Auf nach China! Aber wie?

Der chinesische Markt wächst rasant. Westliche Marken wollen dabei sein. Die Strategie allerdings muss man sich gut überlegen.

Es war der Vergleich mit Hotel California, der den Saal zum Raunen brachte. „You can checkout any time you like, but you can never leave”, zitierte Jeff Kwek aus dem berühmten Song der Eagles. Er bezog die Zeile auf WeChat, die wohl bekannteste App seines Arbeitgebers Tencent – die eben viel mehr als eine App: ein Kosmos, eine digitale Rundumversorgung, die den Nutzer nicht mehr loslässt. Von Messaging wie Whatsapp, Streaming wie Spotify und Netflix bis zum mobilen Zahlungsservice Wechat Pay. Kwek: „Wir bauen ein Ökosystem auf, dessen Dienste bruchlos ineinandergreifen.“ Für westliche Unternehmen die in China Geschäfte machen wollen, gilt eine Präsenz auf WeChat als Schlüssel zum Erfolg – auch zum Verkaufserfolg.

„Alles dreht sich um conversion, conversion, conversion“,

Der Markenchef von Tencent war der Stargast der „Roadshow China Insights“, veranstaltet von der Münchner Agenturgruppe Serviceplan. Mit einer Marktkapitalisierung von über 500 Milliarden Dollar gehört der in Shenzhen beheimatete Tech-Riese zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. In China beherrschen sie zusammen mit Konkurrent Alibaba und der Suchmaschine Baidu das Online-Geschehen: Rund Dreiviertel der mobilen Internetnutzung entfällt auf die Dienste der großen Drei. Und 72 Prozent der 753 Millionen chinesischen mobilen Internetnutzer zahlen mit Wechat Pay und Alipay. „Alles dreht sich um conversion, conversion, conversion“, sagte Kwek.

Wer in China erfolgreich sein will, braucht aber auch die richtige Expansionsstrategie. Eine Anpassung des Markenauftritts sei in den meisten Fällen unverzichtbar, empfahl Nikolas Schaffmeister, Geschäftsführer der Managementberatung Globeone. Verstehen, wie die eigene Marke in China wahrgenommen wird. Lokale Werte wie Nationalstolz, Kollektivismus, Prestigedenken bei der Promotion einbeziehen. Gelungen: eine VW-Kampagne, die den Stellenwert der Familie, auch der „kleinen Kaiser“, und der Großeltern integriert. Das größte Problem aber besteht laut Schaffmeister darin, dass Deutsche den Bekanntheitsgrad ihrer Marke überschätzen. „Sie müssen kommunizieren und die eigene Story erzählen“ – wenngleich anders als zuhause. „Gleichzeitig konsistent und flexibel sein“, rät Marcus Schnarr, CMO Serviceplan International.

2,8 Millionen Ingenieure – 50 000 Patente – 167 Supercomputer

Zwar haben westliche Brands nach wie vor einen hohen Status, chinesische Marken holen aber auf. Umfragen zufolge finden es 64 Prozent der Chinesen wichtig, lokale Marken zu kaufen. Das Land, bekannt für seinen Imitationsgeist, wird zunehmend zur Brutstätte von Innovation. Hersteller wie BYD (Elektro-Autos), DJ1 (Dronen) oder Sense Time (Künstliche Intelligenz) beginnen das Image zu prägen. Rund 2,8 Millionen Ingenieure verlassen jedes Jahr die Hochschulen, fast 50 000 Patente wurden 2017 angemeldet, es gibt 167 Supercomputer – mehr als in den USA.

Shenzhen, die 13-Millionen-Einwohner-Stadt, die vor 40 Jahren noch ein Fischerdorf war, wird heute als Silicon Valley East bezeichnet. Jeder siebte Erwachsene sei an einer Firma beteiligt, sagte Inge Kerkloh-Devif, Geschäftsführerin Global Business Development der französischen Business School HEC Paris. Das Bruttoinlandsprodukt der Region liegt pro Kopf höher als das von Deutschland. „Es ist ein Epizentrum der High-Tech-Szene“. Deshalb gründet die Eliteschule dort jetzt ein Innovationszentrum.

Ein steiniger Weg

Volker Krass hingegen hat sich Shanghai als Standort ausgesucht. Der Bayer versucht, die in Deutschland 1969 eingestellte Biermarke Brander Urstoff in China wiederzubeleben. Hefe, Hopfen und Malz importiert er aus Deutschland, braut vor Ort mit chinesischem Wasser. Wegen des Misstrauens, das Chinesen gegen heimische Lebensmittel hegen, keine ganz einfache Strategie, weshalb Krass im Marketing den deutschen Ursprung des Bieres hervorhebt. Das größte Problem aber ist der Vertrieb. Distributoren weigerten sich anfangs, eine völlig unbekannte Marke ins Programm zu nehmen. Also musste Krass zunächst für Bekanntheit sorgen – auf Messen, mit Influencern, auf WeChat. Heute, nach zwei Jahren, gibt es Brander Urstoff in 40 Hotels, 70 Bars, 40 Restaurants und 54 Supermärkten. „Es dauert länger und kostet viel mehr, als wir anfangs gedacht haben“, sagt Krass über sein China-Abenteuer. „Wenn wir Glück haben, sind wir am Ende aber auch sehr erfolgreich.“

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.