Wie der ehemalige Staatskonzern seine Monopolstellung verliert – Der Post-Check im NDR

Was passiert mit meiner Adresse? Liefert die Post pünktlich? Zahlt sie fair? Nach einem Beitrag über Rewe haben sich NDR-Reporter wieder auf die Suche nach Missständen in Deutschlands großen Unternehmen gemacht. Bei der Post sind sie fündig geworden. Verspätete Briefe, schlechte Arbeitsbedingungen und Verkauf von Kundendaten lasten dem Logistikunternehmen zwar keine rechtlichen Verfehlungen an, lassen es aber dennoch schlecht dastehen.

Von Anne-Kathrin Keller

Briefe sind Emotionen – egal, ob Liebesbrief, Rechnung oder Urlaubspostkarte. E-Mail und SMS zum Trotz kommen die wichtigsten Nachrichten immer noch per Post. 66 Millionen durch die Deutsche Post verschickte Briefe landen täglich in deutschen Briefkästen. Trotz immer mehr Konkurrenzprodukten am Markt und Anstrengungen anderer Anbieter bleibt die Deutsche Post eine Marktmacht: 90 Prozent der Briefe werden mit der Deutschen Post verschickt, 50 Prozent der Pakete mit der Post-Tochter DHL. Früher ein Staatsbetrieb, ist die Deutsche Post heute ein Weltkonzern.

Sie ist inzwischen das größte Logistikunternehmen der Welt. Sie macht 53 Milliarden Euro Umsatz, beschäftigt weltweit 470.000 Mitarbeiter. Gerade die Paketsparte ist ein Wachstumsmarkt und die Deutsche Post liefert überall hin. Allein die Größe und Relevanz des Unternehmens ist für den NDR Grund, den Konzern in der Sendung Marktcheck unter die Lupe zu nehmen. Es ist der zweite große Unternehmenstest in der aktuellen NDR-Reihe. In der vergangenen Woche prüften die Reporter Rewe. Getestet wurde nun die Deutsche Post auf Pünktlichkeit, Preis und Zuverlässigkeit.

Prüfung unter Vorurteilen

Der NDR geht nicht ohne Vorerfahrung und Vorurteile an den Marktcheck. Bereits 2011 knüpfte sich der Sender die Deutsche Post vor. Damals hatte ein Reporter für die Sendung Panorama wochenlang als Paketzusteller undercover gearbeitet. Beschäftigt war er in einem Tochterunternehmen der Deutschen Post DHL. Im Zentrum des Beitrags standen die Arbeitsbedingungen der Paketbranche, die sich durch den wachsenden Onlineshopping-Markt noch einmal verschlechtert haben. Die Arbeitsverhältnisse, die der Panorama-Reporter antraf: Eine Sechs-Tage-Woche, nicht bezahlte Überstunden, knapp 1.000 Euro netto, Betriebsräte gibt es nicht. Panorama sprach von ganz normaler Ausbeutung in Deutschland. Die Deutsche Post reagierte auf den Beitrag mit dem Titel „Die Paketsklaven“ und kündigte dem Subunternehmer.

Auch diesmal waren die Reporter auf der Suche nach Missständen. Der erste: ein Verstoß gegen die Post-Universaldienstleistungsverordnung. Darin ist gesetzlich verankert, dass die Post mindestens 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag zustellen muss. Laut Aussagen und Studien der Post sind es sogar 95 Prozent der Briefe, die die Deutsche Post über Nacht ausliefert.

Die Fernsehreporter haben in ganz Deutschland Briefe mit den unterschiedlichsten Zielen eingeworfen und kamen zu einem anderen Ergebnis: Lediglich 60 Prozent der Briefe landeten am nächsten Werktag im Briefkasten der Empfänger. Angesprochen auf die abweichenden Zahlen, äußerte sich die Post gegenüber dem NDR, der Übernacht-Service sei vielmehr ein Kundenanspruch, dem das Unternehmen genügen wolle, nicht aber ein Versprechen. Dennoch lautet die Formel, mit der die Post Werbung macht, „E+1“ – ein Brief, der heute eingeworfen wird, ist nach einem Tag da.

Top Paketenservice, mangelhafte Briefzustellung

Briefe brauchen schon einmal länger. Ist die Post-Tochter DHL zuverlässig genug bei der Paketzustellung? Die Tester haben Pakete mit zerbrechlichen Gläsern befüllt und von verschiedenen Standorten mit unterschiedlichen Zustellern verschickt. DHL war sowohl am schnellsten als auch am sichersten. Innerhalb von fünf Tagen war das Paket inklusive heilen Gläsern am Zielort. Die Paketzusteller DPD und GLS brauchten für den gleichen Transportweg eine Woche, teilweise waren die Gläser kaputt.

Kaputte Gläser, etwas verspätet zugestellte Briefe – das sind noch keine echten Skandale für die Reporter. Fündiger werden die Investigativjournalisten bei dem Umgang mit Mitarbeitern. Die Deutsche Post hat in den vergangenen Jahren massiv Arbeitsplätze abgebaut. Von 2001 bis heute habe die Post nach NDR-Angaben 55.000 Stellen gestrichen, von 2011 bis heute ist die Mitarbeiterzahl in Deutschland von 224.000 Mitarbeitern auf 168.000 geschrumpft. Ein Teil der Arbeit wurde ausgelagert. Selbstständige Subunternehmer arbeiten im Auftrag des Konzerns als Servicepartner. Laut NDR werden mittlerweile 990 Bezirke in Deutschland von solchen Unternehmern beliefert.

