Kolumne: Wertschätzung zwischen Unternehmen und Agenturen geht anders

Anhand eines aktuellen Beispiels illustriert GWA-Präsident Benjamin Minack, was eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Agenturen schwierig macht und was schon beim Start schief laufen kann.
Benjamin Minack ist Gründer der Agentur ressourcenmangel und Präsident des GWA.

Na, erinnern Sie sich noch? Weihnachten? Der letzte Adventssonntag? Beschauliche Stimmung. Alle freuen sich ein paar besinnliche Tage zwischen den Jahren. Alle? Nein, nicht alle. Ein einsamer Marketingleiter hat so kurz vor dem Fest noch andere Pläne:

„Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie unser Briefing für die Einführungskampagne unseres neuen Blockchain-Produktes. Sicherlich sehen Sie die großen kommunikativen Herausforderungen bei der Einführung dieses strategisch für uns besonders relevanten Produktes. Wir haben uns daher nach umfassendem Auswahlprozess auch für Ihre Agentur als Teilnehmer an unserem kompakten Auswahlprozess entschieden. Wir freuen uns über Ihre Vorstellungen (bitte nur erste Ideenskizzen) bis zum 28.12.2018. Mit den besten Wünschen für ein besinnliches Weihnachtsfest, Ihr Torben Schneider (Name geändert)“.

Die Antwort geht leicht von der Hand:

„Lieber Herr Schneider, vielen Dank für Ihre Nachricht, über die wir uns sehr gefreut haben. Ich habe noch eine Nachfrage zum Timing. Könnte ich Sie dazu anrufen?“. Herr Schneider hat offenbar schon auf die eingehenden Reaktionen der Agenturen gewartet, denn seine nächste Mail folgt binnen Sekunden: „Dear Mailer, I am out of office until 07.01.2019.“

Nein, das ist kein Einzelfall. Es ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie schlecht es um die Kinderstube in deutschen Marketingabteilungen steht. Neben unrealistischen Terminvorgaben auch gerne genommen: Briefing-Rundreisen über mehrere Kontinente, keine oder unzureichende Antworten auf Nachfragen im Pitch, intensive Smartphone-Nutzung während der Präsentation, zweizeilige Absage-Mails nach dem Auswahlprozess mit zwölf Agenturen und der Klassiker „Ein Pitch-Honorar hat uns der Einkauf verboten“.

Beste Strategie, bestes Konzept, beste Umsetzung

Der neueste Trend im Geschäft ist das Outplacement von Kollegen im Marketing, die nicht mehr in die eigene FTE-Betrachtung fallen sollen. Die am Wettbewerb teilnehmende Agentur könne ihre Erfolgsaussichten steigern, wenn sie sich schon jetzt zur Übernahme der Aussortierten bereit erklären würde.

Wertschätzung geht anders. Die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf lange Zeit kann so nicht geschaffen werden. Deshalb werden viele der führenden Agenturen dergleichen auch nicht mitmachen, was nicht im Sinne der Marketingverantwortlichen und deren Unternehmen sein kann. Ein harter Wettbewerb um die beste Strategie, das beste Konzept, die beste Umsetzung und natürlich auch um das wirtschaftlichste Angebot brauchen einen anderen Start. Versuchen Sie es einfach mal.