Bannerwerbung? – Blödsinn! Heute werden andere Werbeformen gebraucht

Für drei von vier Deutschen ist störende Werbung der wichtigste Grund zur Nutzung eines Adblockers. Das geht aus einer Untersuchung der Monetarisierungsplattform Teads und Research Now hervor. Doch Banner sind sowieso Blödsinn. Ganz andere Formen der Werbung bestimmen das Kaufen
Anne M. Schüller

Pre-Roll-Videos, aggressives Retargeting, monströse Wallpaper-Ads und ultranervige Pop-up-Banner gelten als die aufdringlichsten aller Werbeformate. Kaum sitzen wir gemütlich auf der Couch und suchen etwas im Web, überfällt uns ungefragt so ein Dings, kreischt uns an, versperrt uns die Sicht, verfolgt uns und beleidigt unsere Sinne. Nötigung nenne ich das. Natürlich verstehen die User, dass kostenfreie Webinhalte werbefinanziert werden müssen, aber doch bitte nicht so! Würden sich in einer Zeitung fette Anzeigen über redaktionelle Inhalte legen, würde niemand das akzeptieren.

Geldvernichtungsmaschinerie Bannerwerbung

Was soll Bannerwerbung überhaupt bringen? Die Öffnungsraten liegen bei etwa 0,2 Prozent, und selbst das wohl nur deshalb, weil viele den meist tückisch platzierten „Schließen“-Button nicht richtig erwischen. Zudem werden Banner vor allem von Bots, also Maschinen, und nicht von Menschen geklickt. Zusammengezählt werfen Werbungschaffende hiermit so um die 99,9 Prozent ihrer Werbegelder zum Fenster hinaus. Wissen die das? Natürlich. Dennoch werden Banner fleißig geschaltet, wie jeder weiß, der online surft.

Und warum? Weil sich die Klicks so toll messen lassen? Selbstverständlich sind analytische Kennzahlen wichtig. Und Messbarkeit hilft, die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber man macht ein Schwein nicht allein dadurch fett, dass man es wiegt. Die Zahlenhörigkeit mancher Führungsgremien ist wirklich abstrus. Erschreckend oft wird ganz fanatisch das Falsche getan – Hauptsache, es kann gemessen werden. Doch Technokraten und Kennziffernfreaks übersehen leicht, dass das eigentlich Wichtige nicht in Zahlenkolonnen passiert, sondern an den Touchpoints zwischen Mitarbeiter, Unternehmen und Kunde.

Adblocker sind Notwehr

Mit Werbung, wie wir sie heute noch ertragen müssen, ist es bald vorbei. „Künftige Historiker werden das Jahr 2020 als das Jahr identifizieren, in dem die Reklame ihr Leben aushauchte“, prophezeit der branchenkritische Werbemann Thomas Koch. Und warum? „Zwanzig Jahre Onlinewerbung haben die ganze Zunft in Verruf gebracht – und unsere Zielgruppen zu Werbehassern gemacht.“ Irgendwelche oberschlauen Anbieter haben den flüchtenden Kunden immer gemeinere Fallen gestellt. Und die Werber, stumpf für die Belange der User, haben sich dafür bezahlen lassen.

Aus reiner Notwehr haben immer mehr Leute Adblocker im Einsatz. Und schwups gibt es Programme, die Adblocker blockieren wollen. Manche kapieren‘s wohl nie. Wer seinen Kunden Gewalt antut, wird kaum an deren Geldscheine gelangen. Neue Formen der Kundenansprache werden also gebraucht. Und die Lösung ist einfach: Es sind Gespräche, die wie echte Gespräche klingen. Von Mensch zu Mensch. Auf Augenhöhe. Und diese werden nur dann geführt, wenn der andere dies auch tatsächlich will. Was für Gespräche das sind? Empfehlungsgespräche.

Empfehlungsmarketing: Aufgabe des gesamten Unternehmens

Wer entscheidet fortan darüber, ob neue Kunden kommen und kaufen? Es sind nicht länger die Anbieter mit ihrer lästigen Werbung, sondern es sind begeisterte Kunden, die ihre Erfahrungen mit anderen teilen. Eine Obsession für Kundenbelange ist deshalb ein Muss. Organisationen können auf Dauer nur dann überleben, wenn die Kunden sie lieben und allen erzählen, warum das so ist. Das systematische Schaffen von guten Empfehlungsgründen ist demnach eine Daueraufgabe des gesamten Unternehmens. An jedem Touchpoint ist also sicherzustellen,

  • dass das, was dort passiert, empfehlenswert ist, und
  • dass passende Empfehlungselemente eingebaut werden.

Das bedeutet konkret: Alle unternehmerischen Maßnahmen müssen so gestaltet werden, dass sie ihren Beitrag zu einer positiven Mundpropaganda leisten. Die neuen Sales- und Marketingvorgaben lauten danach wie folgt:

  • Entwickle die Kunden, die schon da sind, bis zum Empfehler weiter!
  • Mach die, die nicht Kunde werden (können), zu Mundpropagandisten!

Zu diesem Zweck benötigt man eine glasklare Positionierung mit eUSP, also emotionalisierenden Alleinstellungsmerkmalen. Sodann braucht es „Ideenfunken“ und „Sternenstaub“, das sind emotionalisierende Begeisterungsideen. Schließlich sind Kommunikationsinhalte von Belang, die so sehr faszinieren, dass die Menschen sie freiwillig weiterverbreiten. Shareability steht dabei im Fokus.

Shared und Earned Media spielen kaufentscheidende Rolle

Banner sind völlig uninteressant. Shared und Earned Media spielen heute die kaufentscheidende Rolle. Denn anschaffungswillige Kunden steuern vorzugsweise die webbasierten O-Töne Dritter an. Die größte Zahl aller Kaufvorentscheidungen fällt heute auf diese Weise. Dabei spielen Meinungsportale, User-Foren, Reviews, Testberichte, Blogbeiträge, Presseartikel, Mundpropaganda und Weiterempfehlungen eine zunehmend wichtige Rolle. Google spricht hierbei von den „Zero Moments of Truth“ (ZMOT).

Zero Moments of Truth erzählen von den Bewährungsproben, die ein Anbieter bei anderen Kunden bereits erfolgreich gemeistert hat – oder auch nicht. Hierbei greifen Interessenten auf durchschnittlich mehr als zehn Webinhalte zu, bevor sie eine Entscheidung treffen. Suchmaschinen werden so zu Verbindungsmaschinen, die helfen, das Gute vom Schlechten zu trennen. Und zu diesen gesellen sich am Ende noch diverse Offline-Influencer, also Experten aus dem eigenen Umfeld, die wir befragen. Und deren Meinung folgen wir dann meist nahezu blind.

Die Autorin: Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum. Ihr jüngstes Buch heißt „Das neue Empfehlungsmarketing“. www.anneschueller.de