Barrierefreie Internetangebote bringen Vorteile

Unternehmen in Deutschland vernachlässigen die Barrierefreiheit, wie eine Testreihe des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnologie (FIT) bestätigt. Die Wissenschaftler des „Web Compliance Centers“ prüften mit ihren Analyse-Tools, ob deutsche Dax-Unternehmen mit ihren Internetangeboten internationale Web-Standards im Sinne der Web Compliance einhalten. Das Ergebnis: Neunzig Prozent der Websites wiesen erhebliche Mängel auf. Beispielsweise waren wichtige Informationen nur mühsam zu finden, die Internetseiten hatten zu lange Ladezeiten oder wurden auf mobilen Geräten fehlerhaft dargestellt.

„Web Compliance bedeutet nicht nur, Webseiten für die Nutzung durch behinderte und ältere Menschen zu optimieren“, sagt Dr. Carlos Velasco vom Fraunhofer-Institut. „Auch Suchmaschinen wie Google haben mit fehlerhaften Seiten erhebliche Schwierigkeiten. Eine Folge davon kann sein, dass die Angebote nicht gefunden werden oder kein gutes Ranking bei Suchanfragen erzielen. Daher sollte das Thema eigentlich eine hohe Priorität genießen.“ Tatsächlich erkennen inzwischen immer mehr Firmen, dass Barrierefreiheit große wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Hewlett Packard Italia, Public-I Group und Polymedia etwa beteiligen sich an dem EU-Forschungsprojekt „Inclusive Future-Internet Web Services (I2Web)“.

Das Projekt wird vom FIT koordiniert und ist mit einem Budget von 2,7 Millionen Euro auf zwei Jahre angelegt. Zu den Partnern gehören die Universitäten York (Großbritannien) und Ljubljana (Slowenien) sowie die Selbsthilfeorganisation für blinde Menschen „National Council for the Blind of Ireland“ und die „Foundation For Assistive Technology“. Die beteiligten Unternehmen bieten Internet-Fernsehen, Video on Demand, Online-Banking sowie Content-Management-Systeme an – diese Angebote sollen künftig barrierefrei sein.

Damit Seitenbetreiber ihre Angebote effizient überprüfen können, haben die FIT-Informatiker bereits im Jahr 2004 die „imergo Web Compliance Suite“ entwickelt. Sie umfasst eine Reihe von Tools, die sich in Content-Management-Systeme integrieren lassen. Sie überprüfen Websites auf die Einhaltung bestimmter Regeln – und zwar nicht nur bezüglich Barrierefreiheit: So könnte man ein soziales Netzwerk wie Facebook auf bestimmte Wortgruppen hin überprüfen, die auf illegale Aktivitäten hinweisen. Ein Unternehmen könnte auch verifizieren, ob auf allen Unterseiten das Corporate Design eingehalten wird. „Oft pflegen mehrere Content Manager große Webangebote“, sagt Velasco. „Die Suite testet, ob sich auf jeder Seite etwa das Logo an der richtigen Stelle befindet.“ Das im Jahr 2010 gestartete EU-Projekt „I2Web“ ist eine Art Weiterentwicklung der „imergo Web Compliance Suite“.

Der Prototyp enthält zum Beispiel eine Entwicklungsumgebung für einen Expert-Viewer. Nicht alle Richtlinien für Barrierefreiheit lassen sich von einer Software automatisch checken. So sollten Fotos auf einer Webseite einen sinnvollen Alternativtext haben. Ein Prüftool erkennt zwar, ob ein Text existiert, aber nicht, ob er auch „sinnvoll“ beschreibt, was auf dem Bild zu sehen ist. Der Expert-Viewer bietet deshalb eine Liste aller relevanten Bildtexte an, die von Redakteuren auf inhaltliche Korrektheit hin überprüft werden können. Ein wichtiger Teil des EU-Projekts ist die Konformität mit Schnittstellen, etwa wenn Kunden Video on Demand oder Internet-TV auf ihrem Fernseher nutzen möchten. „I2Web“ stellt sicher, dass die Angebote auf möglichst allen Geräten reibungslos funktionieren und barrierefrei zu bedienen sind.

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