„Am Ende steht Aufmerksamkeit, was bei AIDA am Anfang steht“

Jeder im Marketing kennt AIDA, die seit Jahrzehnten immer wieder kursierende Anleitung zu Attention, Interest, Desire und Action. Im Gespräch mit absatzwirtschaft-online erklärt Alexander Luckow, Partner bei Brandcreation, wie Marketeers heute differenzieren.

Foto: Alexander Luckow ist Partner bei Brandcreation in Wien, Berlin und Hamburg

Herr Luckow, wer sich mit Kommunikation und Werbung befasst, stößt auch heute noch auf das Modell AIDA: Attention, Interest, Desire, Action. Kann uns die Formel noch etwas sagen?

ALEXANDER LUCKOW: Viele Konzepte in der Werbe- und Marketing-Theorie, die unverändert gelehrt werden, sind erstaunlich alt. Die klassische Werbepsychologie hat ihre Grundlagen in der ersten Dekade des letzten Jahrhunderts. In erster Linie mit Walter Dill Scott. AIDA wird allgemein auf 1898 datiert – und das ist nun schon über hundert Jahre her.

Dann lassen Sie uns die Formel überprüfen. Ist AIDA seit den 50ern, seit Beginn unseres heutigen Markenverständnisses passé?

LUCKOW: Zumindest nicht ganz frisch. Die Märkte und Bedingungen waren damals wirklich andere. Im Grunde ist das eine Formel für das klassische Verkaufsgespräch – den Hard Sale. Wann kommt es noch vor, dass jemand an ihrer Tür klingelt, um ihnen einen Staubsauger zu verkaufen? Sagen wir, die Formel ist unvollständig, und zu formelhaft. Aber gerade wegen seiner Formelhaftigkeit war sie wohl so erfolgreich. Alles erscheint dadurch plötzlich wunderbar einfach.

Aktuelle Forschungen auf dem Gebiet der Neurobiologie legen ein differenzierteres Bild nah als mit AIDA beschrieben. Liegt es auch daran, dass wir die Formel heute neu bewerten?

LUCKOW: Die Erkenntnisse der Neurobiologie zu diesen Themen sind sicher essentiell, insbesondere weil sie das Wissen, das bis dato nur empirisch und intuitiv war, belegen. In der Gehirnforschung geht man heute davon aus, dass man nur wahrnimmt, was relevant ist, – ein weitgehend unbewusster und gefühlsmäßig gesteuerter Prozess. Wir nehmen also nicht wahr und entscheiden dann, ob uns etwas wichtig ist, sondern Wahrnehmung und Bewertung sind ein und derselbe Prozess.

Was heißt das für das Marketing?

LUCKOW: Das heißt, wir haben unsere Entscheidungen schon weitgehend getroffen, noch bevor Bewusstsein und Ratio in Aktion treten. Daher muss alles Mitgeteilte eine für die Adressaten maßgeschneiderte, emotional relevante Konnotation besitzen. Marken sind demnach Konnotationsräume, die spezifische Gemütszustände auslösen. Mit Gemütszuständen sind hier nicht nur Basisemotionen wie Wut, Freude, Traue et cetera gemeint, es geht vor allem um kulturell konditionierte und mentale Zustände und Zuschreibungen. Auffallen allein reicht nicht. Die Gefühle, die ich auslöse, müssen förderlich für den Markenbau sein.

Wie fließen solche Erkenntnisse in die tägliche Arbeit einer Agentur wie Brandcreation ein?

LUCKOW: In Zusammenarbeit mit der Universität Wien haben wir auf Basis dieser Erkenntnisse ein neues Modell formuliert. Dabei wird der Gemütszustand, mit dem eine Marke langfristig konnotiert sein soll, definiert. Anschließen arbeiten wir alle wichtigen Berührungspunkte mit der Marke heraus, und zwar für alle relevanten sensorischen Ebenen: Erscheinung, Sprache, Klang, und so weiter. Ein grundlegender Bestandteil des Modells ist die ARIA Formel, die das AIDA Modell zeitgemäß ergänzt.

Und wofür steht ARIA?

LUCKOW: Für Appearance, Relevanz, Information, Attention. Also, zunächst müssen uns die Dinge erscheinen. Wie jedes physische Objekt muss auch etwas nicht fassbares wie eine Marke leibhaftig werden. Sie muss sich darstellen, damit wir sie überhaupt erleben können. Und zwar eindeutig und wiedererkennbar.

Das ist offenbar der Faktor Appearance. Wie geht es weiter?

LUCKOW: Die Erscheinung muss einen emotionale relevanten Impuls bei den Betrachtern auslösen damit sie den oben beschriebenen weitgehend unbewussten Selektions- und Bewertungsprozess durchlebt und nicht als unmaßgeblich ausgesondert wird. Sollten die Impulse Bestand haben, werden sie auf höherer Ebenen mit weiteren „Daten“ wie Erinnerungen und Erfahrungen abgestimmt und sozusagen „in Form gebracht“ oder verbegrifflicht. Sie werden zu bewusst erfassbaren Informationen. Erst dann schenken wir den Dingen Aufmerksamkeit – also die „Attention“ die am Anfang der AIDA Formel steht.

Das Gespräch führte Irmtrud Munkelt

Alexander Luckow ist Partner bei Brandcreation in Wien, Berlin und Hamburg