Wie Hersteller den Graumarkt bekämpfen können

Hersteller von Unterhaltungselektronik oder Computern, aber auch Textilwaren- und Parfüm-Hersteller haben gleichermaßen mit dem grauen Markt zu kämpfen. Allein für Technologie-Produkte werden jährlich Waren im Wert von geschätzt 58 Milliarden Dollar außerhalb der autorisierten Distribution vertrieben. Für den Hersteller bedeutet der graue Markt einen Verlust an Marge und zieht Probleme mit der offiziellen Distribution nach sich. Ein effektives Management der Verkaufskanäle sowie gezielte Ermittlungen können helfen, die mit dem Graumarkt verbundenen Schäden zu vermindern.

Von Bastian Moritz

Unautorisierte Händler argumentieren gerne, dass es den Herstellern nur um ihre Marge ginge, wenn sie die Preise in den Ländern unterschiedlich gestalten. Dabei ist es bei genauer Betrachtung nachvollziehbar, wenn zwischen den Regionen zum Teil signifikante Preisunterschiede bestehen. So weichen zum Beispiel gesetzliche Garantieansprüche, Umweltbestimmungen, Produktanforderungen sowie damit verbundene Vertriebs- und Servicekosten erheblich voneinander ab. Zwar könnten die Hersteller den Weg einer Misch-Kalkulation wählen und einen global einheitlichen Preis bestimmen. Damit wären sie jedoch in vielen Regionen nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn Mitbewerber mit lokal kalkulierten Preis-Modellen operieren. Sofern im Rahmen von Großprojekten zusätzliche Discounts gewährt werden, steigt die Gefahr, dass Ware in unautorisierte Kanäle fließt, weiter an.

Verbrauchern fehlt Problembewusstsein

Gerade im IT-Sektor gibt es international agierende Gruppen, die sich darauf spezialisiert haben, sich solche zusätzlichen Preisnachlässe zu erschleichen. Da dies nicht selten unter falschen Angaben und zum Teil auch durch Bestechung erreicht wird, überschreiten sie die Grenzen zur Strafbarkeit. Die gleiche Gefahr besteht bei gezielten Promotion-Aktionen in einem schwierigen Absatzmarkt, aus denen Produkte in eigentlich stabile Märkte abfließen und dort die Preise drücken. Die Einfuhr von Produkten von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums in den selbigen ist justitiabel, sofern dies gegen den Willen des Markeninhabers geschieht.

Häufig ist dem Kunden nicht bewusst, ein Graumarkt-Produkt gekauft zu haben. Selbst wenn dies offensichtlich ist (zum Beispiel wenn eine Kamera auf dem Online-Marktplatz Ebay mit Artikelstandort Hong Kong angeboten wird), fehlt bei Verbrauchern in der Regel ein Problembewusstsein für die Thematik – sie freuen sich über das vermeintliche Schnäppchen. Wenn dann aber zum Beispiel die Gebrauchsanleitung unlesbar ist, Geräte mit den falschen Steckern ausgeliefert werden, oder ein Software-Update streikt, trübt sich die Freude. Die Bindung des Endkunden an die Marke nimmt Schaden. Nicht selten ist Ware vom grauen Markt auch mit Produktfälschungen durchsetzt, da die Wiederverkäufer keine wirkliche Kontrolle hinsichtlich ihrer Quellen haben.

Wer beliefert den grauen Markt?

Akteure lassen sich häufig entlang der gesamten Vertriebskette finden. Zum einen kommt es vor, dass Teile der offiziellen Distribution nicht autorisierten Händlern Waren anbieten, um ihre eigenen Umsatzergebnisse zu verbessern. Zum anderen treten unautorisierte Händler oder entsprechende Scheinfirmen auch als potenzielle Kunden auf und täuschen einen großen Eigenbedarf vor beziehungsweise einen Sonderverkauf in einer wirtschaftlich schwierigen Region. Sobald die hoch discountierten Waren dann ausgeliefert wurden, wandern diese an Händler in den starken Absatzmärkten. Manchmal werden auch Angestellte der Hersteller bestochen, sofern sie einen Einfluss auf den Entscheidungsprozess hinsichtlich der gewährten Discounts haben.

