Billiges Öl bereitet die Bühne für konventionelle Autos in Genf 2015

Genf ist Treffpunkt der Autogranden. Alles was Rang und Namen hat promeniert in Genf. Der Patriarch des VW-Konzern Ferdinand Piëch, der sein ganzes Leben in den Dienst gestellt hat, den weltgrößten Autobauer zu schaffen, ist genauso Dauergast in Genf wie Ratan Tata, der mit der Tat-Gruppe einen der wichtigsten Industriekonglomerate Indiens geformt hat. Der Genfer Autosalon repräsentiert die Autowelt.
Genf liefert einen Vorgeschmack auf das Autojahr 2015. Geprägt wird das Autojahr 2015 durch billigen Treibstoff und einen abgewerteten Euro (© Genfer Autosalon 2015)

Von Ferdinand Dudenhöffer

Ausgerechnet zum Beginn der neuen Ära des Autos, dem Aufbruch in die Welt des automatisierten Fahrens, fehlen die Newcomer in Genf, die wie keine andere Gruppe das Gesprächsthema der letzten Jahre geprägt haben: Die Software-Riesen Apple, Google, Alibaba & Co. Mit dem Roboterauto wird die wichtigste Neuausrichtung der Branche seit Gottfried Daimler und Carl Benz eingeleitet. Die Innovatoren aus Silicon Valley, die dabei sind vernetzte individuelle Mobilität und nicht nur das Fahrzeug in den Mittelpunkt zu stellen fehlen in Genf. Zwar zeigen alle Autobauer wie Daimler oder Volvo Wege und Techniken zum automatisierten Fahren, aber niemand hat das Auto so revolutionär angedacht wie Google. Bei den klassischen Autobauern stehen der Fahrer und das Lenkrad im Mittelpunkt. Daraus schöpfen die Marken der Premiumhersteller ihre Emotion. Bei Google und den anderen Software-Riesen stehen das vernetzte Fahren im Mittelpunkt und damit Sharing Economics und neue Dienstleistungen, mit denen etwa UBER die Taxifahrer der Welt in Aufruhr gebracht hat. Die Genfer-Botschaft lautet: Am Lac Leman trifft sich die konventionelle Autowelt. Inspiratives, das die Neuerfindung des Autos – besser gesagt der individuellen Mobilität antreibt – und den bekannten, alten Mustern und Strukturen neue Impulse verleihen könnte- fehlt. Das ist bedauerlich.

Konventionelle Neuheiten: Mehr PS, SUVs und ein paar Kleinwagen

In Genf ist konventionelles angesagt. Der neue Kompakt-SUV Renault Kadjar wird gelaunched, möglicherweise als Überraschung der Landrover Evoque als Cabriolet, das in Tarnbemalung schon von Erlkönig-Jägern fotografiert wurde: Ein SUV als Cabriolet. Mercedes präsentiert seinen Plug-In Hybrid für die C-Klasse und sein neues Flaggschiff Maybach Pullman, das für 500.000 Euro aufwärts Rolls-Royce und Bentley-Käufern eine Alternative bieten soll. Der schwächelnden Engländer Aston Martin enthüllt in Genf seinen 12 Zylinder und 750 PS-starken Vulkan von dem nur 30 Exemplare gebaut werden sollen. Audi zeigt die zweite Generation des Sportwagens R8. BMW stellt den 2er Grand Tourer vor, also einen Van mit sieben Sitzen, bei dem die Frage aufkommt, wie weit sich eine Marke dehnen läßt ohne ihr Profil zu verlieren. Natürlich darf ein neuer Ferrari in Genf nicht fehlen und so präsentiert die Marke aus Maranello den 488 GTD mit 660 PS und einer Beschleunigung von 3 Sekunden von Null auf 100 km/h. Ford zeigt den Fokus RS mit 315 PS. McLaren stellt mit dem Modell P1 GTR einen 986 PS-starken Hybridsportwagen vor. Die einzige Frage, die sich noch stellt: Wieso hat man keine weiteren 14 PS gefunden. Immerhin kommt mit dem Karl von Opel auch ein neuer Kleinstwagen auf das Messegelände. Der neue Skoda Superb wird in Genf erstmals öffentlich gezeigt und VW präsentiert seine zweite Generation des Touran. Genf 2015 bleibt also im konventionellen: Viel PS, neue SUV und eine paar Standard-Neuigkeiten.

