„Wir stehen sehr gut da!“

Nachdem Kana viele Turbulenzen hinter sich gebracht hat, kann der E-CRM-Anbieter wieder etwas aufatmen: Ein Aktiensplit verschaffte aktuell wieder etwas Luft im Kampf an der Börse, die Merger sind weitestgehend verdaut und die offene Technologieplattform "J2EE" lassen den, wie er sich selbst gern nennt, Spezialisten für "intelligente Kundeninteraktion", optimistisch in die Zukunft blicken.

Die Stimmung in der Branche ist im Allgemeinen schlecht. Wie geht es Kana in der aktuellen Situation?

Peter Knapp:
Es gibt definitiv in vielen Unternehmen einen Investitionsstopp. Wir bemerken den allgemeinen Markttrend sehr wohl, aber wir sind sehr gut präpariert. Denn Kana ist ja, als weltweites Unternehmen gesehen, eine Kombination aus verschiedenen Mergern. Der letzte Merger mit Broadbase fand offiziell Ende Juni 2001 statt. Bekannt war er schon seit April. Insofern haben wir natürlich schon einige Fusionsnebenerscheinungen hinter uns gebracht. Dazu gehören auch die berühmten Synergieerscheinungen wie Mitarbeiterentlassungen, Umstellung der Organisation, Integration der Produkte und so weiter. Wir stehen sehr gut da, weil wir auf Grund dieser Fusion den Trend schon vorweggenommen haben.

Gibt es bereits erste positive Auswirkungen aufgrund dieses Umbauprozesses?

Peter Knapp:
Wir haben bekanntgegeben, dass wir im vierten Quartal profitabel sein werden. Und wenn man so was macht, muss man sich auch sehr sicher sein. Denn es ist ja kein Geheimnis, dass Kana ein paar Turbulenzen hinter sich hat und definitiv Überkapazitäten hatte. Jetzt ist das Fett abgespeckt und wir gehen wirklich schlagkräftig auf den Markt.

Nach dem Reverse Split, den Kana aktuell durchführte, scheint sich der Aktienkurs um die 15 Dollar mit Tendenz nach oben einzupendeln. Reicht der Kunstgriff, um auf dem Börsenparkett wieder nachhaltig Fuß zu fassen?

Peter Knapp:
Man muss zukünftig natürlich auch wieder konstant Ergebnisse liefern und beweisen, dass diese Bereinigungseffekte Erfolg haben. Zudem muss man bedenken, dass die Fusion den Aktienkurs zuvor verwässert hat. Denn unsere Marktbewertung war gar nicht so niedrig, wie es der Börsenkurs vor dem Split mit etwas über einem Dollar zum Ausdruck brachte. Wenn Sie viele Aktien draußen im Markt haben, auf Grund der vielen Fusionen, ist natürlich die Einzelaktie weniger wert. Das Entscheidende ist aber die Marktkapitalisierung. Und die ist gar nicht niedrig. Sie liegt bei 350 Millionen Dollar. Das ist zwar viel weniger als es mal war. Aber es ist immer noch drei Mal mehr als unser Cash-Volumen. Sehr positiv ist die jetzt erfolgte Eigenkapital-Finanzierung von TCV in Höhe von 55 Millionen Dollar. Das zeigt doch deutlich, welches Potenzial in Kana gesehen wird.

Die Branche wächst voraussichtlich um sechs Prozent. Wie viel Umsatzsteigerung planen Sie für das laufende Jahr?

Peter Knapp:
Grundsätzlich sind unsere offiziellen Bekanntgaben weltweit „flat“, wie es so schön heißt. Also, wir erwarten keine Umsatzsteigerung. Vielleicht ein ganz leichtes Wachstum, maximal 10 Prozent, aber eher konstant. Wir unterscheiden uns da nicht vom Rest des Marktes. Ich denke, alle haben langsam verstanden, dass es so, wie es vor einem Jahr war, nicht weitergeht.
Das Neugeschäft an Lizenzen ist im ganzen CRM-Markt zusammengebrochen. Da müssen einfach die Kapazitäten angepasst werden. Daher erwarten wir nächstes Jahr einen Umsatz etwa in der Größenordnung von 100 Millionen Dollar. Was ja auch nicht ganz belanglos ist.

Die Gartner Group hat gesagt, Kana könnte mal zur Nummer eins werden, vor Siebel und Clarify. Wie kommt sie zu dieser Aussage?

