Zukunftsszenarien: Onlinehandel nimmt weltweit deutlich zu

In zehn Jahren könnten bis zu 40 Prozent des Handels in den Industrieländern online stattfinden. In den Schwellenländern sind bis zu 30 Prozent möglich. Heute macht der E-Commerce dagegen erst acht Prozent des gesamten Handelsvolumens aus. Doch das Kauf- oder Tauschverhalten der Menschen hängt einerseits von globalen ökonomischen Rahmenbedingungen und andererseits von der Innovationskraft der Unternehmen ab.
Z-Punkt The Foresight Company, Deutschland, NRW, Koeln, Anna-Schneider-Steig 2, Holger Glockner, DIRECTOR FORESIGHT CONSULTING

In vier vom Beratungsunternehmen Z_punkt konzipierten und umgesetzten Zukunftsszenarien beschreibt die Studie „Global E-Tailing 2025“, wie die elektronische Einkaufswelt für Verbraucher und Unternehmen rund um den Globus schon bald aussehen könnte. Initiiert und in Auftrag gegeben wurde sie von Deutsche Post DHL. Die unterschiedlichen Zukunftsentwürfe basieren auf einer detaillierten Analyse der wichtigsten Einflussfaktoren – von Energie- und Rohstoffpreisen über technologische, politische und gesellschaftliche Faktoren bis hin zu Handels- und Konsummustern. Zugleich untersuchten Trendscouts Einkaufs- und Logistiktrends in zwölf internationalen Metropolen – darunter New York, London, Sao Paulo, Shanghai und Singapur.

Nächste Welle der digitalen Transformation wird rollen

„Unterschiedliche Szenarien mit den Consumer Insights von Trendscouts zu kombinieren, ist eine neue Methode. Sie ermöglicht auf eine intelligente Weise, Anzeichen einer sich langfristig verändernden Zukunft im Heute zu finden“, sagt Holger Glockner, Mitglied der Geschäftsleitung bei Z_punkt. Alle vier Szenarien würden die Schlussfolgerung zulassen, dass der elektronische Handel an Intensität noch einmal deutlich zunehmen wird – entweder global oder national und regional begrenzt.

Dies ist laut Glockner auch der Tenor einer weiteren Studie, die Z_punkt jüngst veröffentlicht hat: Die Untersuchung „Connected Reality 2025 – Die nächste Welle der digitalen Transformation“ prognostiziert eine „Echtzeit-Ökonomie“, die Lean Production, vernetzte Logistik und kundenindividuelle Massenproduktion zu einem höchst flexiblen und schnell verfügbaren Warenangebot verknüpft. Versandhändler würden zukünftig Produkte auf den begründeten Verdacht hin versenden, dass der Kunde die Ware gerade heute benötigt.

Szenario 1: Interaktive Displays im Straßenbild allgegenwärtig

Das erste Szenario geht davon aus, dass die Handelsunternehmen überwiegend auf einen Multikanalhandel setzen. Die Ladengeschäfte dienen oft nur noch als Showrooms, um den Kunden die Waren erleben zu lassen. Die Menschen können jederzeit einkaufen, über Smartphone, öffentliche Interfaces oder in Showrooms. Convenience ist ein Hauptschlagwort, dies führt zum Beispiel zu zeitnahen Lieferungen an jeden gewünschten Ort. Für den überwiegenden Teil der Menschen bleibt der ausschlaggebende Gesichtspunkt allerdings nach wie vor der günstige Preis.

Vor dem Hintergrund moderater wirtschaftlicher Wachstumsraten hat sich weltweit das Modell der Leistungsgesellschaft verfestigt. Soziale Gegensätze haben in vielen entwickelten Volkswirtschaften, zum Beispiel in Australien oder auch in Frankreich und Großbritannien, zugenommen. Die Technologiefortschritte sind nur moderat.