Subunternehmen mit rechtswidrigen Arbeitsbedingungen

Mit dem Beauftragen von Subunternehmen gibt die Post auch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen aus der Hand. Diese sind bei den Partnern häufig schlechter als im Konzern. Einem Subunternehmer wurde vor kurzem gekündigt, weil er Arbeitnehmer zu rechtswidrigen Arbeitsverträgen drängte: Er verlangte eine Mindest-Arbeitszeit von 40 Stunden, die meisten arbeiteten bis zu 60 Stunden. Gezahlt hat der Unternehmer knapp fünf Euro pro Stunde.

Solche Arbeitsverhältnisse könnten eine mögliche Folge des Drucks sein, den die Deutsche Post auf die Subunternehmen ausübt: Der Konzern zahlt nur, wenn die Pakete auch tatsächlich zugestellt worden sind. Das veranlasst Zusteller dazu, im Laufe des Tages ihre Runde mehrfach zu fahren, in der Hoffnung, möglichst viele Paketempfänger anzutreffen und das Paket ausliefern zu können. Die Deutsch Post selbst – so die NDR-Reporter – bezahlt ihre eigenen Mitarbeiter fair.

Filialnetz in fremden Händen

Ebenfalls in fremde Hände übergeben hat die Post ihr Filialnetz. Kaum noch Poststellen werden tatsächlich vom Konzern betrieben. 1993 hat das Unternehmen begonnen, mit Kaufleuten aus dem Einzelhandel zusammenzuarbeiten. Es wurde ein Konzept erarbeitet, dass Einzelhändler die Angebote der Post als Zusatzleistung zu ihrem Kerngeschäft anbieten. An Orten, an denen auch dieses Modell nicht funktioniert, betreiben Gemeinden Poststellen, subventioniert durch Steuergelder. So zahlt die Stadt Böklund jährlich 18.000 Euro für Miete und Personal in ihrer Postzentrale. Geld, das nicht erwirtschaftet wird. Die NDR-Reporter schätzen, dass rund 200 deutsche Gemeinden in Deutschland personell und finanziell für eine eigene Poststelle aufkommen.

Aufgrund von E-Mails und einem immer günstiger werdenden Telekommunikationsnetz musste sich die Deutsche Post neue Geschäftsfelder suchen. Eines ist der Adresshandel geworden. Das überrascht nicht, sitzt das Unternehmen doch an der Quelle. Dennoch ist der Bereich sensibel. Die Deutsche Post Direkt beliefert als Tochterfirma der Post die Werbewirtschaft mit zielgenauen Kundenadressen. Neben der bloßen Lieferung übernimmt das Unternehmen auch die Auswertung und arbeitet genaueste Zielgruppen heraus. Gezogen werden die Informationen dafür unter anderem aus Nachsendeanträgen, da hiermit werberelevante Zielgruppen genau festgelegt werden können.

Deutsche Post braucht Zukunftsstrategie

Tatsächlich mutet es seltsam an, dass gerade bei Paketen, wo die Konkurrenz hoch ist, die Zustellung sehr gut ist, bei Briefen jedoch, wo kaum Konkurrenten am Markt sind, die Lieferung häufig mangelhaft ist. Behandelt die Post ihre Mitarbeiter sehr gut, erschrecken Zustände bei Subunternehmen. Dennoch: Die NDR-Reporter konnten keine Verfehlungen bei der Post finden. Auch die Missstände bei Subunternehmen liegen nicht im direkten Verantwortungsbereich der Post. Ebenso steht die Adressensammlung, so wie von der Post betrieben, nicht im Konflikt mit gesetzlichen Regelungen. Was dennoch bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack.

Bislang hat die Deutsche Post noch eine monopolartige Stellung. Sie bestimmt Preise und Marktstandards. Der ehemalige Staatskonzern muss sich allerdings Gedanken über seine Zukunftsfähigkeit machen. Mitbewerber, die einen Teil des Marktes übernehmen wollen, stehen bereit. So haben kürzlich die Telekom und 1&1 bereits angegriffen und das Konkurrenzprodukt De-Mail gestartet. Beteiligt sind die Großkunden Allianz und Targo-Bank. Weitere 40 Großunternehmen testen derzeit das rechtsverbindliche E-Mail-System. Das Produkt ist günstiger und schneller als ein herkömmlicher Brief. Der von der Deutschen Post eingeführte E-Brief konnte Kunden bisher nicht überzeugen.

In der kommenden Woche fühlen die NDR-Reporter im wahrsten Sinne des Wortes auf den Zahn: Der große Zahnpflegecheck soll zeigen, was wirklich hilft. absatzwirtschaft online wird auch diesen Beitrag kritisch betrachten. In der vergangenen Woche wurde Rewe vom NDR getestet: Marken-Check im NDR – Rewe lässt keinen Raum für Skandale