„Besser nicht größenwahnsinnig werden“: OMR-Festival-Chef Westermeyer zieht Bilanz

Über 40.000 Gäste haben das Online Marketing Rockstars (OMR) Festival dieses Jahr besucht. Im asw-Interview zieht dessen Chef Philipp Westermeyer Bilanz. Außerdem spricht er über den nächsten Meilenstein, die Tücken der E-Privacy-Debatte und warum Facebooks Probleme wohl nur temporär sind.
Philipp Westermeyer, Gründer des OMR-Festivals: "Das Niveau zu halten, ist schwierig." Foto: OMR

Im Interview mit absatzwirtschaft vor Beginn des OMR-Festivals haben Sie gesagt, dass das OMR, wenn es die 40.000-Besucher-Marke überschreitet, in der Champions League angekommen ist. Um bei dieser Analogie zu bleiben: War das diesjährige Festival die Qualifikation dafür?
PHILIPP WESTERMEYER: Mit der Größe sind wir definitiv in der Champions League angekommen. Wir gehören zu den zwei oder drei größten Marketing- & Digital-Events in Europa und selbst weltweit ist es nur eine sehr kleine Zahl an Veranstaltungen, die größer sind. Jetzt müssen wir gucken, dass wir das Festival auf dem Niveau halten und mit Augenmaß weiterentwickeln. Nicht übertreiben, Abwechslung bieten, alles dafür tun, dass unsere Gäste und Partner dauerhaft glücklich sind – und besser nicht größenwahnsinnig werden.

Haben Sie das Gefühl, Ihr Team neigt zum Größenwahn?
Das glaube ich nicht. Aber es ist schon ein schmaler Grat zwischen dem, was wir an Show bieten und dabei trotzdem bodenständig unseren Partnern helfen, Geschäfte anzubahnen, Menschen zu vernetzen und Informationen für die Besucher zu liefern.

Ist das Event mittlerweile zu viel Festival und zu wenig Inhalt?
Überhaupt nicht. Zwei Tage lang werden zwei Bühnen durchgehend bespielt, dazu über hundert Masterclasses und die Konferenz. Knapp hundert zum Teil inhaltliche Side-Events. Vor allem hat doch jeder Besucher die Auswahl. Niemand ist gezwungen, abends auf die Partys oder Konzerte zu gehen, wenn er das nicht möchte. Das Angebot ist vielfältig. Es gleicht einem großen Büfett, von dem man sich bedienen kann und sehr viel nehmen kann. Wer nur Business-Termine machen möchte oder Weiterbildung sucht, kann das machen.

In der Pressemitteilung habt Ihr über 40.000 Besucher an den zwei Tagen vermeldet. Wie viele waren es genau?
Das wissen wir noch gar nicht. Es gab an einem Einlass temporär die Situation, dass wir Leute reingelassen haben, ohne dass wir Tickets scannen konnten, um Schlangenbildung zu vermeiden. Wir sind dabei die genaue Zahl zu ermitteln. Die Besucherzahl wird knapp über 40.000 liegen, vielleicht geht sie sogar Richtung 41.000.

Diese Probleme gab es ja bereits vergangenes Jahr.
2017 war es definitiv was anderes. Insgesamt sind wir dieses Jahr mit dem Einlass und der Logistik dahinter extrem zufrieden. Ich glaube, fast niemand musste ernsthaft warten, um auf das Messegelände zu gelangen.

Wie würden Sie die Stimmung während des Festivals beschreiben?
Was ich erlebt habe, war eine große Begeisterung für die Themen, das Netzwerken und das Event. Obwohl es in diesem Jahr viele schwierige Themen gab, beispielsweise die Diskussionen um die Datensicherheit und Cambridge Analytica.

Die Enthüllungen rund um Facebook und die britische Datenfirma haben zuletzt die Berichterstattung dominiert. Einer der stärksten Kritiker der vier großen US-Tech-Firmen Facebook, Google, Amazon und Apple ist Scott Galloway. Er galt als einer der Top-Speaker und musste aufgrund eines Schneesturms absagen. Dennoch war er den Besuchern am Morgen des zweiten Tags per Live-Stream zugeschaltet. Wie teuer war die Schalte?
Die Schalte samt Übertragungswagen und Satellitenplatz wird schätzungsweise um die 20.000 Euro gekostet haben.