Szenario 2: Lifestyle-Communitys prägen den E-Commerce

Ein zweites Szenario beschreibt eine Welt, in der es im globalen Maßstab eine kaufkräftige Mittelschicht gibt. Die Menschen streben nach individuellen Lebensformen und Selbstverwirklichung. Ihre Wertevorstellung hat sich verschoben: weg von der Arbeits- und hin zur Freizeitorientierung. Dadurch entstehen viele Lifestyle-Communitys, die den elektronischen Handel prägen. Kleine, innovative Onlinehandelsplattformen bedienen die jeweilige Community. Große Onlinehändler und -plattformen bedienen den Mainstream Markt. Der stationäre Handel setzt vor allem auf Erlebniseinkauf.

Elementarer Bestandteil des Alltags sind so genannte Wearables. Die tragbare Technik dient unter anderem dazu, das eigene Verhalten zu messen und zu optimieren, etwa wenn es um Ernährung oder Fitness geht – und dazu sich permanent innerhalb der Community auszutauschen. Durch den boomenden Onlinehandel sind die Transportvolumina der Logistiker deutlich gestiegen. Um dem Verkehrsinfarkt zu entgehen, haben einige Ballungsräume die Zustellung reguliert.

Szenario 3: Automatisierte Lösungen für Onlinekäufer

Ein anderes Szenario stellt eine weitgehend digitalisierte Gesellschaft mit automatisierter Produktion dar, denn die Weltwirtschaft wächst vor allem durch die Innovationsdynamik der Informationstechnologie. Die Mittel- und Unterschicht muss mit geringeren Einkommen leben. Der Handel findet primär online statt, Avatare übernehmen die individualisierte Kundenberatung. Als virtuelle Einkaufsberater agieren sie oftmals selbstständig und erwerben für ihren „Wirt“ beispielsweise Güter des täglichen Bedarfs. Web-Shops passen ihre Angebote in Echtzeit an die Kundenprofile an, die Avatare präsentieren dem Anwender vermeintlich interessante Produkte in „Personal-Shopping-Hubs“.

Auch der stationäre Handel und die Showrooms der Onlineshops arbeiten mit Simulationen, die auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten sind. In den großen Metropolen ist die Auslieferung am Tag der Bestellung Standard. Händler und Logistiker können auf Basis von exakten Kundendaten den Bedarf oftmals vorhersagen. Sie verschicken die Waren bereits – zum Teil über automatisierte Lösungen wie etwa Drohnen –, bevor der Kunde überhaupt bestellt hat.

Szenario 4: Persönliches Eigentum verliert an Stellenwert

Die Zukunftsstudie entwirft auch ein Bild der Welt nach einer weiteren globalen Finanzkrise mit erheblich gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten sowie immer knapperen privaten Einkommen. In diesem vierten Szenario spielen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Energieeffizienz eine große Rolle, eine Do-it-Yourself-Kultur und Tauschgemeinschaften haben sich herausgebildet. Der Handel ist deutlich stärker regional geprägt.

Somit hat das persönliche Eigentum für viele Menschen entsprechend an Stellenwert verloren. Wichtig ist Verfügbarkeit. Große Onlineportale sind vor allem im Leasinggeschäft tätig. Im regionalen und lokalen Umfeld wird auch ein Großteil des Tauschhandels über kleinere Onlineplattformen organisiert. Um die Lebensdauer von elektronischen Geräten und Gebrauchsgütern zu verlängern, sind sie modular aufgebaut. Reparaturen und Wartungen sind so leicht möglich. Der Großteil der Logistikunternehmen bietet neben den klassischen Versorgungslösungen auch Ersatzteillogistik und Reparaturservices an.

Die von Deutsche Post DHL initiierte Untersuchung „Global E-Tailing 2025“ wurde durchgeführt von Z_punkt, einem international tätigen Beratungsunternehmen für strategische Zukunftsfragen. Beteiligt waren auch das Trendforschungsinstitut See More sowie internationalen Experten aus Handel, Logistik und Forschung. Die Untersuchung ist die erste weltweit angelegte Szenario-Studie zum internationalen Onlinehandel und seinen Implikationen für die Logistikbranche. (asc)

Die komplette Studie (PDF-Download) finden Sie hier.