Was wirklich im Danone-Urteil steht

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat in der schriftlichen Urteilsbegründung die Auffassung des Werbekunden Danone bestätigt. Danach sind alle von den Medien gewährten Rabatte offenzulegen und auf Basis des Geschäftsbesorgungsvertrages von der Mediaagentur an den Kunden weiterzugeben. Ein Urteil mit Signalwirkung, das die behauptete eigene Wirtschaftsstufe der Mediaagenturen erneut in Frage stellt.

Aus München berichtet Michael Ziesmann

Nach der deutlichen Kritik vom Landgericht Wiesbaden am Umgang mit Kundengeldern in einer Grauzone, dem Landgericht München und der Staatsanwaltschaft München (absatzwirtschaft berichtete) wurde das Oberlandesgericht München ebenso deutlich. Werbekunde Danone hatte seine langjährige Mediaagentur Carat am 27. Dezember 2007 auf Auskunft und in weiterer Folge auf Schadenersatz verklagt. Am 30. März 2009 urteilte das Landgericht München in erster Instanz vollständig zugunsten von Danone. Das Oberlandesgericht München konkretisierte dieses Urteil am 23. Dezember 2009 und reduzierte den Auskunftsanspruch.

Die Mediaagentur Carat muss demnach alle nicht kundenbezogenen Vergünstigungen offenlegen, die auch verbundenen Unternehmen (wie der Einkaufsgesellschaft Aegis Media Central Services) von Medien gewährt wurden, bei denen Werbespots von Danone gebucht wurden. Da Rabatte nicht linear berechnet werden können, steht Danone mit diesem Endurteil ein größerer Anteil an der „Schatzkiste der Mediaagentur“ zu, als Werbekunden mit kleineren Etats. Im Urteil erkennt der Senat auch Erträge aus eigenunternehmerischer Tätigkeit der Mediaagentur an. Was aber nicht daran hindert, auch diese offenzulegen, damit Danone eine Berechnung des von Carat zu zahlenden Schadenersatzes vornehmen kann. Insider gehen auf Basis des Nettowerbevolumens und einer kumulierten Rabattsumme von rund 68 Prozent davon aus, dass dies für den Zeitraum 2003 bis 2005 eine Summe von etwa 20 Millionen Euro sein wird.

Danone wurde auf Basis eines Geschäftsbesorgungsvertrages aus dem Jahre 1999 betreut, der im Jahr 2003 ergänzt wurde. Kern des Rechtsstreites ist Punkt 2.2.10 dieses Vertrages, in dem es heißt: „Carat ist gehalten, für den Kunden alle am Markt realisierbaren Vorteile zu erzielen, die im Rahmen der gemeinsamen Geschäftsbeziehung erzielbar sind, und diese in voller Höhe an den Kunden weiterzuleiten. Wirtschaftliche Vorteile, die weder Tarifbestandteil der Medien noch marktüblich sind, aber dennoch von Carat beim Media-Einkauf durchgesetzt werden, werden in voller Höhe an den Kunden weitergegeben.“

Im Endurteil heißt es: „Die Beklagte (Carat, Anm.) wird verurteilt, gegenüber der Klägerin (Danone, Anm.) Auskunft zu erteilen über die Rabatte und sonstige Vergünstigungen, die sie oder von ihr zur Erfüllung von Aufträgen der Klägerin eingeschaltete verbundene Unternehmen in den Kalenderjahren 2003, 2004 und 2005 von Fernsehsendern (respektive deren Vermarktungsagenturen) erhalten haben, bei denen Werbespots der Klägerin geschaltet wurden, insbesondere über Naturalrabatte (Freispots), Rückvergütungen (Kick-Back-Zahlungen), sonstige nicht gegenüber der Klägerin abgerechnete Rabatte und Vergünstigungen – und zwar bei nicht kundenbezogenen Vergünstigungen welchen Anteil die von der Beklagten an den jeweiligen Fernsehsendern für Werbespots der Klägerin gezahlte Vergütung an der insgesamt von der Beklagten für Schaltungen von Werbespots gezahlten Vergütung bei dem Fernsehsender hat.“

