Wie Unternehmen Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment umsetzen können

Die ECR Europe-Initiative definiert “CPFR als eine branchenübergreifende Initiative, die das Verhältnis Vorlieferant-Hersteller-Händler durch gemeinsam gemanagte Planungsprozesse und geteilte Informationen verbessern soll. Es gilt in der ECR-Szene derzeit als höchste Form der Kooperation, denn basierend auf diesen Planungen werden Produktion, Lieferung, Lagerhaltung und Promotions am Point of Sale aufeinander abgestimmt. Das heißt für das tägliche Business: Die Erfahrungen rund um die Absatzplanung, die bisher der Händler und der Hersteller getrennt gemacht und verarbeitet haben, werden nun in einem gemeinsamen Prozess verabschiedet und EDV-gestützt gesteuert.

Im folgenden soll daher der Planungsprozess des Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) in seinen relevanten Prozessschritten bis zur Implementierung strukturiert werden. Das Modell ist aufgeteilt in drei verschiedene Phasen. Die erste Phase ist der Planungsprozess (Schritt 1 und Schritt 2). In der zweiten Phase wird der Prognoseprozess (Schritt 3 bis Schritt 8) beschrieben. Die letzte Phase beinhaltet den Bestellprozess (Schritt 9).

Der Planungsprozess (Schritt 1 und 2)

Schritt 1: Entwicklung einer Rahmenvereinbarung für die Kooperation

Der erste Schritt des CPFR-Modells hat die Aufgabe, die Regeln und Grundsätze für die Zusammenarbeit von Händler und Hersteller festzulegen. Es ist eine Willenserklärung des Top-Managements zur Kooperation. Die Kooperationsvereinbarung bestimmt die Zielvorstellungen der beiden Geschäftspartner. Gleichzeitig beinhaltet die Vereinbarung die relevanten Aktivitäten und Ressourcen, die für eine erfolgreiche CPFR-Anwendung notwendig sind. Das gemeinsam erarbeitete Papier definiert die praktische Ausgestaltung der Partnerschaft, identifiziert die Rollen der involvierten Geschäftspartner und legt fest, wie die Leistung der jeweiligen Partei gemessen wird.

Schritt 2: Entwicklung eines gemeinsamen Geschäftsplans

Im zweiten Schritt des neunstufigen CPFR-Modells erarbeiten die beiden Kooperationspartner unter Berücksichtigung der eigenen Unternehmensstrategien einen gemeinsamen Geschäftsplan. Dabei definieren sie Warengruppenrollen, Warengruppenziele und Warengruppentaktiken. Eine bestehende Zusammenarbeit im Rahmen von Category Management vereinfacht diesen Schritt des CPFR-Prozesses. Im Weiteren tauscht man die relevanten Auftragsdaten für die zu optimierenden Produkte aus, etwa das Auftragsminimum, die Auftragsvorlaufzeiten und die Auftragsintervalle.

Mit einem gemeinsamen Geschäftsplan können die Kooperationspartner die Verkaufsprognose-Qualität verbessern, indem die verfügbaren Informationen beider Beteiligten in den Plan einfließen.
Der Geschäftsplan bietet darüber hinaus auch eine geeignete Plattform für die Kommunikation und Koordination entlang der Lieferkette. Der zweite Schritt wird von vielen Experten als das Kernstück des Prozesses bezeichnet. Auf dem Geschäftsplan beruhen alle weiteren CPFR-Prozessschritte. Je besser und detaillierter die gemeinsamen Maßnahmen zur Geschäftsentwicklung vereinbart und umgesetzt werden, desto besser ist die Basis für die Zusammenarbeit im Prognosebereich.

Der Prognoseprozess (Schritt 3 bis 8)
Schritt 3: Entwicklung einer Abverkaufsprognose

Der Geschäftsplan wird in eine Prognose umgesetzt. Zielsetzung der Abverkaufsprognose ist es, die Warenverfügbarkeit bis zum Konsumenten zu verbessern. Dabei beziehen beide Seiten die erwarteten Bedarfsmengen in die Kapazitätsplanung ein. Dies beginnt bei der Produktionsplanung in den Werken der Industrie unter Einbeziehung der Vorlieferanten. Es setzt sich weiter fort in der Bestandsplanung der Distributionszentren und endet in den Geschäften. Eine hohe Prognosegenauigkeit verbessert die Verfügbarkeit des Produkts und optimert gleichzeitig die Bestände entlang der Lieferkette.
Je mehr vergangenheitsbezogene Daten die Partnerunternehmen mit zukunftsbezogenen Informationen aus dem Geschäftsplan verknüpfen können, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der erwartete Bedarf dem tatsächlichen entspricht.

Hersteller und Händler berücksichtigen dabei vergangenheitsbezogene Daten wie Point-of-Sale-Daten, Lieferdaten, Veränderungen im Kaufverhalten der Konsumenten und zukunftsbezogene Daten wie Promotionsaktivitäten. Die Absatzvorhersage wird damit zuverlässiger und überführt so die Aussagen des gemeinsamen Geschäftsplans (Schritt 2) in einen höheren Detaillierungsgrad.

Schritt 4: Erkennen von kritischen Abweichungen in der Abverkaufsprognose

Eine sogenannte kritische Abweichung ist dann erreicht, wenn der Abstand zwischen der Prognose und einer anderen Bezugsgröße ausserhalb eines definierten Korridors liegt. Abweichungen resultieren aus dem Vergleich einer Prognose mit einer Bezugsgröße, wie zum Beispiel:

  • Prognose Handel gegen Prognose Hersteller.
  • Aktuelle gegen vorherige Prognose.
  • Prognose gegen Abverkauf am Point Of Sale (Soll-Ist).

