11. September 2002: US-Marketeers haben Sendepause

Amerikas Marketingmaschine lief in den Tagen um den 11. September nur mit halber Kraft. Die meisten Vertreter der Werbe- und Markenartikelindustrie waren sich bereits im Vorfeld einig: Schrille TV-Spots, aggressives Direktmarketing und witzige PoS-Promotions wären mit dem landesweiten Gedenken unvereinbar.

Bei der TV-Werbung gab es daher die ganze Woche über deutliche Rückgänge.
Werbevermarkter schätzten die Verluste jener Sender, die ausführlich über die Gedenkfeierlichkeiten und die Ereignisse vor einem Jahr berichteten, auf über 50 Millionen Dollar pro Tag. NBC versuchte, die Verluste mit Sponsoring einzugrenzen. So wurde die Übertragung des „Concert for America“ von Boing gesponsert. Auch ABC hatte einen Sponsor an der Angel, der allerdings wieder absprang, als er hörte, dass er der einzige Sponsor des Senders sei. Die Vorsicht war nicht unbegründet: Eine aktuelle Umfrage ergab, dass 51 Prozent der Amerikaner der Ansicht sind, dass die Marketingbranche am 11. September Sendepause haben sollte, 31 sahen keinen Widerspruch zwischen nationaler Trauer und lauter Promotion.

Eine Branche, die sich besonders zurückhielt, war das Telefonmarketing. In den USA werden jährlich fast 670 Milliarden Dollar Umsatz per Telefonanruf generiert. Am 11. September wurde jedoch kaum ein Amerikaner wegen eines günstigen Telefontarifs, einer neuen Zeitschrift oder einer Krankenversicherung behelligt. „Es ist ein Tag des Innehaltens und Nachdenkens“, sagte Kevin Brosnahan von der American Teleservice Association. Bei Dial American Marketing, dem Branchenprimus, griff am 11. September kein einziger der 8500 Mitarbeiter zum Telefonhörer. Das Unternehmen hatte die Mitarbeiter geschlossen in Urlaub geschickt. „Das ist unsere Art, mit diesem Tag respektvoll umzugehen“, begründete eine Sprecherin den Schritt.

Weniger hochtrabend fiel die Begründung beim Konkurrenten Telemax Teleservices aus: „Respekt hin oder her. Wer an diesem Tag jemanden anruft, wird ohnehin nicht sehr weit kommen.“ Auch Amerikas Handel trug der Trauer Rechnung. Viele Geschäfte öffneten am Mittwoch erst nachmittags, nach den Gedenkfeiern. Andere verzichteten auf allzu aufdringliche PoS-Werbung, hüllten ihre Schaufensterdekoration in Schwarz oder stoppten die Online-Werbung auf ihren E-Commerce-Seiten. Das Unternehmen Pier 1 Imports gab in seinen Filialen in Manhatten weiße Kerzen an die Kunden aus, der Discounter Kmart verteilte US-Flaggen.

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