Nachdem Galloway seinen Vortrag beendet hat, haben Sie seine Inhalte für das Publikum eingeordnet. Sonst halten Sie sich mit Kommentierungen eher zurück. Wieso hier nicht?
Weil ich fand, dass er eine extrem starke Position bezogen hat. Dafür ist er ja bekannt, das wussten wir vorher. Mit seinem Vortrag hat er die Besucher, auch Leute, die für Facebook, Google oder Amazon arbeiten, direkt angesprochen. Ich möchte nicht angegriffen sagen, aber er hat sie doch schon angeklagt. Dann ist es meine Rolle, die Aussagen etwas aufzufangen, weil die betroffenen Firmen keine Chance zur Gegenrede hatten. Wenn derart starke Meinungen präsentiert werden, muss man verdeutlichen, dass es auch eine andere Seite gibt. Ich hatte in dem Moment instinktiv das Gefühl, dass ich da etwas sagen muss. Galloway spitzt stark zu und betreibt bei aller Relevanz und Ernsthaftigkeit des Themas am Ende natürlich auch „Storytelling“. Aber mir geht es generell so: Wenn Leute eine extreme Meinung vertreten, bin ich erstmal alarmiert. Die Wahrheit liegt meist eher in der Mitte und nicht irgendwo am Rand. Galloway verdient mit seinen Geschichten letztlich Geld, verkauft sein Buch und darauf wollte ich aus Gründen der Fairness nur hinweisen.

Wie geht es mit Facebook nach dem Datenskandal weiter?
Ich glaube nicht, dass es in zwei, drei Jahren eine ähnliche Situation geben wird wie bei den letzten US-Wahlen. Das Risiko wird Facebook nicht eingehen und das Unternehmen hat genügend Intelligenz, um die Lücken zu schließen.

Denken Sie nicht, dass das Unternehmen einen langfristigen Schaden davonträgt?
Das Unternehmen hat schon viel Marktwert verloren, aber Facebook wird als Werbepartner weiter funktionieren. Ich denke nicht, dass diese ganzen Aufrufe wie #DeleteFacebook wirklich etwas ändern, also dass dem Netzwerk in Zukunft die Massen weglaufen. Generell wurde durch die Enthüllungen jedoch eine sinnvolle Diskussion angestoßen, die uns alle weiterbringt.

Was meinen Sie?
Der Umgang mit Daten und großen Plattformen muss und sollte an verschiedenen Stellen der Gesellschaft ausführlich diskutiert werden. Die Veränderungen sindaus gesamtgesellschaftlicher Sicht gravierend. Ganz vieles ist positiv, aber natürlich nicht alles.

Am ersten Abend der OMR haben Mathias Döpfner, Chef von Axel Springer und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger auf der einen Seite und auf der anderen Seite Andrus Ansip, EU-Kommissar für den digitalen Binnenmarkt, über die geplante E-Privacy-Verordnung diskutiert. Wie beurteilen Sie diese?
Die geplante EU-Gesetzgebung ist gerade für nationale Anbieter nicht optimal. Deutsche Firmen werden indirekt schlechter gestellt als internationale Plattformen. Ich sehe einige Punkte anders als EU-Kommissar Ansip und bin da eher auf der Seite von Mathias Döpfner und Florian Heinemann (vier Jahre Geschäftsführer von Rocket Internet und Investor, Anm. d. Red.). Die Gesetzgebung hat sicherlich Optimierungsbedarf und das kam bei der Diskussion ja auch heraus. Ich sehe die Gefahr, dass die E-Privacy-Thematik jetzt aufgrund der Parallelität zu den aktuellen Facebook-Themen weiter in die falsche Richtung läuft. Mir liegt viel an unserem Wohlstand hier und der hängt in Zukunft sicher auch von einer wettbewerbsfähigen Digital-Industrie ab.

Wenn man sich anschaut, wie sich das Festival entwickelt hat: Im vorigen Jahr hattet Ihr 26.000 Besucher, dieses Jahr sind es 14.000 mehr. Das Marketing scheint zu funktionieren und die OMR als Marke ist aufgrund unterschiedlicher Inhalte ganzjährig präsent. Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
Zum einen werden wir unser Web-Portal in den nächsten Wochen relaunchen und zum anderen können wir uns bei verschiedenen inhaltlichen Bereichen weiterentwickeln. Es ist sowieso schwer, jedes Jahr das erreichte Niveau überhaupt zu bestätigen. Wir wollen 2019 wieder hochklassige Musik-Acts zum Festival einladen und eine gute Show liefern. Dennoch werden wir wahrscheinlich noch ein kleines bisschen wachsen, denn gerade im internationalen Bereich steckt noch Potenzial.

Gehen Sie 2019 die 50.000-Besucher-Marke an?
Wir haben intern noch kein Ziel besprochen, aber als erste spontane Reaktion auf die Frage: Das könnte so kommen.

Die Tickets sind vergleichsweise günstig. Besucher zahlen für eine der zwei vorhandenen Kategorien lediglich 35 Euro. Steigen die Preise in Zukunft?
Wir werden, wie schon häufiger, ganz leichte Preisanpassungen vornehmen. Aber auf keinen Fall ist eine massive Preiserhöhung geplant. Es geht um die Erweiterung der bestehenden Angebote. Deshalb überlegen wir eher, ob wir eine weitere Ticketkategorie einführen oder ähnliches.