Ein überregionales Problem

Auch im Vertrieb bei den Herstellern besteht hinsichtlich des Graumarkts oft keine ausreichende Sensibilität. Das liegt auch daran, dass die negativen Folgen nicht im Ursprungsland auftreten. Wenn also zum Beispiel hoch discountierte Waren in Ost-Europa verkauft werden und letztlich in Deutschland auftauchen, profitiert der Vertrieb in Ost-Europa zunächst davon, während den Schaden dann die Kollegen in Deutschland haben. Unternehmer sind aufgefordert, über sporadische Aktionen hinaus eine wirksame Anti-Graumarkt-Strategie aufzubauen. Den Anfang dessen markiert zunächst eine einheitliche Firmenphilosophie. Regionale Vertriebsinteressen sollten hinter dem globalen Ergebnis zurückstehen. Den Mitarbeitern ist zu verdeutlichen, dass der graue Markt einen Schaden für das Unternehmen als Ganzes darstellt. Vom Mitarbeiter wird erwartet, dass er danach handelt und nicht nur seinen lokalen Umsatz im Auge hat.

Partner, Verträge und Konsequenzen

Der zweite Baustein in der Strategie sind die Verträge mit den Distributionspartnern. Hier sollten nicht nur die Rahmenbedingungen für den Vertrieb im Detail beschrieben werden, sondern auch Auditierungs-Optionen, Dokumentierungspflichten, sowie mögliche Strafzahlungen geregelt werden. Die Hersteller sind jedoch gut beraten, ihre Distributionspartner nicht nur als mögliche Bezugsquelle des grauen Markts zu betrachten, sondern auch als Verbündete. Die meisten Reseller haben kein Interesse daran, die Preise in den Keller zu treiben und verhalten sich absolut vertragskonform. Es gilt, ein offenes Ohr für die Partner zu haben, die häufig eine viel bessere Einsicht in die Märkte haben und so ggf. wertvolle Hinweise beisteuern können.

Know Your Customer

Schwieriger gestaltet es sich, wenn der Hersteller einen Abfluss von Produkten bei einem Kunden feststellt, da hier meist kein entsprechendes Vertragsgerüst besteht beziehungsweise gewünscht ist. Zumindest bei Großprojekten gilt es daher, präventiv tätig zu werden und sich hinsichtlich des Kunden im Vorfeld ausreichend zu informieren:

  • Wie lange gibt es die Firma bereits?
  • Wer beim Kunden hat den Auftrag platziert? Ist das Senior Management wirklich informiert?
  • Sind Verbindungen zu bekannten Graumarkt-Händlern ersichtlich?
  • Passen Order-Volumen, das vermeintliche Projekt, die Firmengröße und Mitarbeiterzahl zusammen?

In vielen Teilen der Welt sind solche Informationen nicht so einfach zu generieren.

Um einen Abfluss an Produkten in den grauen Markt tatsächlich zu erkennen, bedarf es eines Monitoring. Hierzu zählen regelmäßige, stichprobenartige Testkäufe genauso wie Seriennummern-Tracking, Auswertung von Garantiefällen oder sonstigen Eskalationen. Momentan ist unter anderem ein Trend zu erkennen, dass Waren an Embargo-Staaten verkauft werden, in denen der Hersteller keinen eigenen Vertrieb unterhält. Dort gibt es keine offiziellen Service-Partner, so dass hier die Nachverfolgung über die Seriennummern abbricht.

Netzwerke erkennen, pro-aktiv handeln

Um alle Informationen zusammenzuführen, empfiehlt sich der Einsatz einer Intelligence-Plattform, mit der sich die Datenmengen unter anderem aus in Berichten, Dokumenten, Diagrammen, E-Mails, Webseiten, Telefonmitschnitten, Fotos oder Videos und sonstige, unstrukturierte Informationen zusammentragen, analysieren und visualisieren lassen. Mithilfe intelligenter Datenanalysen können ungeahnte Zusammenhänge zutage treten, beispielsweise über Jahre kooperierende Täter. Eine solche zentrale Informationsbasis wächst idealerweise stetig. Sie ermöglicht es Herstellern, den Handel mit solchen Playern schon im Vorfeld zu unterbinden.

Um die Maßnahmen erfolgreich zum Ziel zu führen, müssen die Untersuchungsergebnisse so aufbereitet sein, dass sie in eine rechtskräftige Verfolgung der Täter münden können. Hierbei ist zu beachten, dass die Beweiserbringung gemäß den jeweils im Land geltenden Rechtsvorschriften erfolgen muss. Professionell aufbereitete Ermittlungsergebnisse unterstützen die Zusammenarbeit mit der Polizei und der jeweiligen Strafverfolgungsbehörde. Für einen optimalen Informationsfluss kann den Behörden auch ein direkter Einblick in die Intelligence-Plattform gegeben werden.

Über den Autor:
Bastian Moritz ist Senior Investigator bei der Corma GmbH.