Peter Knapp:
Wir konzentrieren uns, im Gegensatz zu diesen klassischen CRM Herstellern auf externe Prozesse. Unternehmen wie Siebel und Clarify oder Peoplesoft haben Applikationen geliefert, die auf den Vertrieb oder auf Call Center Agenten ausgerichtet waren. Das heißt, man steigert vielleicht die Produktivität beim Agenten oder beim Vertriebsmitarbeiter. Der Kunde merkt davon allerdings herzlich wenig, meistens sogar nichts. Wir liefern Software, die darauf ausgerichtet ist, die Prozesse zwischen dem Unternehmen und seinen Geschäftspartnern, seien es Kunden, Lieferanten oder Partner, zu automatisieren, zu individualisieren und zu personalisieren. Die zwei großen Schwerpunktbereiche sind dabei Service und Marketing.

Wo ist nun genau der Unterschied zu den klassischen CRM-Anbietern?

Wir liefern Software, die zum einen den Agenten im Contact Center massiv entlasten kann und zum anderen diese Prozesse nach draußen mit dem Kunden automatisieren und steuern kann. Wir haben potenzielle Kunden, die erreichen ein Servicelevel von 10 Prozent. Das heißt, 10 Prozent der E-Mails werden beantwortet, die anderen 90 ignorieren sie komplett. Da existiert also ein Riesendruck im Markt. Und da entstehen extreme Kostenvorteile für das Unternehmen, wenn man auch nur 10 Prozent der Kundenanfragenbearbeitung über elektronische Kanäle automatisiert abwickeln kann. Die Durchschnittskosten bei jedem Anruf, den man vom Call Center wegzieht, fallen exponentiell nach unten.

Reicht das, um die Nummer eins zu werden?

Peter Knapp:
Es gibt dafür natürlich viele Hintergründe, die da möglicherweise in den Gartner-Köpfen sind. Neben den Geschäftsprozessen gibt es die technologische Ebene. Auf der Technologieebene ist es so, dass Kana sich konsequent auf die J2EE-Technologie fixiert hat, »Java 2 Enterprise Edition« von Sun. Das ist ein sehr offener Standard, der von Entwicklern heute geliebt wird und sich immer mehr durchsetzt. Das ist deswegen gut, weil er sehr hoch skalierbar ist. Wenn man über solche externen Prozesse redet, wie ich sie gerade besprochen habe, also E-Mails, Telefonie, Chat und so weiter, dann sind das unter Umständen Millionen von Kontakten am Tag mit dem Unternehmen. Siebel beispielsweise hat einen Client-Server-Ansatz. Und da kommt man nicht mehr so leicht raus, wenn man Tausende von Kunden hat, die man unterstützen muss. Zum anderen hat Siebel sehr viel Standardfunktionalität, die entweder passt oder nicht passt. Wenn man sie ändern will, ist es extrem schwierig und aufwändig. Diese Erfahrung haben alle Siebel-Kunden schon gemacht. Kana favorisiert den Ansatz der offenen Technologie, die selber ohne besonderes Know-how angepasst werden kann. Für Siebel müssen Sie Entwickler vom Markt kaufen, die sind verdammt teuer. Wenn Sie sie überhaupt finden. Bei Kana können Sie eigentlich jeden einsetzen, der mit Java vertraut ist. Und da gibt es heute genügend im Markt. Das bringt uns immer mehr nach vorne. Wir haben gerade gegen Siebel eine Menge Großprojekte in den USA gewonnen. Das bringt uns auch natürlich Visibility wie beispielsweise beim Projekt für die Bank of America.

Kana ist ein amerikanisches Unternehmen. Sie wissen es also aus erster Hand: Was haben eigentlich amerikanische Unternehmen den deutschen in Sachen CRM voraus?

Peter Knapp:
Ich behaupte, wir sind nicht so weit zurück, wie man immer sagt. Die Deutschen haben eine ganze Menge Qualitäten, sie überlegen nämlich lieber dreimal, bevor sie etwas tun. In den USA wird schneller eine Vision umgesetzt. Bedingt dadurch, dass der US-Markt auch größer ist, stehen Unternehmen dort auch noch stärker unter Druck als bei uns. Jedes US-Unternehmen bekommt potenziell fünf Mal mehr E-Mails als ein deutsches. Während die Amerikaner unter diesem Zwang schneller eine innovative Lösung kaufen und sie unter Umständen nach zwei Jahren wieder rausschmeißen, wird in Deutschland zwei Jahre evaluiert bevor gekauft wird und bleibt dafür dann aber zehn Jahre bei der entsprechenden Lösung. Das ist also ein viel strategischeres Denken in Deutschland.