Billiges Öl und bessere Konjunktur hilft Automarkt 2015

Genf liefert einen Vorgeschmack auf das Autojahr 2015. Geprägt wird das Autojahr 2015 durch billigen Treibstoff und für die europäischen Autobauer – einen abgewerteten Euro. Dank der Null-Zins-Politik der EZB können die europäischen Autobauer und Zulieferer im Jahr 2015 mit niedrigem Euro und hohen Exportgewinnen rechnen. Einzig der Russland-Ukraine-Konflikt trübt die Stimmung. Insgesamt stützen der billige Euro und die Null-Zins-Politik der EBZ der Konjunktur in West-Europa und den neuen EU-Ländern. Deshalb ist in West-Europa mit 12,56 Millionen Pkw-Verkäufen im Jahr 2015 mit einem Plus von 3,7% zu rechnen (vgl. Tab. 1). Noch stärker wird der EZB-Impuls in den neuen EU-Ländern sein. Dort wird nach unserer Prognose mit einem Plus von 5,6% bei den Pkw-Verkäufen gerechnet. Gut entwickeln sich auch Nordamerika und Asien, so dass weltweit im Jahr 2015 mit einem Zuwachs der Pkw-Verkäufe auf 76,1 Millionen Fahrzeuge gerechnet werden kann. Dies sind ein Plus von 3,0% und ein neuer Allzeit-Rekord. Die Welt-Pkw-Industrie bleibt trotz Krisen in Russland und Risiken über die Entwicklung der EUFinanzverfassung eine klassische Wachstumsbranche. Auch das ist eine Botschaft von Genf.

Tab. 1 zeigt, dass sich zwar das Wachstum gegenüber dem Vorjahr leicht abschwächt, aber die beiden großen Blöcke Asien und Nordamerika bleiben in Schwung. Asien und Nordamerika werden im Jahre 2015 für den Verkauf von 51 Millionen Pkw stehen. Das sind 67% aller weltweit verkauften Neuwagen. Die Probleme sitzen mit Russland in Ost-Europa und mit Brasilien in Südamerika. Tab. 2 zeigt, wie sich die 15 größten Pkw-Märkte der Welt entwickeln. China steht mit 19,6 Millionen verkauften Pkw nach unserer Prognose uneinholbar auf dem ersten Tabellenplatz der größten Automärkte. Bereits im Jahr 2016 werden in China mehr Neuwagen verkauft als in USA, Kanada und Mexiko zusammen. 25% aller Neuwagen – also jeder vierte weltweit verkaufte Neuwagen – findet in China seine Käufer. Automatisiertes und emissionsloses Fahren sind die großen Themen für die Mega-Cities in China. Chinesen sind äußerst Internetaffin, sprich neue Paradigmen, wie etwa das lenkradlose Stadtauto, sind in China besser vorstellbar als in Stuttgart oder Wolfsburg. Auch deshalb bildet Genf nur einen Teil der automobilen Mobilität von morgen ab. Auch deshalb ist es schlecht, dass Google & Co fehlen.

Im Jahr 2015 stellen China und USA 48% der weltweiten Autoverkäufe

USA wird angetrieben durch natürliches Wachstum. In den letzten 25 Jahren hat sich die Bevölkerung der USA um 70 Millionen Menschen erhöht. Die Zahl der Fahrzeuge hat sich im gleichen Zeitraum um 82 Millionen Fahrzeuge auf 268 Millionen erhöht. Das Bevölkerungswachstum in USA geht auch in Zukunft weiter. Damit bleibt der USAutomarkt Wachstumsmarkt. Für das Jahr 2015 rechnen wir mit einem Zuwachs von 4% (vgl. Tab. 2). Entsprechend selbstbewusst treten die US-Amerikaner in Genf auf. Niedrige Ölpreise forcieren das Wachstum, die Helden vor vorgestern – große und dicke Light Trucks – sind wieder die Helden von heute bei den US-Autohändlern. Auch das spürt man in Genf. In Europa werden bei den großen Märkten in Spanien (+11,1%), Italien (+8,9%) und Frankreich (+5,2%) mit den größten Zuwächsen gerechnet. Spaniens Automarkt wird durch eine Abwrackprämie „angetrieben“. Konjunkturimpulse, billiges Geld und neue Kundenkredite stimulieren die Südländer mit Ausnahme von Griechenland. Dennoch bleiben Frankreich, Italien, Spanien deutlich unter ihren früheren Verkaufszahlen.

