BGH erweitert Spielraum für Gewinnspielkoppelung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Urteilsbegründung für den Fall „Millionenchance“ jetzt veröffentlicht. In dem viel beachteten Musterverfahren ging es um ein Gewinnspiel der Einzelhandelskette Plus: Kunden konnten beim Einkauf Punkte sammeln und mit diesen an einer Lotterie teilnehmen. Sowohl das Landgericht Duisburg als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hatten diese Form des Gewinnspiels als wettbewerbswidrig eingestuft. Der BGH widersprach und hob mit Urteil vom 5. Oktober 2010 die Vorentscheidungen sowie das generelle Verbot der Koppelung von Waren und Gewinnspielen auf.

In erster und zweiter Instanz hatten die Richter einen Verstoß gegen die Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 4 Nr. 6 UWG) angenommen, wonach es Unternehmen bislang verboten war, die Teilnahme an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig zu machen. Der BGH erweitert aber nun mit der vorliegenden Begründung den Spielraum für Werbungtreibende zur Ausgestaltung von Gewinnspielen deutlich, wie die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft betont, die das Unternehmen Plus bei der Ausgestaltung des Gewinnspiels sowie während des Verfahrens vertreten hatte. Die Zulässigkeit der Gewinnspielkoppelung soll laut BGH zukünftig einer Einzelfallprüfung unterliegen. Dabei soll eine Ausgestaltung dann als zulässig anzusehen sein, wenn sie im Einzelfall nicht unlauter ist und weder eine irreführende Geschäftspraxis darstellt noch der beruflichen Sorgfalt widerspricht.

Laut Urteilsbegründung soll der gesetzliche Maßstab bei der Betrachtung des Einzelfalls und richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 6 UWG sein, dass eine solche Koppelung nur dann unlauter ist, wenn sie eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) darstellt, nämlich einen Verstoß gegen ein per-se-Verbot des Anhangs 1 oder eine „aggressive Geschäftspraxis“ nach Artikel 8 und 9 der Richtlinie. Kann demnach eine Unlauterkeit nicht angenommen werden, kommt laut BGH allenfalls eine Beurteilung als irreführende Geschäftspraxis oder die Annahme eines Verstoßes gegen die berufliche Sorgfalt in Betracht. Dies hat der BGH im Falle des Gewinnspiels „Millionenchance“ klar verneint.

Zuvor hatte der BGH den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil er in der gesetzlichen Regelung des § 4 Nr. 6 UWG einen möglichen Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben sah. Der EuGH entschied mit Urteil vom 14. Januar 2010, dass das bislang in Deutschland geltende abstrakte Verbot der Gewinnspielkoppelung als Verstoß gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) zu werten ist.