..und was ist mit der Kundenorientierung?

Peter Knapp:
Die Unternehmensphilosophie ist generell in den USA viel stärker kundenorientiert. Zwar redet hier jeder über den Angelsächsischen Einfluss im Marketing, aber Sie merken ja bei jedem Call Center-Mitarbeiter: Der hat eigentlich gar kein Interesse, Sie zufrieden zu stellen. Er hat eigentlich nur Interesse, möglichst schnell mit dem Anruf durchzukommen, weil er daran gemessen wird, wie viel Anrufe er durchziehen kann. Aber nicht an der Zufriedenheit. Das ist schon ein Unterschied.

Wobei doch wahrscheinlich in den USA keiner deswegen weniger Anrufe entgegennehmen muss?

Peter Knapp:
Klar. Aber gerade deshalb werden solche innovativen Lösungen stärker eingesetzt, wie automatisierte E-Mail-Reaktionen oder Wissens-Datenbanken, die man dem Kunden, aber auch dem Agenten bereitstellen kann. Und der findet seine Lösung wesentlich schneller und reduziert damit seine Antwortzeit vielleicht auf die Hälfte. Somit mache ich ihn produktiver, er ist zufriedener, der Kunde ist zufriedener und die Sache ist sogar am Ende kostengünstiger.

Was hat sich bei der Implementierung von CRM bewährt? Wo liegen da die Erfolgsfaktoren einer Implementierung?

Peter Knapp:
Es gibt viele, die wie in jedem Datenverarbeitungs-Projekt schon immer gegolten haben. Gutes Projektmanagement ist ein Beispiel. Aber es gibt auch einige, die spezifisch sind für Customer Relationship Management. Auf diese will ich mich konzentrieren. Es muss grundsätzlich eine Unternehmensphilosophie da sein, die kundenzentriert ist. Sonst ist das ganze CRM-Projekt nicht erfolgreich und dann kann auch die Technologie nicht erfolgreich sein. Um so eine Philosophie zu haben, braucht man natürlich einen Top-Sponsor, der das von oberster Ebene vorantreibt, idealerweise abteilungsübergreifend. Denn der Vertrieb muss wissen, was das Marketing macht und das Marketing muss wissen, was der Service macht. Heute sind die Unternehmen immer noch drei- oder viergeteilt in Divisionen und es gibt keine übergreifende Klammer. Die einzige Klammer ist die Geschäftsführung. Das ist aber dann sehr problematisch, wenn sich die Geschäftsführung darauf beschränkt, ein paar Ziele zu definieren und einen Vertrag zu unterschreiben. Das geht schief! Ich bin der Meinung, man bräuchte einen Customer Relationship Officer, der nur ein Ziel hat und daran gemessen wird: Wie sehen die Kundenbeziehungen aus und wie können sie profitabel und loyal auf Dauer gestaltet werden? Das bedingt, dass er abteilungsübergreifend Kompetenzen hat – ein ganz wichtiger Aspekt. Insofern muss auch, um aufs Projektmanagement zurück zu kommen, ein Projektteam interdisziplinär sein, also aus Fachabteilung und aus IT bestehen.

Wobei CRM und damit Vertrieb immer noch ein Teil des Marketing ist. Fängt man nicht an, Marketing und Vertrieb auseinander zu ziehen?

Peter Knapp:
Prinzipiell stimme ich Ihnen zu. Ich glaube auch, dass Vertrieb zukünftig immer mehr ein Erfüllungsgehilfe des Marketings wird. Bei uns ist es momentan eher umgekehrt. Hier steuert der Vertrieb das Unternehmen, wie in den meisten amerikanischen Softwarehäusern. Das Marketing ist eher zugeordnet. Der Vertrieb sagt: Ich brauche Leads! Ich brauche diese und jene Maßnahmen, sonst kann ich meine Ziele nicht erfüllen. Nichts desto trotz, tendenziell wird das Marketing die generelle Kommunikation nach außen steuern, inklusive dieser elektronischen Kanäle, die wir vorher beschrieben haben. Und damit ist Marketing prädestiniert, abteilungsübergreifend zu arbeiten, während der Vertrieb immer nur seinen Vertrieb sehen kann und wird.

Vielleicht noch ein kleiner Ausblick. Was haben Sie sich für Ziele in Zukunft gesteckt?

