„Bild“ in der Multimedia-Falle oder: Warum Medienkonvergenz nicht funktionieren wird

„BILD Dir Deine Meinung“ ist Geschichte. Der neue Slogan lautet: „Das bringt nur BILD“. Damit gibt es nicht nur eine Änderung beim Slogan. Mit diesem neuen Claim gibt es auch eine klare Änderung in der grundlegenden Markenstrategie
Michael Brandtner

Die neue Markenvision dazu lautet: „Bild ist das multimediale Leitmedium Deutschlands.“ Dazu erklärte Donata Hopfen, Verlagsgeschäftsführerin der Bild Gruppe kürzlich: „Es handelt sich nicht um eine Neuerfindung, sondern um die Transformation der Marke ‚Bild‘ in das digitale und multimediale Zeitalter.“

Logisch aus Sicht der Zeitung

Aus Sicht der Zeitungsmacher selbst mag dies logisch erscheinen. Man wird so von einem Printmedium zu einem Multimediamedium. Damit deckt man – strategisch betrachtet – nicht nur die Gegenwart ab, sondern auch die Zukunft, ganz egal, wie diese sich entwickelt. Genau das ist der Traum vieler Manager. Man möchte eine Markenvision, die nicht nur einen spezifischen Markt abdeckt, sondern ein ganzes Marktuniversum.

Das war auch einmal der große Traum der Computer- und Unterhaltungsindustrie, nämlich dass Fernseher, PC, Spielkonsole und Hifi-Anlage zu einer „Box“ zusammenwachsen. Es sollte so einmal nur ein Multimedia-Gerät im Haushalt geben.

Die Realität sieht jedoch anders aus: Heute haben wir nicht ein Gerät, sondern mehr Geräte denn je. Wir haben einen smarten Fernseher, statt dem PC wahrscheinlich ein Notebook, ergänzend dazu vielleicht ein Tablet, einen eBook-Reader und eine Spielkonsole. Zudem besitzen wir ein Smartphone, unter Umständen noch einen MP3-Player und vielleicht sogar schon eine Smartwatch. Statt zu einem Gerät zu konvergieren, entstanden immer neue Gerätekategorien und mehr werden kommen.

Unlogisch aus Sicht der Medienentwicklung

Und wenn man sich die aktuelle Entwicklung der Medienlandschaft ansieht, dann sind die wirklich spannenden Marken in der digitalen Landschaft keine Multimedia-Ableger, sondern neue, heiße, spezielle Internetmarken wie Google, YouTube, Facebook, Spotify, Twitter, Pinterest und viele mehr.

Anders ausgedrückt: Die Medienlandschaft konvergiert ebenfalls nicht, sie divergiert. Es entstehen also immer neue Medienkategorien mit neuen Marken. So wird aus Kundensicht „Bild“ immer eine Tageszeitung bleiben, die auch andere analoge und digitale Medien nutzt. So wird aus Kundensicht „RTL“ immer ein Fernsehsender bleiben, der auch andere analoge und digitale Medien nutzt. So werden auch die „Gelben Seiten“ immer nur ein Suchverzeichnis bleiben, das andere Medien wie das Internet nutzt.

In der Vergangenheit gefangen

Kurzfristig mag die Vision und Strategie von „Bild“ genial klingen. Nur zementiert man sich selbst so automatisch in der alten Medienwelt fest. Damit wird man aber a) nie das volle Potenzial des Internets wirklich nutzen, und b) wird man irgendwann genau deshalb diese Leitmedium-Funktion in der Vielfalt neuer, speziellerer Medien verlieren.

Dann wird „Bild“ einmal eine gute, alte Tageszeitung sein, die man früher abonniert und gelesen hat. Deshalb sollte man bei „Bild“ heute selbst überlegen, wie das neue digitale Leitmedium der Zukunft unter einer neuen Marke aussehen könnte, statt zu versuchen, das mit der guten, alten Marke „Bild“ zu schaffen.

Über den Autor: Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ, Associate of Ries & Ries und Autor des Buches „Brandtner on Branding“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com