Würth warnt Außendienst: „Geduld der Zentrale nicht überfordern“

Vorwürfe, Warnungen, Drohungen: In seinem neuerlichen Brief – diesmal sogar an die mehr als 3.000 Mitarbeiter im Außendienst der Adolf Würth KG – appelliert Reinhold Würth nachdrücklich, mit mehr Leistung umgehend „die Umsatzsteigerungsrate im zweiten Halbjahr dramatisch“ zu verbessern. „Sinn dieses Schreibens“, das der absatzwirtschaft-Redaktion vorliegt, sei es, „Ihnen die Brisanz der Situation verständlich zu machen“, verbunden mit der eindringlichen Bitte, „dass Sie gleich nach Erhalt den Automotor anwerfen und zu den Kunden fahren“.

Von Thorsten Garber

Er „denke nicht daran, den Außendienst abzuschaffen“, schreibt der Unternehmer einerseits, warnt aber andererseits, „die Geduld der Zentrale nicht zu überfordern“. Ein großer Teil der Würth-Außendienstler nutze die Arbeitszeit „nur zu 60 oder 70 Prozent“, so dass sich die Konzernmanager von denjenigen, „die vielleicht nicht mehr als ihre eigenen Kosten verdienen, trennen müssten“.

Unter der schlichten Betreffzeile „Umsatzentwicklung“ äußert Reinhold Würth als Vorsitzender des Stiftungsrats unter seinem Absender und seinem Porträtfoto auf sieben DIN-A4-Seiten seine Gedanken zur gesamt- und weltwirtschaftlichen Situation sowie „die Position der Verkaufsorganisation innerhalb der Würth-Gruppe“. Der 77-Jährige klingt überaus unzufrieden: „Da hätte wahrlich mehr getan werden können.“

Als „Denker und Lenker“ porträtiert

Nicht zum ersten Mal wendet sich der erfolgreiche Firmeninhaber und Weltmarktführer für Befestigungs- und Montagetechnik in einer flammenden Ansprache an seine Vertriebsmannschaft. Jüngst hatte Reinhold Würth schon als „Denker und Lenker“ in der absatzwirtschaft-Porträtserie seine Haltung gegenüber jedem „Faulpelz“ in seinem Imperium kundgetan. Dort hatte das Urgestein auf Anfrage den Wortlaut eines früheren Briefes bestätigt, in dem er sein Unternehmen weder als „zweites Arbeitsamt“ noch als „ein Sozialinstitut“ verstanden wissen wollte und mahnend einforderte, „ganz kurzfristig und zackig die Zahl der selbst getätigten Aufträge pro Arbeitstag (zu) erhöhen“.

Diesmal erinnert Würth an „unsere Vision 2020 20“, nach der der Konzern bis zum Jahr 2020 dann 20 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften wolle, was einer Verdoppelung in den nächsten acht Jahren gleichkomme. Für das erste Halbjahr 2012 sei das Wachstum aber „auf nur noch 4,8 Prozent gesunken“ – nach einem Umsatzwachstum von 12,3 Prozent im Vorjahresvergleichszeitraum. Auch der Wert des Kalkulationsaufschlages sei im Vergleich beider Junifristen von 105,9 auf 104,2 Prozent gesunken. Der überwiegende Teil des Wachstums sei „durch die Abholniederlassungen zustande“ gekommen. Die Verkäuferorganisation dagegen habe zum Gesamtwachstum „nur 10,9 Mio. Euro beigetagen = 3,3 Prozent Wachstum“. Dabei würden „die Kosten für die Bezahlung der Außendienstorganisation bei der AW KG pro Jahr 187,6 Millionen Euro (2011) verschlingen“.

„Entspricht das Ihrer Kompetenz?“

Detailreich rechnet Reinhold Würth vor und um: Die Umsatzsteigerung bei 3.121 Außendienstmitarbeitern liege pro Person für die ersten sechs Monate bei „nur 3.516 Euro Mehrumsatz“, was „pro Werktag einen Mehrumsatz von 29 Euro“ bedeute. Offensichtlich Werte, die ihn zu rhetorischen Fragen drängen: „Ist das fair, ist das korrekt, entspricht diese Mini-Umsatzsteigerung Ihren Kenntnissen, Ihrer Kompetenz und Ihrer Qualifikation?“ Die Antworten gibt er gleich mit: Durch die Eröffnung von Abholshops würden sich Außendienstler auf das automatische Hereinkommen von Aufträgen verlassen, „so dass ich es etwas lässiger und bequemer nehmen kann“, wie er die Denkweise in seiner Vertriebscrew umschreibt.

„Mit großer Sorge“ erfüllte Reinhold Würth vor allem, „dass viele unserer Wettbewerber prozentual signifikant schneller wachsen“, wozu er als Beispiel auf den Werkzeughandel der Hoffmann-Gruppe in München verweist, der nach zuletzt veröffentlichten Zahlen „um sagenhafte 30 Prozent !!!“ zugelegt habe. Hoffmann habe Würth „also im Werkzeugbereich beachtliche Marktanteile abgenommen“. Den schwachen Zuwachs hält er angesichts der aktuell „riesigen Chancen, dem Wettbewerb Marktanteile abzunehmen“, wohl für besonders ärgerlich.

„Im Zeitalter der Internetshops“ brauche der Konzern „wirklich keine Außendienstmitarbeiter, die dem Kunden verkünden, dass Würth zum allerbilligsten Preis verkaufen will“. Und Reinhold Würth wird noch deutlicher: „Wenn wir Billiganbieter sein wollen, dann können wir die Gehälter des Außendienstes einsparen.“ Alternative wären dann „Billigstangebote über den Internetshop, über den Versand von Katalogen, über Sonderangebote per E-Mail, per Fax, per Post“.

„Zeiteinteilung an Werktagen überprüfen“

Stattdessen sehe er allerdings „die Außendienstorganisation der AW KG“ als „ein schlagkräftiges Instrument, um die Konkurrenz zu schlagen, jedoch nur dann, wenn auch eine angemessene Anzahl von Neukunden geworben und eine schöne Anzahl von Nullkunden zurückgewonnen wird“, schreibt der Stiftungsaufsichtsratsvorsitzende in seinem Brief an die Mitarbeiter. Sie sollten „Ihre Zeiteinteilung an Werktagen“ überprüfen und nicht durch „Zeitverschwendung (…) eine 100-prozentige Umsatzplanerfüllung“ verpassen. Würth verweist dabei auf „unsere schönen Sprichwörter“: „Ohne Fleiß keinen Preis“ und „Morgenstund‘ hat Gold im Mund“, die „auch in der Internetzeit unverändert Gültigkeit“ besäßen.

Die Würth-Außendienstler sollten sich an die Fußball-EM zurückdenken und sich inspirieren lassen von „Begeisterung, Enthusiasmus und Siegerwillen“ der italienischen und spanischen Nationalmannschaften, damit künftig „unsere Gesamtumsätze (…) nicht um mickrige 4,8 Prozent (…) wachsen, sondern glatt um 25 oder 28 Prozent“. Sein Schlussappell: „Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie die schönste Zeit Ihres Lebens im Beruf verbringen.“ Deshalb gehöre für ihn „hobbyhafte Freude“ und „unbändiger Spaß am Erfolg“ dazu. Andernfalls empfehle er, „sich einen anderen Job zu suchen“.

Die Stellungnahme von Würth zu den Reaktionen vom 28. und 29. August unter Wie gut führt Würth den Vertrieb

Reaktionen auf den Artikel vom 28. August unter „Würth erzeugt Krisenbewältigungsatmosphäre“