Wenn Jogi Löws Nivea-Deo versagt: Die menschliche Seite der Testimonials

Nationaltrainer Jogi Löw hat sich während des Fußballspiels Deutschland gegen Ukraine am vergangenen Sonntag vor laufenden Kameras mal wieder blamiert. Der entsprechende Clip geht im Social Web herum. Der Bundestrainer wirkt in diesen Tagen so, als interessiere ihn nicht, wer ihm zuguckt, ob Journalisten oder Kameras ihn beobachten. Was passiert mit dem Markenimage, wenn sich ein Testimonial daneben benimmt?

In den letzten Jahren ist Bundestrainer Joachim Löw zu einer wahren Mode-Ikone aufgestiegen. Alles, was er trug, war ein paar Tage später ausverkauft. Sein blauer Kaschmirpulli mit V-Ausschnitt von der WM 2010 in Südafrika gelangte später als „Glücks-Pulli“ ins DFB-Museum. Doch das Image des „Style-Influencers“ bröckelt nach dem Fauxpas am letzten Wochenende. Denn nicht nur der Griff in die Hose, dessen Bilder das italienische Fernsehen verbreitete und die im Social Web – versehen mit hämischen Kommentaren – zum Klickhit wurden, sondern auch das verschwitzte Shirt bleiben im Bewusststein der Zuschauer – und auch im Bewusststein der Marken.

Ein Baumarkt hätte sicher weniger Probleme als ausgerechnet Nivea

Löws T-Shirt stammt von der Marke Boss. Die ist der offizielle Ausstatter der deutschen Fußball-Nationalelf und kleidet die Nationalelf zur Europameisterschaft in Frankreich ein. Team-Manager Oliver Bierhoff sagte im Vorfeld: „Hugo Boss ist der ideale Partner für uns, denn uns verbindet die Ambition, auf unseren Feldern das Beste zu geben. Zu einem guten Auftritt neben dem Spielfeld gehört gute Kleidung.“ Dass Jogi Löws Boss-Shirt für 84,94 Euro zumindest nicht Schweiß-resistent ist, wissen die TV-Zuschauer seit Sonntagabend. Dem Unternehmen Boss wird dieser „Werbe“-Effekt nicht gerade gefallen. Und auch die Marke Nivea, die den Bundestrainer seit 2008 als Markenbotschafter von Nivea Men verpflichtet hat, leidet unter den Reaktionen in den sozialen Netzwerken.

Denn wenn das Deodorant versagt, passt das nicht unbedingt in das Bild, das ein Kosmetikhersteller vermitteln will. „Natürlich sind solche Ausrutscher wie jener von Joachim Löw am Wochenende für die Werbepartner nicht schön. Ein Baumarkt hätte damit sicherlich auch weniger Probleme als ausgerechnet eine Kosmetik-Marke wie Nivea“, meint Hans Christian Biedermann von der Agentur Special Key Berlin. Biedermann sorgt dafür, dass bei Werbedeals das Zusammenspiel zwischen Promi und Marke harmoniert – und daraus eine runde Zusammenarbeit wird, wie damals Hape Kerkelings Auftritt als Horst Schlämmer für VW.

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Wenn das Testimonial ausrastet

Es ist nicht das erste Mal, dass Testimonials sich konträr zu der von ihnen beworbenen Markenbotschaft verhalten. Von Models, die auf Koks abstürzen und millonenschwere Werbedeals mit Luxusmarken haben, dürften die meisten schon mal gehört haben. „Bei Drogen-Missbrauch liegt das Toleranz-Level unserer Kunden bei Null. Wenn hier ein Testimonial straffällig wird, sehen die Verträge in der Regel eine sofortige Kündbarkeit des Vertrages durch das werbetreibende Unternehmen vor“, sagt Testimonial-Experte Biedermann. Tiger Woods verlor viele Werbeverträge zu der Zeit einer öffentlich gewordenen Sex-Affäre. Boris Beckers Biografie gefiel den Werbekunden ebenso wenig: Der Tennis-Star musste nach der Veröffentlichung seines Buchs 2013 Werbeverluste hinnehmen. Der Vertrag mit Mercedes-Benz wurde noch vor Ende der Laufzeit aufgehoben.

Auch an Jürgen Klopps Ausraster am Spielfeldrand musste sich die Automarke Opel erst gewöhnen. Doch der Sympathieträger behielt selbst beim Wechsel nach Liverpool seinen Werbevertrag mit Opel. „Wer Jürgen Klopp als Testimonial bucht, weiß um seine Break-outs am Spielfeldrand oder vor den Reporter-Mikros. Gerade deshalb lieben ihn ja seine Fans – wegen seiner Authentizität. Wer damit als Unternehmen nicht umgehen kann, sollte besser Howard Carpendale buchen“, sagt Biedermann.

Denn was man in der Diskussion nicht vergessen dürfte: Auch Fußballprofis, Trainer, Promis sind nur Menschen. „Gleich einen langjährigen, erfolgreichen Werbedeal kündigen? Das wäre sicherlich zuviel des Guten“, so Biedermann. Für ihn steht fest, dass am Ende des Tages alle Vertreter der deutschen Nationalmannschaft eben  Menschen sind, „denen auch mal ein Malheur passiert – so what? Viel wichtiger für die Fans sind doch letztendlich die Erfolge auf dem Platz.“