Bei Print-Titeln und TV-Sendern hinken Online-Angebote hinterher

Die traditionellen Print-Titel und TV-Sender geraten unter Druck und forcieren die Online-Präsenz ihrer etablierten Marken. Das berichten Berater von OC&C Strategy Consultants. In einer Studie sagen sie allerdings auch, dass es nur wenigen gelingt, die bewährten Marken in die digitale Welt zu transformieren.

Die Ergebnisse der aktuellen OC&C-Studie „Fit für das Netz? – Digitale Transformation traditioneller Medienmarken“ fallen für die Printverlage und Fernsehsender ernüchternd aus. Ein großer Teil der vielbeschworenen Online-Revolution finde jenseits der etablierten Marken statt, resümieren die Consulter. Ihre Einschätzung: Die Verlage und Fernsehsender erreichen trotz verstärkter Investitionen in die Online-Angebote nur einen Bruchteil ihres Offline-Publikums. Einzig Der Spiegel kann eine annähernde Parität zwischen seinem Online- und Print-Angebot erzielen. Sogar die vielumworbene, internetaffine Zielgruppe der 14-29-Jährigen nimmt die Online-Versionen der traditionellen Marken nur zögerlich an und gibt den Print-Titeln der Verlage den Vorzug.

„Auch wenn langfristig mit einer deutlichen Verlagerung in Richtung Online-Nutzung zu rechnen ist, gelingt es keinem der untersuchten Medienhäuser, alle Marken des Portfolios konsistent und erfolgreich in den Online-Bereich zu transferieren. Vielen fehlt eine konsequente Strategie und Exzellenz in der Umsetzung“, fasst Michael Rzesnitzek von OC&C Strategy Consultants die Erkenntnisse aus der Studie zusammen. „Die Transformation bestehender Marken und deren Monetarisierung sind wichtige Bausteine – aber für die Herausforderungen der Zukunft wird ein Medienhaus nur dann gerüstet sein, wenn es in neue Marken investiert, Geschäftsmodelle transformiert und effizientere Strukturen schafft“, ergänzt OC&C-Berater Andreas von Buchwaldt.

Die Studie untersucht die Bemühungen der erfolgreichsten deutschen Medienunternehmen, ihre traditionellen Print- und TV-Marken ins Internet zu transformieren. Ein Blick auf die zehn auflagenstärksten Print-Titel zeigt: Keines dieser Medien konnte online bisher so viele Personen erreichen wie offline. Unter den reichweitenstärksten Angeboten liegt Der Spiegel bei der Transformation vorn: Eine Gleichverteilung von Online- und Printreichweite hat er fast realisiert. Schon etwas abgeschlagen folgen mit einer Online-Reichweite von gut 30 Prozent die Internet-Auftritte von Focus und Computer Bild. Deutschlands große Boulevardzeitung Bild dagegen reiht sich trotz stärkster absoluter „Gesamtreichweite“ mit einem Online-Anteil von 28 Prozent nur im Mittelfeld ein.

Sehr schwach ausgeprägt ist die Online-Reichweite bei den großen Fernsehzeitschriften. Trägt der Online-Auftritt von TV Movie und TV Spielfilm immerhin noch 10 beziehungsweise 6 Prozent zur „Gesamtreichweite“ bei, so ist er bei TV14 mit unter einem Prozent verschwindend gering. Auch Bild der Frau ist online – mit einem Anteil von 3 Prozent an den insgesamt 6,0 Mio. Lesern – kaum präsent. In der Veränderungsbetrachtung zum Vorjahr konnte Springers Computer Bild sowohl die Online- als auch die Printreichweite verbessern und ist damit ein doppelter Gewinner. Focus, Spiegel und Bild haben nur leicht bei ihrer Onlinereichweite zugelegt. Der Stern dagegen hat im Vergleich zum Vorjahr an Online-Reichweite verloren.