Kritische Abweichungen liegen dann vor, wenn die im Geschäftsplan festgelegten Toleranzgrenzen über- oder unterschritten werden, zum Beispiel Prognose gegen Abverkauf plus oder minus 20 Prozent.
Dieser Schritt zeigt insbesondere, dass das CPFR-Modell ein „lernendes“ Modell ist. Die gemeinsame Arbeit konzentriert sich dabei auf das Bearbeiten der kritischen Abweichungen. Idealerweise haben die Partner Systeme zur Verfügung, die kritische Abweichungen erkennen, dokumentieren und den Anwender automatisch darauf aufmerksam machen.

Um Prognosen auszutauschen und zu vergleichen, müssen nicht zwingend beide Partner über entsprechende Prognosesysteme verfügen (wie die oben genannten Bezugsgrößen bereits verdeutlichen).
Möglich ist auch, dass einer der Partner die Verantwortung für die Erstellung der Prognose übernimmt. Wesentlich ist, dass Prognosen erstellt werden, beide Partner mit den gleichen Daten arbeiten und über kollaborative Prozesse zu einer Prognose kommen, die beide Seiten gemeinsam tragen.

Wenn beide Partner Prognosen erstellen und systemgestützt miteinander vergleichen, sollten sie die Toleranzgrenzen für das Erkennen kritischer Abweichungen nicht zu eng bestimmen. Ebenfalls sollten sie sich darauf einigen, für welche Artikel sie welche Toleranzgrenzen definieren. Ansonsten laufen beide Seiten Gefahr, einen beträchtlichen Aufwand für das Lösen der kritischen Abweichungen leisten zu müssen.
Eine Einschränkung auf häufig vermarktete Artikel kann zum Besipiel helfen.
Für Artikel, die „lediglich“ über das Regal abverkauft werden, können die Kooperationspartner breitere Toleranzgrenzen vereinbaren. Diese sollten von den angestrebten Höhen der Sicherheitsbestände abhängen.
Erst wenn die gemeinsam erzielten Ergebnisse zur Prognosegenauigkeit konstant innerhalb der angesetzten Bandbreite liegen, kann man den nächsten Schritt machen und die Bandbreite enger definieren.

Schritt 5: Bearbeitung der kritischen Abweichungen und Aktualisierung der Abverkaufsprognose

Im fünften Schritt bearbeiten und klären Hersteller und Händler die ermittelten kritischen Abweichungen durch „Real-Time-Kommunikation“. Jede Änderung fließt sofort in die aktualisierte Abverkaufsprognose ein. Die beschleunigte Kommunikation und Entscheidungsfindung zwischen den Partnern erhöht die Zuverlässigkeit der später erfolgenden Bestellung.

Schritt 6: Entwicklung einer Bestellprognose

In diesem Schritt verknüpfen die Kooperationspartner die Daten über die tatsächlichen Point-of-Sale-Abverkäufe, offene Aufträge und Transitware mit ihren individuellen Bestandsstrategien. Damit soll eine spezifische Bestellprognose generiert werden. Die damit entwickelte Vorschau auf Bestellungen stellt eine höhere Detaillierung der Daten aus dem gemeinsamen Geschäftsplan (Schritt 2) und der Verkaufsprognose (Schritt 3) dar. Die ermittelten Bestellvolumina basieren auf den Bestandszielen pro Produkt und dem Bestimmungsort der Waren (Dies berücksichtigt die Frage, wieviel Vorlauf nötig ist, um die Güter zum Zielort zu bringen). Weiterhin sind die Bestelldaten zeitlich differenziert. Die kurzfristige Bestellprognose wird für die tatsächliche Bestellung verwendet. Die langfristige Bestellprognose fließt in die Gesamtplanung ein.


Schritt 7: Erkennen von kritischen Abweichungen in der Bestellprognose

Im siebten Schritt werden alle Produkte identifiziert, die von den gemeinsam gesetzten Annahmen der Bestellprognose abweichen.
Das Ergebnis ist eine Liste mit denjenigen Artikeln, die auf der Basis der in der Kooperationsvereinbarung gesetzten Kriterien als Ausnahmen gewertet werden müssen.

Schritt 8: Bearbeitung der kritischen Abweichungen und Aktualisierung der Bestellprognose

Im achten Schritt (vergleichbar mit Schritt 5) klären und bearbeiten die Partner die Bestellprognose-Ausnahmen durch „Real-Time-Kommunikation“.
Jede Änderung fließt sofort in die aktualisierte Abverkaufsprognose ein.
Die beschleunigte Kommunikation und Entscheidungsfindung zwischen Hersteller und Händler erhöht die Zuverlässigkeit der im nächsten Schritt durchgeführten Bestellung.

Der Bestellprozess
Schritt 9: Auftragsgenerierung


In dem letzten Schritt wird die ermittelte Bestellprognose in eine feste Bestellung gewandelt. Die Generierung der Bestellung erfolgt entweder immer vom Hersteller oder immer vom Händler.
Die Entscheidung darüber sollte davon abhängen, wer die höhere Kompetenz in der Prozessabwicklung hat, wer mit welchen Systemen ausgestattet ist und über wieviele freie Ressourcen die Partner verfügen.


Quelle:
“CPFR – Supply Chain Management der nächsten Generation” (Bonn: Galileo Press, 2002)

Autor: Dr. Dirk Seifert war bis August 2002 Leiter einer ECR/CPFR-Forschungsgruppe an der Harvard Business School und Professor für Management und Marketing an der University of Massachusetts. Zuvor war er Direktor bei der Bertelsmann AG und im Category Management von Procter & Gamble tätig. Seit September 2002 ist er in führender Position für ein internationales Handelsunternehmen tätig.
eingestellt am 20. Januar 2003