Authentizität: Diese Lücken müssen Marken schließen

Eine aktuelle Studie hat Unternehmensmarken und ihre Fähigkeit, die Verbraucherwartungen zu erfüllen, untersucht. Dabei zeigt sich, dass hier erhebliche Optimierungspotenziale bestehen – in den Schlüsselbereichen Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung ebenso wir beim konkreten Mehrwert für die Kunden.
Die Mehrheit der Verbraucher ist davon überzeugt, dass insbesondere jene Unternehmen glaubwürdiger sind, die nicht nur über ihre eigenen Produkte und Leistungen sprechen, sondern auch über ihr Engagement für Gesellschaft und Umwelt. (© Unsplash/Alex Radelich)

Die Kommunikationsberatung Fleishman Hillard hat in fünf Märkten und zu 300 Unternehmen eine Studie mit dem Titel „Authenticity Gap 2021“ durchgeführt. Diese zeigt vor allem, dass Marken die Lücke zwischen ihren Versprechen und ihrem tatsächlichen Verhalten schließen müssen – und wo aus Verbrauchersicht der dringendste Handlungsbedarf besteht.

Gesellschaftlicher Beitrag als Reputationstreiber

Die Mehrheit der Verbraucher (54 Prozent) ist davon überzeugt, dass insbesondere jene Unternehmen glaubwürdiger sind, die nicht nur über ihre eigenen Produkte und Leistungen sprechen, sondern auch über ihr Engagement für Gesellschaft und Umwelt.

Der gesellschaftliche Beitrag von Unternehmen wird als Reputationstreiber im Sinne von Environmental Social Responsibility (ESG) immer wichtiger. In den vergangenen vier Jahren stiegen die Erwartungen der Verbraucher in Deutschland diesbezüglich laut Fleishman Hillard um insgesamt zehn Prozentpunkte – drei Prozentpunkte mehr als im internationalen Durchschnitt.

Unternehmen sollen zum Klimaschutz beitragen

Vor allem beim Umweltschutz sind die deutschen Verbraucher laut der Studie besonders anspruchsvoll. Im internationalen Vergleich mit Brasilien, China, Großbritannien und den USA bewerten Verbraucher in Deutschland Unternehmen am kritischsten:

  • Drei von vier Verbrauchern (74 Prozent) fordern, dass Unternehmen in ihrem Wirken Umwelt und Klima schützen sollten.
  • Jedoch entsprechen 75 Prozent der in Deutschland untersuchten Branchen nicht den Kundenerwartungen – vor allem die Energiebranche.

Marken enttäuschen Erwartungen

Geht man nach den Ergebnissen der Studie „Authenticity Gap 2021“ haben Unternehmen in Deutschland auch in weiteren Dimensionen der Reputation Nachholbedarf – ob beim Umgang mit den eigenen Mitarbeitern oder der Innovationskraft: 

  • Im Hinblick auf den Mehrwert für die Kunden erfüllen 80 Prozent der in Deutschland untersuchten Branchen die Erwartungen nicht. Das gilt insbesondere für den Bankensektor – er weist den größten „Authenticity Gap“ auf.
  • Über alle Branchen hinweg erwarten die Verbraucher neue innovative Lösungen. Dieser Erwartung entsprechen jedoch nur 40 Prozent der Unternehmen. Insbesondere bei der Pharmaindustrie gehen Erwartungen und Wirklichkeit deutlich auseinander.
  • In 45 Prozent der Branchen kann das Management nicht damit überzeugen, eine Vorbildfunktion zu übernehmen und ethisch zu handeln (das Richtige zu tun). Im Sektor Biotechnologie ist der Gap am größten.

„Angesichts der zunehmenden Polarisierung der öffentlichen Debatte sollten sich Unternehmen über die Bedeutung ihrer gesellschaftlichen Rolle und Verantwortung als einen wesentlichen Treiber ihres Geschäftserfolges klar werden“, sagt sagt Hanning Kempe, CEO von FleishmanHillard Deutschland. Der kritische Dialog mit allen Stakeholdern über deren Erwartungen sei dabei von entscheidender Bedeutung. Kempe sagt: „Die Zeiten des geschliffenen Marketingsprechs sind in diesem Bereich endgültig vorbei. Was zählt sind authentische Inhalte, getragen von authentischen Personen. Der Unternehmensführung und insbesondere dem CEO kommt dabei eine wesentliche Rolle zu.“

Handeln statt Reden

Von Unternehmen wird erwartet, als gesellschaftlicher Akteur nicht nur Teil der Diskussion, sondern auch Teil der Lösung zu sein. Neben Klima- und Umweltschutz sind es vor allem soziale Themen, die Verbrauchern wichtig sind.

