Andreas Groke von Videobeat: „Content is king, seeding is queen und die hat die Hosen an“

Mit der Fragmentierung der Touchpoints steigt auch der Bedarf, die Inhalte an die Nutzungsgewohnheiten auf den jeweiligen Plattformen anzupassen. Das gilt vor allem für das Thema Video. Doch mit einem guten Video allein ist es nicht getan, es braucht auch Vermarktung dazu, meint Andreas Groke, Geschäftsführer bei Videobeat, im Interview mit der absatzwirtschaft
Andreas Groke berichtet über die Content-Flut

Es gibt Statistiken die besagen, dass inzwischen mehr Video produziert wird, als theoretisch von allen Nutzern gesehen werden kann. Ersticken wir in einer Content-Flut?

 ANDREAS GROKE: Mit Sicherheit existiert so etwas wie eine Content-Flut. Inzwischen werden ja auch immer mehr Marken zu Medienhäusern und verbreiten nicht mehr nur einfache und kurze Werbebotschaften sondern auch längere Stücke, HowTo-Videos, Making-Of-Filme und so weiter. Aber im Grunde ist das eigentlich kein Problem, so lange der User den für ihn wichtigen Content findet. Das wird von vielen leider übersehen. Selbst 2016 gibt es noch Produzenten, die meinen, wenn man ein gutes Video macht und es in seinem eigenen Kanal auf YouTube platziert, dann wird das schon gefunden. Das ist ein Trugschluss.

Sie meinen, die Marketer legen zu viel Wert auf die Content-Produktion und vergessen die Verbreitung?

Genau. Content is king, seeding is queen und die hat die Hosen an. Viele Marketer haben keine klare Strategie für das Seeding. Die können manchmal nicht differenzieren, ob man bei einer PreRoll-Schaltung eher auf „skippable“ setzt, dem User also das Überspringen der Werbung ermöglicht, oder ob man klassisch non-skippable vorschaltet.

Wann macht man was?

Die Faustregel lautet: Um skippable zu nutzen brauche ich ein Format, dass so neugierig macht, dass die User freiwillig dran bleiben oder dass sie sogar selbst aktiv werden und klicken. Es ist ein Trugschluss zu glauben, man bezahle nur die Performance. Man bezahlt vor allem auch die schlechte Performance. Wird das skippable Video häufig übersprungen, erhöht YouTube den Preis. Im Durschnitt kostet der View bei „skippable“ zwischen vier und sieben Cent, wenn es nicht überspringbar ist zwischen ein und zwei Cent. Auch wenn ich es nicht für eine gute Idee halte: Wer nur seinen TV-Spot bei Youtube schalten möchte, sollte in den meisten Fällen non-skippable schalten. Reine Abverkaufswerbung, etwa der Fernseher für 499 bei Mediamarkt, gehören auch dazu. Längere Werbevideos mit einer Story passen meistens eher zu „skippable“. Übrigens ist die View-Rate bei skippable ein sehr guter Qualitätsindikator für das Video.

Gehören zum Seeding auch Bezahlformate auf anderen Plattformen wie Facebook oder Instagram?

Definitiv. Alle Formate die das Potential für organische Views haben zählen erstmal dazu. Eine gute Seeding-Strategie legt ein Großteil der Investition auf den Anfang, denn sobald das Video eine gewisse Reichweite erreicht hat, steigen häufig die organischen Views durch Kommentare, Shares, Likes und direkte Empfehlung. Mehr Shares führen zu mehr Shares. Aber nochmal: Das funktioniert nur, wenn das Video gut ist und zum Werbeformat und der Plattform passt. Einer lahmen Ente wird auch Seeding nicht unter die Flügel greifen können.

Würde man in dieser Frühphase auch Influencer-Marketing einsetzen?

Influencer Marketing kann da helfen, aber die richtige Strategie ist wichtig. Hier muss unterschieden werden ob ein Influencer als Testimonial eingesetzt wird oder die Reichweite der eigenen Videos steigern soll. Das sind zwei verschiedene Ansätze. Wenn ich einen Influencer als Testimonial in meinen Videos einsetze, bringt mir das erstmal nicht unbedingt mehr Reichweite. Das wird oft falsch gemacht. Wenn eine Marke auf Reichweite setzen möchte, geht es um die Follower des Influencers, nicht um ihn selbst als Testimonial. Dann ist es häufig effektiver und günstiger den Influencer mittels Shoutouts für die Verbreitung des eigenen Contents zu nutzen, anstatt selbst mit ihm Videos zu drehen. Im Übrigen zeigen Studien, dass Influencer Marketing im Videobereich, also mit YouTubern, deutlich teurer ist als mit Bloggern und Meinungsführern auf Facebook, Instagram, Twitter usw. Wenn ich also mein Video bekannt machen und mehr Reichweite erzielen möchte, muss das mittels Influencer Marketing nicht zwangsläufig auf YouTube stattfinden. Jeder YouTuber bedient mindestens noch ein weiteres Social Network.

