Besserer Tierschutz: Druck auf Lebensmittelhändler steigt

Rewe verpflichtet sich, auf höhere Standards bei der Schweinezucht zu achten. Die Supermarktkette folgt damit anderen deutschen Lebensmittelhändlern, die zunehmend den Tierschutz für sich entdecken. Was nach moralischer Einsicht aussieht, ist vor allem eine Reaktion auf den Druck der Verbraucher.

Die Supermarktkette Rewe kündigte am Dienstag an, ab 2017 kein Frischfleisch mehr zu verkaufen, das von betäubungslos kastrierten Schweinen stammt – zumindest unter den Eigenmarken des Unternehmens. Die für die Tiere schmerzhafte Prozedur passe „einfach nicht mehr in die heutige Zeit“, teilte Klas Meyer, Leiter des Qualitätsmanagements bei Rewe in einer Pressemitteilung mit. Laut Rewe werden in Deutschland derzeit noch rund 20 Millionen männliche Ferkel jährlich in den ersten tagen nach der Geburt ohne Betäubung kastriert. Dadurch soll verhindert werden, dass sich der unangenehme Ebergeruch im Fleisch ablagert, der beim Einsetzen der Geschlechtsreife der Tiere entsteht.

Die strategische Entscheidung ist die erste umgesetzte Maßnahme des am selben Tag von der Rewe Group veröffentlichten „Leitbildes zur Nutztierhaltung der Zukunft“, wodurch das Unternehmen seine bisherigen Nachhaltigkeitsaktivitäten weiter ausweiten will.

Tierschutz als Antwort auf Druck der Verbraucher

Während das deutsche Tierschutzgesetz ein Verbot dieser Praxis erst ab 2019 vorsieht, gehen Supermarkthändler mit schnelleren Schritten voran. Über die „Initiative Tierwohl“ beispielsweise, die seit Jahresanfang läuft, zahlen große Handelsunternehmen wie Aldi, Lidl und Edeka für jedes verkaufte Kilogramm Fleisch vier Cent in einen Fonds ein. Der soll Lieferanten dafür bezahlen, das sie ihre Tiere besser halten, als gesetzlich vorgeschrieben.

Lidl akzeptiert zudem eigenen Angaben zufolge sowieso bereits seit 2014 kein Frischfleisch von betäubungslos kastrierten Tieren mehr. Aldi Süd und Aldi Nord beschlossen im Frühjahr, die Praxis ab 2017 nicht mehr zu dulden.

Achim Spieler, Professor für Lebensmittelmarketing an der Universität Göttingen, sieht das Vorgehen aber weniger als eine Auswirkung moralischen Wandels. Vielmehr sei es eine Reaktion auf die steigenden Anforderungen der Konsumenten: „Der Tierschutz hat am Markt lange keine besondere Rolle gespielt. Aber jetzt ist der Druck deutlich gestiegen“, sagte Spiller gegenüber der dpa. Studien belegen zumindest das schlechte Gewissen, dass viele Verbraucher heutzutage beim Fleischkauf beschleicht: In einer Umfrage des Zukunftsforschers Peter Wippermann für die Tierschutzorganisation Vier Pfoten zeigten sich 81 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass es den Tieren in der Nutztierhaltung heutzutage „nicht gut“ geht. Die Mehrheit (59 Prozent) zeigten außerdem ein gestiegen Interesse an Tierschutz-Siegeln.

Probleme: Bewusstsein und Preis

Der Deutsche Tierschutzbund hat dafür ein eigenes  zweistufiges Tierschutz-Label entwickelt, mit dem Supermärkte  Produkte aus artgerechter Haltung kennzeichnen können. Unter anderem der Supermarkthändler real,- wirbt damit. Aber auch verschiedene Regionalanbieter von Edeka oder Lidl bieten Produkte dieser Art an. Denn: Bislang, so der Tierschutzbund, sei es den Verantwortlichen nur um schnelle aber nicht verantwortungsbewusste und nachhaltige Lösungen gegangen. In diesem Zuge kritisierte der Verbund auch die gemeinsame Initiative der Händler: „Es ging um ein schnelles System, das die öffentliche Meinung und den Gesetzgeber beruhigt und das Maßnahmen bereithält, die dem Handel und den Landwirten erst mal nicht so wehtun“, kritisierte Präsident Thomas Schröder das Vorgehen gegenüber der Welt. „Die haben gewürfelt und sich angesehen: Was haben wir für Probleme, und welche Veränderungen können wir bezahlen?“ Gefehlt aber haben klare Zielsetzungen und wissenschaftlich fundierte Prioritäten.

Die größte Herausforderung für einen Wandel im aber ist und bleibt der Preis. Tierschutz kostet Geld. Der Preis, das weiß auch Schröder, ist letztlich Dreh- und Angelpunkt der Verbesserung der Tierhaltung. Rabattschlachten und Werbung mit niedrigen Preisen sind dabei der stärkste Gegner eines langfristigen Wandels. „Solange es noch die Handzettel mit Billigpreisen für Fleisch gibt, ist der Handel doppelzüngig unterwegs“, so Schröder.