Wie Verbände das Marketing ihrer Mitglieder unterstützen

Verbände, die sich als reine Lobbyisten und Infobroker verstehen, haben ausgedient. Globalisierung, Strukturwandel und nicht zuletzt die einfachen, günstigen Vernetzungs- und Informationswege der neuen Medien führen dazu, dass die Einflussmöglichkeiten führender Unternehmensverbände sinken. In Zeiten knappen Kassen wollen Unternehmen den Mehrwert einer Mitgliedschaft deutlich erkennen.

Das Ergebnis einer kürzlich von der Zeitschrift Capital veröffentlichten Benchmarkstudie „Von den Besten lernen – Was Verbände erfolgreich macht“ (www.exba.de) zeigt: Das Kosten-Nutzen-Kalkül steht für die Mitglieder im Vordergrund. Dabei fordern die befragten Top-Entscheider aus den Unternehmen vor allem mehr Unterstützung im Tagesgeschäft. Und am Ende des Tages entscheidet der generierte Umsatz über den Unternehmenserfolg.

Moderne Wirtschaftsverbände leisten in allen Unternehmensbereichen praktische Hilfe, doch gerade im Marketing ist dies ein heikles Unterfangen. Welche Instrumente können Verbände ihren Unternehmen anbieten, um deren Marketingabteilung zu unterstützen ohne den Wettbewerb unter den Mitgliedern zu verzerren? In wie weit sind Konkurrenten innerhalb der Verbandsgremien bereit zu einem offenen Gedanken-Austausch über ihr Auftreten im Markt?

Die Studie „Mehrwert durch Marketinghilfen – was moderne Verbände ihren Mitgliedern bieten“ beleuchtet die Verbandsaktivitäten in genau diesem Spannungsfeld zwischen Synergie und Konkurrenz. Die B2B-Marketingberatungsunternehmen simplify pr + marketing und afino consulting analysierten die Webseiten von 50 deutschen Wirtschaftsverbänden und befragten 15 Verbandsgeschäftsführer in persönlichen Interviews. Das Panel repräsentiert sowohl Fach, Regional- als auch Dachverbände aus einem breiten Branchenspektrum. Aufgrund der unterschiedlichen und schwer vergleichbaren Rahmenbedingungen der einzelnen Branchen wurde auf ein Ranking verzichtet. Vielmehr soll eine Auswahl der wichtigsten und interessantesten Instrumente Verbandsmitglieder zu der Frage anregen, was der Verband in Sachen Marketing für das eigene Unternehmen tun kann.

  • Online Kundenkommunikation: Produktpools statt Mitgliedslisten
  • Viele Verbände verfügen über eine Auflistung der Mitgliedsunternehmen auf der Homepage. Für deren Marketing-Abteilungen ist dies erst dann ein Gewinn, wenn potentielle Kunden das gesuchte Angebot schnell und bedarfsorientiert finden können. Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. (link: www.uvb-online.de) verfügt seit Juli 2004 über eine nach Branchen und Produkten sortierte Online-Produktdatenbank. „200 von 900 Unternehmen beteiligen sich schon in der Testphase. Seitdem die Datenbank online ist, steigt die Nachfrage von Firmen täglich“, freut sich Thorsten Elsholtz, Abteilungsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

    Ebenfalls sehr erfolgreich ist der Innovationspool des Bundesverbandes Medizintechnologie e.V. (www.bvmed.de): Eine internetbasierte Plattform informiert über neue Medizinprodukte, Medizintechnologien und Therapieverfahren der Mitgliedsunternehmen – geordnet nach Anwendungsgebieten, Produktarten und Produktnamen. Auch beim Verband deutscher Makler (link: www.vdm.de) siegen die Synergieeffekte über den Konkurrenzgedanken. Hier gibt es online sogar eine öffentliche Immobiliensuchmaschine. Interessierte Mieter und Käufer haben so einen schnelle Übersicht über alle von den Mitgliedern angebotenen Objekte.

    Eine äußerst hilfreiches Instrument, gerade für kleinere Unternehmen, bietet der Bundesfachverband Wohnungs- und Immobilienverwalter e.V. (link: www. Wohnungsverwalter.de) mit seinem Homepagebaukasten für Mitglieder. Sie können zwischen der Standard- oder individuellen Versionen wählen und mit ihrem eigenen Design 60-70% des dynamischen Inhalts der Verbandshomepage auf ihrer Seite spiegeln. „Auf diese Weise erhalten Endkunden News ohne großen Aufwand direkt von der Homepage ihres Immobilienverwalters“, so der Geschäftsführer Heinz Michael Sparmann. „Das trägt zur Professionalität und Kundenbindung bei – extrem wichtig für eine Branche, die keine Zulassungskriterien kennt und dadurch auch mit unqualifizierten Wettbewerbern zu tun hat.“

    Eine andere Form der Unterstützung bei der Imagebildung findet man beim Verein Deutscher Ingenieure e.V. (link: www.vdi.de), der für jedes Mitglied eine eigene kostenfreie Emailadresse mit der Verbandsdomain bereithält.

