Geschäftseinheit Grobblech (Business Unit Heavy Plate). Dies beinhaltet auch die Schließung von Teilanlagen. Wie viele Arbeitsplätze davon betroffen sein werden, ist derzeit noch offen“, sagt Zimmermann.

Weitere Investitionen ins Stahlgeschäft geplant

Neben den geplanten Kostensenkungsmaßnahmen will Thyssenkrupp Steel Europe aber weiterhin in die Modernisierung und Erneuerung der Anlagen sowie in Forschung und Entwicklung investieren. So seien innerhalb der nächsten fünf Jahre über acht Milliarden Euro an Ausgaben für die Zukunftsfähigkeit des Stahlgeschäfts geplant. Aber warum diese Investitionen, hörte man bisher doch immer, Thyssenkrupp wolle sich vom Stahl- zum Technologiekonzern wandeln. Das sei so pauschalisierend allerdings nicht ganz richtig: „Es geht nicht darum, sich vom Stahl abzuwenden. Es geht darum, den Anteil der Industriegüter- und Dienstleistungsgeschäfte weiter auszubauen, weil diese stabilere Erträge erwirtschaften und weniger anfällig für externe Faktoren wie im Wesentlichen Rohstoffpreise und konjunkturelle Zyklen sind“, erklärt Zimmermann. Auch gegenüber dem Handelsblatt betonte Vorstandschef Heinrich Hiesinger noch Ende Februar : „ (…) Außerdem werden wir auch bei einer Konsolidierung Miteigentümer von Stahl bleiben. Ein solches Unternehmen wird eine stabile Gesellschafterstruktur brauchen, daher bleiben wir dabei.“

Wachsendes Engagement im Bereich Technologie

Dass das Interesse am Bereich Technologie allerdings sein gewachsen muss, zeigt die Übernahme der Sonartechnik-Firma Atlas Elektronik, mit der Thyssenkrupp seine Sparte Sparte Marine Systems stärken will. Bislang hatte der Konzern nur eine 51-prozentige Beteiligung an Atlas Elektronik, 49-Prozent gehörten dem Rüstungskonzern Airbus, dessen Anteil jetzt Thyssenkrupp übernimmt. „Das globale Marktumfeld wird immer komplexer und die Anforderungen an integrierte Sicherheitskonzepte steigen. Darum entwickeln wir Thyssenkrupp Marine Systems mit der Übernahme von Atlas Elektronik von einem Plattformanbieter zu einem Systemanbieter weiter. Das verschafft uns strategische Vorteile im weltweiten Wettbewerb im Unter- und Überwassermarineschiffbau“, begründet Zimmermann die vollständige Übernahme. Die kürzlich bekanntgegebene Kooperation zwischen Thyssenkrupp Marine Systems, Atlas Elektronik und Kongsberg in Norwegen lege zudem den Grundstein für eine breitere Zusammenarbeit innerhalb Europas und aller NATO Staaten. „Sie liefert Lösungen für immer komplexere Kundenanforderungen und somit Sicherheitskonzepte der Zukunft“, so Zimmermann.

 

Drei Fragen an Robin Zimmermann, Head of External Communications

Was beinhaltet die Strategische Weiterentwicklung, dessen Ziel der starke Industriekonzern ist?

Insgesamt beinhaltet die Strategische Weiterentwicklung auch einen grundsätzlichen Anspruch, und zwar hohe und stabile Ergebnis-, Cash- und Wertbeiträge zu erwirtschaften. Wir diversifizieren unser Geschäft in mehrfacher Hinsicht: durch unsere Präsenz in zahlreichen Märkten weltweit, durch einen Kundenstamm in einer Bandbreite von Branchen mit verschiedenen Geschäftszyklen und durch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle unserer Business Areas. Die Diversifizierung ermöglicht uns, vielfältige Wachstumschancen wahrzunehmen und gleichzeitig die Stabilität unseres Geschäftes in einem volatilen Umfeld zu erhöhen. Um unsere Ertragsstärke deutlich zu verbessern, setzen wir zwei Hebel an: Zum einen steigern wir mit klar beschriebenen Maßnahmen konsequent die Ertragskraft in den Business Areas und wachsen profitabel; zum anderen nutzen wir mit übergreifenden Initiativen konsequent und systematisch die Verbundkraft des Konzerns. Dabei richten wir Thyssenkrupp zunehmend auf ertragsstarke Industrie­güter- und Dienstleistungsgeschäfte in weltweiten Wachstumsregionen und -branchen aus. Geschäftschancen erwachsen für Thyssenkrupp aus globalen Megatrends, die mehr und bessere Lösungen erfordern: Bedingt durch den demografischen Wandel, die Urbanisierung, das rasante Wachstum der Megastädte und die Globalisierung steigt weltweit die Nachfrage („Mehr“). Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die gebotenen Lösungen („Besser“): Ressourcen müssen effizient genutzt, Konsum- und Industriegüter umweltschonender produziert und eine nachhaltigere Infrastruktur aufgebaut werden; zudem verlangt eine zunehmend auch digital vernetzte Welt intelligente Produkte und Lösungen.

Bezüglich der Verbundkraft des Konzerns/ der übergreifenden Initiativen: Durch höhere Diversifizierung entsteht eine Risikostreuung, aber auch ein erhöhter Koordinationsbedarf für die Konzernstruktur, um beispielsweise einheitliche Standards für Qualität zu gewährleisten. Wie begegnet Thyssenkrupp dieser Herausforderung?

Thyssenkrupp arbeitet in einer Matrix-Struktur, bestehend aus Konzernzentrale, Geschäftsbereichen, Regionen und Service-Einheiten. Über unsere so genannten Regional Headquarter in Chicago, Sao Paulo, Istanbul, Peking, Neu Delhi und Singapur steuern wir gemeinsam mit den Geschäftsbereichen die Bearbeitung der Märkte. Dabei übernehmen die Regional Headquarter wichtige Steuerungsfunktion für den Konzern und übernehmen gleichzeitig für alle Geschäfte klassische Verwaltungsfunktionen, so dass sich die Geschäfte vor Ort auf Ihre Kunden fokussieren können (Beispiel Personalsuche/Recruiting, Marktforschung, Rechtsberatung, Public Affairs, Marketing, etc.).

Sie sagten: „Zum einen steigern wir mit klar beschriebenen Maßnahmen konsequent die Ertragskraft in den Business Areas“. Können Sie einige Maßnahmen konkret benennen?

Jeder Geschäftsbereich hat aus dem Wettbewerb abgeleitete spezifische Ziele, so muss Beispielsweise die Aufzugsparte die Marge auf 15 Prozent steigern; der Anlagenbau soll seinen Umsatz bei gleichbleibender Marge ausbauen, unser Automobilzuliefergeschäft soll die Marge steigern, etc. Hierzu gibt es in jedem Geschäftsbereich detaillierte Programme, um die Ziele zu erreichen – so beispielsweise Programme zur Senkung der Verwaltungskosten, zur Steigerung der Effizienz in der Produktion, etc. Ein konkretes Beispiel hierzu: Unser Automobilsparte ist in der Produktion seit Jahren auf Grund des harten Wettbewerbs sehr effizient aufgestellt. Zurzeit arbeiten wir daran, dieses Produktionssystem auf unser Aufzugfabriken weltweit zu übertragen, um effizienter in der Produktion zu werden.