SUV bleiben auch in Deutschland die Gewinner

Knapp 30 neue SUV sind im Jahr 2015 zu erwarten. Der in Genf vorgestellte Renault Kadjar eröffnet gewissermaßen den Reigen. Gegen Ende des Jahres stellt VW die zweite Generation des Tiguan (Ende 2014) und den auf dem Polo-basierende Kleinst- SUV VW Taigun vor. BMW bringt die zweite Generation des BMW X1, die jetzt auf der neuen Fronantriebsplattform UKL basiert. Ford stellt im Jahr 2015 den SUV Edge, Fiat den 500X, Audi seinen Q7 in zweiter Generation, Mercedes den GLC und das GLE Coupé, Volvo den XC 90, Mazda die Erweiterung der Modellinie mit dem Kompakt-SUV CX-3, Suzuki den neuen Vitara und Cadillac den SUV Escalade vor.

Mit dem Bentley SUV kann im Oktober 2015 der erste SUV eines Super-Luxus- Limousinenherstellers erwartet werden. Dies sind nur einige der SUV, die neu in den Markt kommen. Zum Vergleich: Im Jahre 2005 gab es in Deutschland 59 unterschiedliche SUV-Modelle im Angebot. Bis zum Ende des Jahres 2015 kann der deutsche Autokäufer unter knapp 90 verschiedene SUV-Modelle wählen. Fast jeder fünfte verkaufte Neuwagen im Jahre 2015 wird in Deutschland ein SUV sein.

Knapp 595.000 SUV werden im Jahr 2015 in Deutschland neu zugelassen werden, so unsere Prognose. Billiger Treibstoff und neue Modelle machen Appetit auf mehr SUV. Die Autobauer werden es schwer haben, ihre teuren Plug-In Hybride im Jahre 2015 in Deutschland und der Welt zu verkaufen. Billiger Diesel bremst auch 2015 die alternativen Antriebe weiter aus.

SUV bringt höhere Profite

Für die Autobauer hat der SUV eine schöne Seite. Das Auto ist größer und schwerer als die vergleichbare Limousine oder Kombi. Damit ist mehr dran – und das gilt natürlich auch für die Preise. Dies zeigt Abb. 4. Während der Durchschnitts-Neuwagen in Deutschland im Jahr 2014 mit einem Listenpreis von 27.189 Euro ausgezeichnet war, bringt der SUV im Durchschnitt fast 6.000 Euro – genau sind es 32.948 Euro in die Kasse. Während beim Durchschnittsauto knapp um die 1.360 Euro Gewinn pro verkauftem Auto in Deutschland übrig bleibt, ist es beim SUV immerhin 1.650 Euro. Also nicht nur die Kunden lieben den SUV, sondern auch die Finanzchefs der Autobauer. (Unterstellt wurde dabei, daß im Schnitt 5% Marge gemacht wird). Kein Wunder, dass die Entwicklungsgelder für neue SUVs gerne freigegeben werden.

Fazit: Zufriedenheit In Genf – die Störenfriede fehlen

Die Stimmung in Genf gut. Wer weltweit unterwegs ist kann Russland ausbalancieren. In Genf spürt man die Freude auf das Autojahr 2015. Niedriger Eurokurs, gute Export- Chancen und Export-Gewinne, mehr SUV und höhere Gesamt-Gewinne sind die Themen in Genf. Über alternative Antriebe wird weniger gesprochen. Zwar stehen die Plug-In Hybride auf den Messeständen, aber so richtiger Schwung im Verkauf ist schwer vollstellbar. Unangenehme Fragen, wie was mit den Software-Riesen ist, kann man ausklammern, denn die scheinen sich für Genf nicht zu interessieren. Möglicherweise findet das Auto der Zukunft – oder besser gesagt, die Mobilität der Zukunft – eher in USA und Silicon Valley oder China und Beijing seine Heimat. Europa und Deutschland fahren bei dem großen Thema „automatisiertes Fahren“ hinterher. Die Maut für Österreicher ist das große verkehrspolitische Projekt der großen Koalition. Auch das wirkt sich auf die Attraktivität von Genf aus.