  • Online Tools für Mitglieder: Von Messeunterstützung bis Förderberater
  • Die Service Gesellschaft des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., kurz BITKOM Service GmbH (link: www.bitkom.org), ist im Bereich Messeunterstützung Vorreiter mit einem innovativen Werkzeug: zur CeBIT 2005 können BITKOM Mitglieder über ein passwortgeschütztes Messeportal die Leistungen und die Effizienz verschiedener Messen bezogen auf die individuelle Situation des Unternehmens prüfen. Da sich der Messeerfolg nicht immer an der Zahl der gewonnenen Aufträge messen lässt, nutzen Marketing-Experten das Tool, um ihre Entscheidungen gegenüber der Geschäftsführung zu vertreten.

    Der Bundesfachverband Wohnungs- und Immobilienverwalter hat ein interaktives Benchmarkingtool entwickelt, das den Verwaltern im geschlossenen Mitgliederbereich zur Verfügung steht, um sich anhand von Kennzahlen mit den Wettbewerbern in Bezug auf Preis- und Kostenstruktur zu vergleichen. Für forschungsintensive Branchen ist ein interaktiver Förderberater, wie ihn die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (link: www.solarwirtschaft.de ) anbietet , ein großer Gewinn.

  • Persönliche Vernetzung der Mitglieder
  • Die persönliche Begegnung in Workshops, Seminaren, Kongressen, Messen und Jahresveranstaltungen wird bei vielen Verbänden großgeschrieben. Hier entstehen Kooperationen und wertvolle neue Kundenkontakte. Die American Chamber of Commerce in Germany e.V. (link: www.amcham.de) initiiert zu diesem Zweck zahlreiche hochkarätige Dinner- und After-Work-Veranstaltungen. Laut Geschäftsführer Dr. Dierk Müller stellt der Verband die Mitglieder auf Wunsch untereinander persönlich vor und empfiehlt sie weiter.

    Eine neutrale Probebühne für den Markterfolg stellt der BITKOM seinen Mitgliedern zur Verfügung: „Wir gehen den Marketing-Dialog unter Wettbewerbern in den Gremien offensiv an“, so Oliver Hickfang, Leiter für Marketing, Vertrieb und Messen. „Die Mitglieder diskutieren offen, weil sie voneinander lernen und neue Ideen vor einem Testpublikum erproben können.“ Hochkarätige externe Spezialisten wie Chefredakteure und Berater beleben die Gremienarbeit durch erstklassiges Know-How, dass einzelne Unternehmen viel teurer einkaufen müssten. „Der BITKOM bietet eine unabhängige Plattform, um zwanglos mit Wettbewerbern ins Gespräch zu kommen.“, bestätigt Walter Seemayer von Microsoft, “Das spart uns vor allem wertvolle Zeit!“

    Oft wird die Kontaktaufnahme auch elektronisch gestützt und dann „offline“ fortgesetzt. Für den Verband deutscher Wirtschaftingenieure e.V. (link: www.vwi.org) bildet die Mitgliederkommunikation das Rückgrat der Verbandsarbeit. Mitglieder sind in diesem Fall nicht die Unternehmen, sondern Einzelpersonen, die häufig in Führungspositionen arbeiten. Der VWI fördert daher insbesondere den Gedankenaustausch zwischen Nachwuchs und Berufserfahrenen über eine Kontaktsuche im Intranet. Der Präsident des VWI, Prof. Dr. Christian Schuchardt plant, in Zukunft auch das Alumni-Netzwerk über die Hochschulen stärker auszubauen, wie in den Vereinigten Staaten üblich. Aus den USA hat der VWI auch die Idee der Jahrbücher aufgenommen. Die VWI-Hochschulgruppe an der TU Berlin wird ein Portrait von Absolventen des Jahrgangs drucken und als gebundene Ausgabe an die
    Personalchefs interessierter Firmen verschicken. Die Personaler bekommen ihre Kandidaten auf dem silbernen Tablett serviert und die Absolventen profitieren von dem Jahrbuch als Multiplikator.

    Auch beim VDI können Mitglieder von einem Mentoringprogramm profitieren. Der Verband der Automobilindustrie e.V. (link: www.vda.de) sowie der VWI unterhalten sogar eine eigene Stellenbörse im Internet. Kooperationsbörsen wie das Biotech-Partnering des Verbands forschender Arzneimittelhersteller e.V. (link: www.vfa.de) bieten ein Onlineforum, in dem konkrete Kooperationsgesuche eingestellt werden können.

