Adobe Europakonferenz: Kreation und Marketing wachsen zusammen

Auf der diesjährigen Europa-Konferenz der Digital Business Unit von Adobe präsentierte der Softwareriese erste Ausblicke auf eine tiefgreifende Prozessintegration zwischen Kreativ-Agentur und der Marketing-Abteilung der Kunden. Die große Frage lautet: Sind die Marktteilnehmer reif dafür?

aus London Frank Puscher

„Digitales Marketing und die Kampagnen-Kreation müssen enger zusammenwachsen“, meint Brad Rencher. Der Senior Vice President von Adobe verantwortet die Geschäfte des Bereichs Digital Business. Unter diesem Dach subsummiert der Softwareriese alles, was nicht Photoshop, InDesign oder Dreamweaver heißt. „Tatsächlich werden wir in zehn Tagen in Los Angeles den Kreativen das Gleiche erzählen“.

In der eröffnenden Keynote zum Adobe Emea Summit, mit 2500 Teilnehmern einer der größten Veranstaltungen im Onlinemarketing in Europa, präsentierte Rencher ein neues Bild von Adobe, eines, das die Branche in Bewegung setzen wird. Seit der Übernahme vom Webanalysespezialisten Omniture vor dreieinhalb Jahren rätselte die Branche darüber, ob sich innerhalb des Unternehmens die gänzlich unterschiedlichen Kulturen und Produkte zu Synergien verbinden ließen und ob es auf Dauer sogar eine Integration der Publishing-Tools und der Marketing-Werkzeuge geben könnte. Inzwischen scheint Adobe einen Weg gefunden zu haben. Angesichts der Präsentation in London scheint es ein überzeugender Weg zu sein.

Workflow-Software und ein internes Facebook

Rencher begann seine Präsentation mit der Skizze eines Szenarios. Der Marketing-Manager eines beliebigen Unternehmens bekommt durch sein Webanalysesystem einen Alarm, dass die Besuchsfrequenz der Website stark gestiegen, gleichzeitig die Conversionrate aber drastisch gefallen sei. Der fiktive Marketing-Manager identifizierte eine neue Zielgruppe, die zwar in der werblichen Ansprache erreicht, aber auf der Website dann thematisch nicht abgeholt wurde und folglich das Weite suchte. Neue Landing Pages müssen her die genau die Bedürfnisse dieser neuen Zielgruppe bedienen.

An dieser Stelle öffnete Rencher den Kontozugang zur Marketing Cloud. Die Startseite zeigte ein signifikant anderes Bild als früher. Neben den üblichen Statistken über die Leistung verschiedener Kampagnen präsentierte sich ein Facebook-ähnlicher Nachrichtenfeed als kommunikative Steuerzentrale. In diesem Feed legte der fiktive Marketingleiter ein neues Thema an und lud eine Reihe von Mitarbeitern ein, sich daran zu beteiligen.

Die erste Anfrage richtete sich an die externe Kreativagentur mit der Bitte um Anpassung bestehender Werbemittel an die neue Zielgruppe. Die eingeladene und ebenfalls fiktive Kreativdirektorin loggt sich ihrerseits in ihr Konto bei der Creative Cloud ein und sah in ihrem Newsfeed die Nachricht des Kunden. Fortan arbeiteten beide direkt in ihren Cloudsgementen und stimmten die neue Kampagne live ab. Photoshop-Dateien aus der Kreativagentur rechnete das System live in Vorschaubilder um, so dass der Marketingmanager sie begutachten konnte, ohne Photoshop installieren zu müssen. Mit Kommentarwerkzeugen, wie man sie aus Acrobat kennt, ergänzte und modifizierte er die Kreation. Die Agentur änderte die Daten in Echtzeit.

Abbildung 1: So soll die Innovation aussehen: Ein Facebook-ähnliches Kommunikationswerkzeug steuert den Prozessablauf über beide Clouds (Creative und Marketing) hinweg

Was auf den ersten Blick banal wirkt, könnte für die Prozesse zur Kampagnenoptimierung eine durchgreifende Wirkung haben. Die eingezogene Kommunikationsebene kann den Aufwand zur Abstimmung zwischen Agentur und Marketing deutlich verringern. Noch spannender wird der Prozess danach. Auf demselben Weg läuft die neue Kampagne durch alle Stufen des digitalen Veröffentlichungsprozesses. Die Zielgruppe wird gesucht, die entsprechenden Plattformen gefunden und schließlich geht es ans Veröffentlichen. Stets sehen die jeweils Verantwortlichen den gleichen Kampagnen-Feed, können aber von dort jeweils in die eigenen Tools zur Webanalyse oder in Richtung Social Media abzweigen und das Konzept ausbauen, bzw. vervollständigen.

Beim Thema Social Media erntete Brad Rencher staunende Anerkennung vom Publikum. Erstmals präsentierte er ein Simulationsmodul, dass dem Anwender eine Einschätzung ermöglicht, wie eine Veröffentlichung auf Facebook oder Twitter wirken würde. Wirken im Sinne von sozialer Interaktion aber auch wirken im Hinblick auf Leadgenerierung und Verkäufe. Die Anwendung fühlte sich sogar bemüßigt, dem Autor eine spätere Veröffentlichungszeit vorzuschlagen, wo die Wirkung höher sein würde.

Noch Fragen?

Erstmals ist Adobe in der Lage sehr klar zu zeigen, wie die Integration der beiden Unternehmenssparten und auch weiterer Akquisitionen funktionieren kann. Europa-Präsident Mark Zablan, der erst vor wenigen Monaten zum Unternehmen stieß erinnert sich seiner früheren Rolle als außenstehender Beobachter. „Zuerst dachte ich: Photoshop und Webanalyse? Was zum Teufel soll das“. Inzwischen spricht er von einem Quantensprung.

Noch spart man das Thema Customer Relationship Management bei Adobe aus, wohl wissend, dass mit Unternehmen wie IBM, Oracle oder auch Salesforce hier sehr starke Wettbewerber lauern. Außerdem wird dem Umstand Rechnung gezollt, dass man die Kunden nicht mit der Komplettlösung überfahren will. Sie sollen auf keinen Fall glauben, man müsste auf einen Schlag alle bestehenden Werkzeuge ersetzen.

Hier sitzt die Schwachstelle des Konzepts, für die Adobe freilich nichts kann. Für viele Unternehmen würde eine Implementierung dieses digitalen Grundgerüsts eine Änderung zahlreicher Prozesse bedeuten und das ist teuer, schmerzvoll und oft langwierig. Nicht umsonst umgibt sich die Digital Business Unit derzeit mit sehr starken Integrationspartnern wie Deloitte Digital oder Sapient, die entsprechende Wandlungsprozesse unterstützen können.

Insgesamt präsentierte Adobe in London ein stimmiges Konzept. Es wird spannend sein zu beobachten, wie die Kreativen reagieren, wenn deren Kunden Sie enger an die Kandare nehmen.

Abbildung 2: Mark Zablan (links): „Das Wissen um die Integrationsprozesse lernen wir von großen Kunden, die wir gerade begleiten dürfen“. Brad Rencher (rechts): „Wenn wir selbst keine Lösung entwickeln, akquirieren wir weiter“