„Besondere Momente für die Community schaffen“

Streaming ist einer der großen Trends, auf die Marken reagieren müssen. Nach Einschätzung von Dr. Ralf E. Strauß, Präsident des Deutschen Marketing Verbands (DMV) sowie Managing Partner des Marketing Tech Lab, sind jetzt maßgeschneiderte Lösungen gefragt.
Dr. Ralf E. Strauß: "Wir müssen weg vom Push, hin zum Pull." (© Carolin Thiersch)

Von Karsten Zunke

Herr Strauß, egal ob Sport, Filme, Serien, Games oder News: Bei Zuschauer*innen liegt Streaming im Trend. Wo sehen Sie bei dieser Entwicklung die größten Potenziale für Marken und Werbetreibende?

RALF STRAUSS: Viele Nutzer*innen sind bereit, werbefinanzierte Programme zu konsumieren, wenn die Inhalte im Gegenzug für sie kostenfrei sind. Für werbetreibende Unternehmen bedeutet dies, dass sie auch über neue Formate nachdenken sollten – insbesondere vor dem Hintergrund, dass etwa klassische TV-Kampagnen bei einem sich grundlegend verändernden Mediennutzungsverhalten immer weniger Wirkung entfalten.

An welche Formate denken Sie?

Wir müssen weg vom Push, hin zum Pull. Dazu muss ein cleveres Content-Marketing etabliert werden. Das kann unterschiedlichste Ausgestaltungsformen haben – von eigenen Sendungen, Sponsoring à la „Nacht der Chöre“ oder dergleichen. Auch Influencer-Marketing sollte man aktiv nutzen. Das Ziel muss stets sein, die Engagement­-Rate zu erhöhen. Es sind jetzt maßgeschneiderte Lösungen gefragt, mit denen sich Marken unmittelbar in Streaming-Plattformen und Inhalte integrieren und besondere Momente für die Community schaffen können.

Streaming steht in Konkurrenz zu einem wichtigen Werbekanal, dem klassischen linearen TV. Wird Streaming langfristig das lineare TV ablösen oder nur ergänzen – und was sind die Konsequenzen?

Der Markt wird sich weiter ausdifferenzieren. Es wird also kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch geben – und das in unterschiedlichen Zielgruppen. Während Jüngere primär streamen, setzen Ältere eher auf lineares TV. Unternehmen müssen ziselierter und granularer vorgehen, sowohl was Aktivitäten betrifft als auch in Bezug auf die Nutzung von Daten und die Produktion von Inhalten im Content-Marketing. Damit steigt der Druck auf die Organisationen. Sie müssen dafür sorgen, dass für diese Herausforderungen Prozesse, Systeme und Kompetenzen verfügbar sind. Dazu muss auch das Thema Insourcing/Outsourcing neu diskutiert werden.

Streaming ist auch in vielen weiteren Bereichen auf dem Vormarsch. Live-Streams in Social Media, Live-shopping, hybride Events … Benötigen Marken jetzt eine eigene Streaming-­Strategie?

Nein, ich denke nicht. Es geht nicht um den einen oder den anderen Kanal. Vielmehr gilt es herauszufinden, wie die gesamte Customer-Interaktion der Zukunft aussieht. Und hier spielen Themen wie Data-driven, First Party Data generieren, direkte Interaktion D-to-C verbunden mit Loyalitätsprogrammen, Marketing Analytics, Content und vieles andere eine wichtige Rolle. Wie andere Themen auch muss Streaming in diese gesamte Customer-Interaktion der Zukunft eingebettet werden.

Das Interview erschien zuerst in der Dezember-Printausgabe der absatzwirtschaft.