  • Fast Drei Viertel der Verbraucher (71 Prozent) wünschen sich ein vielfältigeres, gleichberechtigteres und inklusiveres Arbeitsumfeld.
  • Mehr als die Hälfte der Verbraucher (56 Prozent) sind der Meinung, Unternehmen sollten ihre Maßnahmen für Datenschutz und Datensicherheit aktiv kommunizieren. Nur 32 Prozent sind damit einverstanden, dass Unternehmen ihre Daten für einen bequemeren Einkauf und eine stärkere Personalisierung sammeln. 

Jedoch erwarten Verbraucher offenbar nicht von Marken, dass sie zu allen Themen Stellung beziehen, die ihnen wichtig sind.

  • Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung (83 Prozent), gute und bezahlbare Bildung (80 Prozent) und Armutsbekämpfung (73 Prozent) sind soziale Themen, die über sieben von zehn Verbrauchern wichtig sind. 
  • Die Einforderung von Freiheitsrechten wie Meinungsfreiheit (79 Prozent) und der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen (77 Prozent), Rassismus und Diskriminierung (68 Prozent) sind genauso wichtig.
  • Jedoch erwarten weniger als vier von zehn Verbraucher in Deutschland hier konkrete Taten von Unternehmen.
  • Verbraucher in Großbritannien und Brasilien hingegen stellen höhere Erwartungen an Unternehmen, zu sozialen Themen und Freiheitsrechten Farbe zu bekennen. 

„Die Zeit der Absichtserklärungen ist vorbei. Unternehmen und Marken werden nach ihrem Handeln bewertet, nicht mehr nur nach ihren Worten“, sagt Uwe Schubert, Strategiechef von Fleishman Hillard Deutschland. Deshalb sei es wichtig, „dass Unternehmen ihren eigenen Handlungskorridor definieren. Denn es geht nicht darum, bei allen gesellschaftlichen Themen mitzureden – sondern genau dort, wo das Wirken nah am Unternehmenszweck ansetzt. So schafft man authentisch Reputation.“

CEOs sollen Stellung beziehen

Die Erwartungen der Verbraucher und Verbraucherinnen in Deutschland richten sich jedoch nicht nur an die Unternehmen. Die Mehrheit wünscht sich auch von Führungskräften eine authentische Haltung zu wichtigen politischen und gesellschaftlichen Themen.

  • Zwei Drittel (66 Prozent) sind der Meinung, dass CEOs zu Umweltthemen und politischen Veränderungen aktiv Stellung beziehen sollten.
  • Knapp zwei Drittel (63 Prozent) der Verbraucher wollen, dass sich Führungskräfte für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion stark machen – intern wie extern.
  • Allerdings erwarten nur knapp die Hälfte der Verbraucher in Deutschland, dass CEOs aktiv auf die Regierungspolitik einwirken (45 Prozent). In den USA liegt die Zustimmung leicht höher (49 Prozent). In China (75 Prozent) und Brasilen (82 Prozent) liegen die Erwartungen diesbezüglich auf deutlich höherem Niveau.

Über die „Authenticity Gap“-Studie

Die „Authenticity Gap“-Studie ist eine zweijährliche Umfrage von Fleishman Hillard zum Thema Authentizität. Die Erhebung untersucht die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Verbraucher und ihren tatsächlichen Erfahrungen mit einem Unternehmen oder einer Marke anhand der Neun Treiber der Authentizität.

Die „Authenticity Gap“-Studie 2021 wurde von True Global Intelligence, der internen Forschungsabteilung von Fleishman Hillard, durchgeführt. Die Online-Umfrage umfasste insgesamt 10.285 sogenannte „informed Consumers“ in Brasilien, China, Deutschland, Großbritannien und den USA im Alter von 18 Jahren und älter. „Informed Consumers“ wurden dabei definiert als Personen, die sich für eine der 20 Branchen interessieren, die in der Studie untersucht wurden. Die Umfrage wurde zwischen dem 2. März und dem 16. April 2021 online durchgeführt.

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.