Setzen Ihre Kunden auf den unterschiedlichen Kanälen inzwischen auch unterschiedliche Videos ein?

Ja, das kommt immer mehr. Zumindest sind die Filme anders geschnitten, haben eher ein Teaser-Format im Vergleich zum Original. Die Marken die erkannt haben wie viel besser der Impact einer Video-Kampagne ist, die mit unterschiedlichen Schnitt- und Story-Versionen die verschiedenen Ad-Formate und Plattformen bedient, sind klar im Vorteil und das nicht nur, weil die Kampagnen effektiver sind, sondern auch im direkten Vergleich während dem auktionsbasierten Mediaeinkauf. Für den gleichen Werbeplatz zahlt die Marke, deren Video besser zum Adformat und der Plattformt passt weniger und gewinnt die Auktion! Das muss allerdings schon vor der Produktion bedacht werden, man kann zwar später durch das Umschneiden von bestehenden Spots noch was rausholen, so gut performen wie ein Konzept das von Anfang an darauf ausgelegt war wird das aber nie.

Das klingt nach einer sehr komplexen und zeitintensiven Produktion.

Es geht. Das meiste ist inzwischen gelernt. Der steigenden Komplexität auf der Seite der Formate steht eine Verringerung der Komplexität in Sachen Produktionstechnik und Realisierung gegenüber. Was komplexer geworden ist, ist die strategische Planung. Man sollte im Vorfeld sehr genau analysieren, wo die Filme in welcher Form laufen sollen. Dann tut man sich in der Produktion deutlich leichter.

Außerdem sprechen wir hier ja nicht davon drei unterschiedliche Konzepte, an verschiedenen Orten immer mit anderen Schauspielern zu drehen. Die Kunst ist, ein Konzept so zu erarbeiten, dass durch einen Dreh und eine smarte Postproduktion mehrere, den Plattformen angepasste Spots entstehen. Da unterscheiden sich Kosten und Zeitaufwand meist nicht von der „klassischen“ Produktion, aber die Kampagne wird deutlich besser laufen. Und was das Seeding angeht: Da kann uns Automatisierung inzwischen ganz gut helfen, den Aufwand im Griff zu behalten.

Indem Sie Video-Inhalte über programmatische Schnittstellen ausspielen …

Genau. Das Inventar wird auch für Video hier inzwischen immer breiter, da muss ich das Targeting nicht von Hand machen oder gar im Direktverkauf aushandeln. Das regelt die Software.

Apropos Targeting: Sie haben mit einer Video-Retargeting-Kampagne soeben den European Performance Marketing Award gewonnen. Wie aufwändig war die?

Na das war schon eine Menge Content. Wir haben über 200 Videos produziert und auf einzelne Filter-Parameter zugespitzt, die der User vorher bei Hometogo (Ferienhausvermieter, die Red.) eingegeben hatte. Wenn er also in Spanien ein Domizil sucht, bei dem er Haustiere mitnehmen kann, spricht ihn das Retargeting-Video exakt darauf an. Auf den ersten Blick ist das sogar etwas spooky, da es aber sehr sympathisch rüberkommt, akzeptieren die Nutzer den Ansatz. Hier haben wir in der Produktion getrennt zwischen den Bereichen, die personalisiert werden sollten und solchen, die generisch bleiben konnten. Wir haben also keineswegs über 200 einzelne Clips gedreht sondern immer nur den Targeting-Kern in einzelnen Takes gedreht. Der Rest war Post-Production – der Dreh selbst dauerte tatsächlich nur zwei Tage.

Hometogo war ein Testcase. Hat schon ein zahlender Kunde nach dem Format gefragt?

Auf jeden Fall. Wir sind in der Tat mitten in der Produktion bei mehreren Kunden, für die wir einen ähnlichen Ansatz realisieren. Video-Remarketing funktioniert unfassbar gut und – auch wenn viele Marketer das immer trennen – zahlen solche Kampagnen sowohl auf Performance, als auch auf Branding Ziele ein. Der nächste Schritt ist Video-Remarketing skalierbar zu machen. Ohne zu viel verraten zu wollen arbeiten wir im Moment mit unseren Kunden an einem Video-Remarketing Konzept, das Marken die Möglichkeit geben wird eben das zu tun: Wir retargeten die Zuschauer nicht mehr basierend auf Website Visits, sondern produzieren mehrere Videos in einem Trichtermodel. Zuerst zeigen wir einer größeren Zielgruppe einen Spot der mehr auf Markenbekanntheit und Loyalität, also Marken-Metriken einzahlt. Denjenigen die dieses Video gerne gesehen haben zeigen wir produktspezifischere Spots, die eher Performanceziele haben. Das lässt sich sehr gut skalieren und eignet sich besonders für Marken, die Reichweiten- und Performanceziele haben.