Peter Knapp:
Europa wird generell noch als Wachstumsmarkt angesehen, während Amerika sehr stark danieder liegt. Wir haben aber noch einiges an Nachholbedarf. Daher müssen wir in Nordeuropa eher von 100 Prozent Wachstum ausgehen. In Zahlen übersetzt bedeutet das etwas in die Richtung von 15 Millionen Dollar reines Neugeschäft bzw. Softwarelizenzen nächstes Jahr.

Wo stehen Sie im Moment gerade?

Peter Knapp:
Wir hatten 8 Millionen Dollar dieses Jahr als Ziel. Wir stehen auf ungefähr 6 Millionen im Moment. Ich weiß nicht, ob wir voll auf die 100 Prozent kommen – womit wir wieder bei der Wirtschaftslage wären. Aber ich bin damit zufrieden. Denn wir haben große Projekte gewonnen, und das macht mich absolut zufrieden. Wir haben dieses Jahr in Deutschland u.a. Viag Interkom, Credit Suisse, RTL New Media und Siemens gewonnen.
In Skandinavien haben wir auch hochinteressante Kunden, Ericsson und Swedish Railroads, die Bahnen, Iceland Air oder die Airline SAS.

Und welcher Marktanteil ist langfristig angepeilt ?

Peter Knapp:
Gegenwärtig würde ich ihn nicht sehr hoch einstufen, vielleicht bei 5 Prozent.
Aber der ist sehr schwer zu messen. Das hängt auch von Teilbereichen ab. Wenn man den großen CRM-Markt nimmt und die ganz Großen hinzuzieht, wie Oracle, SAP, Siebel, Clarify oder Peoplesoft, dann sehe ich uns irgendwo auf Platz fünf oder sechs, also genau dahinter. In Teilbereichen sind wir, wie beispielsweise im E-Mail-Management, wo Kana groß geworden ist, unumstrittener Marktführer. Wir haben zirka 900 Kunden in dem Bereich und das erkennt sogar Siebel an, dass wir da die beste Funktionalität haben. Im Bereich Marketing-Automation und Kampagnenmanagement sind wir sicherlich mit Unternehmen wie Chordiant auch sehr stark in der führenden Rolle. Ich weiß nicht, ob wir da vielleicht 20, 30 Prozent haben. Also, es ist unterschiedlich und abhängig davon, auf welche Segmente man schaut. Wir haben natürlich vor, eine Milliarden-Dollar-Firma zu werden.

Hat denn die Fusion was für Nordeuropa auch gebracht jetzt?

Peter Knapp:
Es gab auch kritische Stimmen dazu. Natürlich stellt man dann Fragen: Ja, was ist mit Integration?
Aber die Partner, die Kana hatte, und die Partner, die Broadbase hatte, überlappten sich praktisch nicht. Das heißt, wir haben plötzlich doppelt so viel. Fantastisch! Plötzlich haben wir Kunden aus der einen und aus der anderen Ecke, die wir zusammenlegen können. Plötzlich haben wir Synergieeffekte. Da gibt es auch Absatzpotenzial. Da gibt es durch die Partnerschaften plötzlich eine viel größere Pipeline. Technologiesynergien stehen mittlerweile außer Frage. Wir haben zeitgerecht die integrierte Suite iCARE herausgebracht. Dort sind die zwei entscheidenden Überschneidungspunkte Knowledge Base und E-Mail-Management zusammengeführt worden. Das war der einzige kritische Punkt. Die anderen Sachen hatten sowieso schon vorher keinen Overlap, waren also nicht kritisch. Insofern sehe ich das allerhöchst positiv.

Finden das die Kunden auch?

Peter Knapp:
Auf jeden Fall! Das ist jetzt kein Marketinggeschwätz von mir. Die Kunden haben natürlich auch immer Probleme damit, wenn Ansprechpartner wechseln. Das passiert nun einmal in so einer Situation. Es werden Leute ausgewechselt, es werden Zuständigkeiten ausgetauscht. Das weckt natürlich immer erst Unsicherheit beim Kunden. Das ist nicht positiv, da kann ich nichts beschönigen. Aber wenn diese ersten Schwierigkeiten überwunden sind, dann finden die Kunden das Ergebnis, besonders was die Produkte angeht, alle durch die Bank hervorragend. Sie sehen den Sinn dahinter. Kana hatte vorher Partnerschaften mit anderen Unternehmen, mit Primus im Knowlegde Base Bereich und mit Analyseherstellern wie Informatica im Analysebereich. Broadbase hatte beides. Broadbase wiederum hatte zwar auch ein E-Mail-Management, aber das war nicht das marktführende. Jetzt ist es in einem Haus.

Das Gespräch führte Christian Thunig.

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eingestellt am 19. Dezember 2001