Aufgrund ihrer hohen „Gesamtreichweite“ fällt es diesen vier Titel aber auch schwerer, große Wachstumsraten zu erzielen. Bild der Frau und TV14 konnten lediglich die Printreichweite verbessern, stagnierten aber online. Sie gehören zur Gruppe der Print-Fokussierer – und verfolgen damit langfristig eine riskante Strategie. Die Verlierer unter den zehn reichweitenstärksten Print-Titeln sind TV Spielfilm und die Bunte. Die Burda-Medien büßten sowohl an Print- als auch an Online-Reichweite ein.

Die Analyse zeigt, dass sich bei fast allen Titeln noch immer der größte Teil der „Gesamtreichweite“ aus dem Printmedium speist. Langfristig wird sich die Online-Nutzung aber sicher behaupten, prognostizieren die Berater. Sie untermauern ihre Einschätzung durch einen Vergleich des gegenwärtigen Nutzungsverhaltens verschiedener Altersgruppen: Der Online-Anteil in der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen ist bei allen Titeln (mit Ausnahme von Computer Bild) höher als in den älteren Untersuchungsgruppen. Das allein überrasche wenig, heißt es in den Bericht. Interessant sei jedoch, dass auch die 14- bis 29-Jährigen bei den traditionellen Marken immer noch mehrheitlich Print lesen. Einzig dem Spiegel gelinge es mit seinem Onlineportal einen Anteil von über 50 Prozent bei den jungen Menschen zu erreichen.

Pro Sieben hat von den untersuchten privaten Fernsehsendern mit 26 Prozent den stärksten Online-Anteil. RTL kann trotz größter „Gesamtreichweite“ beim Online-Anteil nicht mithalten: 21 Prozent der 30 Millionen Nutzer erreicht der Sender online. Die Online-Strategien der anderen Sender sind weniger erfolgreich – sie kommen auf einen Online-Anteil von nur vier bis elf Prozent. Allerdings haben es die Fernsehsender in dieser Betrachtung auch schwerer als die Verlage: Schließlich ist die absolute Zahl der TV-Seher mit 12 bis 23 Millionen vergleichsweise deutlich höher als die der Print-Nutzer.

Die Höhe der Online-Anteile jedes Verlags sehen die Berater letztlich als Ergebnis der individuellen Online-Strategie für die einzelnen Titel. Nur wenige Verlagshäuser schaffen es, die Online-Reichweite aller ihrer Top-Titel im Portfolio zu optimieren. Von den vier größten Verlagen verfolgen Axel Springer und Burda eine explizite Online-Strategie und erreichen damit jeweils 30 Prozent Online-Anteil an der „Gesamtreichweite“. G+J hinkt mit 17 Prozent hinterher. Abgeschlagen mit 7 Prozent ist Heinrich Bauer – der Verlag verlässt sich fast ausschließlich auf seine Printprodukte. Die Zeitungsverlage profitieren vom Online-Erfolg ihrer überregionalen Titel und erreichen so fast 70 Prozent Online-Anteil. Die Verlagsgruppen Spiegel und Holtzbrinck gehören mit einem Online-Anteil von knapp 50 Prozent ebenfalls zu den erfolgreichen Transformatoren. Neue Online-Marken (sogenannte „Pure Plays“) wie Studi VZ oder Go Feminin berücksichtigte die Studie für die Reichweitenmessung der Verlage explizit nicht.

Einige Verlage haben ihre Reichweiten gegenüber dem Vorjahr deutlich gesteigert – und dies sowohl im Online- als auch im Printbereich. Ganz vorne: Axel Springer. Aber auch bei den crossmedialen Strategien der Verlagsgruppen Spiegel, Holtzbrinck und Süddeutscher Verlag beobachten die Berater positive Effekte. Dagegen mussten Heinrich Bauer und Burda einen Rückgang ihrer Print-Reichweiten hinnehmen. Gleichzeitig stieg ihr Online-Bereich nur gering an. Die regionalen Wettbewerber (Du Mont, WAZ und Madsack) sowie die F.A.Z. verschlechterten sich im Print-Sektor ebenfalls leicht. Die analysierten TV-Sender dagegen verlieren sowohl an TV- als auch Online-Reichweite. Der Online-Anteil der TV-Sender ist mit der Ausnahme von Pro Sieben und RTL insgesamt zudem geringer als bei den meisten Verlagen.

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