  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Die Pressebereiche der Verbandshomepages sind meist gut ausgebaut und auf aktuellem Stand. Sie sollten im Idealfall auch die PR-Verantwortlichen in Mitgliedsunternehmen entlasten. Allgemein üblich sind ein Pressemitteilungsarchiv sowie allgemeine Brancheninformationen, die auch für die Medienarbeit der Mitglieder nutzbar sind. Einige Verbände begeistern Journalisten und PR-Beauftragte in den Unternehmen jedoch nicht nur durch ein umfangreiches Foto- und Grafikarchiv: der BVMed bietet mit seinem „TV-Service Medizintechnologie“ sogar O-Töne und Videoschnittmaterial zur freien Verwendung an.

    Branchen wie Chemie oder Pharma müssen besonders sensible Themen in der Öffentlichkeit wirksam kommunizieren. Verbandsmitglieder profitieren von zentralen Image- oder Marketingkampagnen. Ein interessantes Projekt mit dem Titel „Forschung ist die beste Medizin“ läuft derzeit beim Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller VFA (link: www.vfa.de). Die Kampagne wird solidarisch von allen Mitgliedern getragen und besteht aus Reportagen und Forscherportraits. Plakate und TV-Spots informieren den Verbraucher. „Der Patient ist unsere Hauptzielgruppe. Wir wollen die Selbstbestimmung der Verbraucher durch Information stärken.“, so die Hauptgeschäftsführerin des VFA Cornelia Yzer. Ähnliche Initiativen finden sich beim Verband der chemischen Industrie e.V. (link: www.vci.de) mit der „Chemie- Element unseres Lebens“ Kampagne.

  • Rahmenverträge beim Einkauf
  • Das Marketingbudget der Mitglieder kann durch zentral verhandelte Rahmenverträge der Verbände mit Lieferanten erheblich geschont werden. Optimierte Media- oder Messekonditionen sind ein konkreter Mehrwert für die Unternehmen. Einen Schritt weiter geht der BITKOM: geplant ist eine BITKOM Card mit deren Hilfe Verbandsmitglieder alle Transaktionen mit den angeschlossenen Dienstleistern effizient abwickeln können.

  • Fehlende Internationalität
  • Es fällt auf, dass immer noch viele Verbände mit einsprachigen Websites aufwarten und kaum Hilfestellung für ihre international tätigen oder interessierten Mitglieder anbieten. Einige der größeren Verbände unterhalten eine Geschäftsstelle in Brüssel oder verfügen zumindest über internationale Partnerverbände. Hier steckt mit fortschreitender Globalisierung noch viel Entwicklungspotential.

  • Mehr Marketingkommunikation für Endkunden
  • Es liegt nahe, Newsletter, Standardpräsentationen, Broschüren und andere Informationen für Endkunden zentral beim Verband herzustellen. Dennoch wird dieses Instrument in der Praxis selten genutzt. Dies liegt vor allem an den geringen Anpassungsmöglichkeiten insbesondere im Printbereich. Die Zukunft der individuellen Kundenkommunikation liegt daher in der maßgeschneiderten elektronischen Information. Von Verband und Mitgliedern gemeinsam gepflegte Datenbanken mit dynamischen Inhalten könnten den Unternehmen als Baukasten für die Weiterverwertung in elektronischen Medien, Präsentationen und Printprodukten dienen.

    Fazit: Synergiegewinne überwiegen die Konkurrenzgefahr
    Moderne Verbände zeigen, dass sie die Marketing-Experten ihrer Mitgliedsunternehmen wirkungsvoll entlasten und zum Unternehmenserfolg beitragen können. Die Polarisierung zwischen Synergie und Wettbewerb ist keineswegs zwingend – beides lässt sich durchaus miteinander vereinbaren. Das Ausklammern der Marketingunterstützung unter Berufung auf die Verbandsneutralität ist heute weder sinnvoll noch tragbar. Mut zur Weiterentwicklung zahlt sich aus da positive Effekte für einzelne Unternehmen letztlich der ganzen Branche nutzen. Die Vielzahl der unterschiedlichen Instrumente beweist, dass Verbände und Unternehmen gemeinsam durchaus Lösungen finden können, die ausreichenden Spielraum für Kreativität und firmeneigene Profilbildung lassen. Letztendlich muss jedes Mitgliedsunternehmen selbst entscheiden, in wieweit sein Verband in der Lage sein soll, die eigenen Interessen nicht nur in der Politik sondern auch im Marketing zu vertreten.

    Autoren:

    Susanne Langer ist Inhaberin von simplify pr + marketing und berät Innovationsunternehmen mit erklärungsbedürftigen Produkten im B2B-Marketing. Die Diplomphysikerin vermarktet seit 2000 forschungsintensive Dienstleistungen.

    Sonja Müller, Inhaberin von afino consulting, steigert seit 1995 die B2B-Marketingeffizienz in Organisationen und mittelständische Unternehmen. Die Diplombetriebswirtin mit breit gefächertem Branchenwissen und mehrjähriger internationaler Erfahrung ist spezialisiert auf pragmatische, budgetschonende Lösungen.

    www.agentur-simply.de
    www.afino.biz