Der 7. Senat am Oberlandesgericht München begründet dieses Endurteil deutlich: „Die Klägerin (Danone, Anm.) kann gemäß dem zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrag aus Ziffer 2.2.10 des Betreuungsvertrages Auskunft verlangen, jedoch nicht vollumfänglich wie klägerseits begehrt, sondern nur in eingeschränktem Umfang wie tituliert. Zunächst ist festzustellen, dass grundsätzlich der Anspruch, dem die begehrte Auskunft hier dienen soll, jedenfalls dem Grunde nach besteht, lediglich sein Inhalt und die Höhe der zu beziffernden Forderung noch offen sind.“

Im Urteil heißt es weiter: „Die Klägerin (Danone, Anm.) kann aus Ziffer 2.2.10 nicht nur die kundenbezogenen Rabatte, sondern grundsätzlich alle Rabatte und sonstige Vergünstigungen verlangen, die die Beklagte (Carat, Anm.) oder von ihr zur Erfüllung von Aufträgen der Klägerin eingeschaltete verbundene Unternehmen in den Zeiträumen 2003 bis 2005 oder nachfolgend, bezogen auf diesen Zeitraum erhalten haben, bei denen Werbespots der Klägerin geschaltet wurden (…) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Klausel 2.2.10 nicht dahingehend verstanden werden, dass die marktüblichen Rabatte hier ausgenommen werden sollten. Nachdem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung müssen sogar Rabatte, die nicht einmal marktüblich sind, erst Recht grundsätzlich an die Klägerin weitergegeben werden.“

Zugunsten von Carat schränkt der Senat im Urteil aber ein: „Nach dem hypothetischen Parteiwillen (…) können darunter nicht pauschal alle wirtschaftlichen Vorteile gemeint sein (…). Das Auftragsvolumen der Klägerin (Danone, Anm.) mag auch ohne Einfluss darauf sein, dass die Beklagte (Carat, Anm.) nach ihrem Vortrag den Einkauf von Media-Zeiten in einer Konzerngesellschaft, der Aegis Media Central Services, gebündelt hat, somit also die Nachfrage bündelt, die voraussichtlich im Rahmen eines Jahres entsteht und im Rahmen des Einkaufs dieser Media-Zeiten in gebündelter Form bessere Einkaufskonditionen erhält, als wenn ein Einzeleinkauf erfolgen würde. Insoweit handelt es sich auch um Erträge aus der eigenunternehmerischen Tätigkeit der jeweiligen Einkaufsgesellschaft.“ Jedoch ändert dies nichts am Urteil, denn weiter heißt es: „Die sonstigen Rabatte und Vorteile, die allerdings im Zusammenhang mit dem Auftragsvolumen der Klägerin stehen, sind an diese herauszugeben.“

Der 7.Senat am OLG München unter Vorsitz von Richter Martin Kainz hat sich offenbar intensiv mit der Materie beschäftigt. Im Urteil fügt der Senat vorausschauend hinzu: „Bei einer reinen Beschränkung auf die kundenbezogenen Rabatte wäre es der Beklagten (Carat, Anm.) bei den Verhandlungen mit den Medien ohne weiteres möglich, diese kundenbezogenen Rabatte möglichst weit nach unten festzulegen, und im Ausgleich hierfür die agenturbezogenen Rabatte anwachsen zu lassen.“ Mediaprofis sehen genau darin den Kern des Rechtsstreites und den Hauptgrund, warum Carat seinem ehemaligen Kunden Danone diese Auskunft hartnäckig verweigert.

Carat ließ in der mündlichen Verhandlung vom 14.Oktober 2009 vortragen, dass sich Rabatte nicht linear entwickeln und nicht prozentual berechnet werden könnten. Ein Eigentor für Carat, denn im Endurteil heißt es: „Zwar wird für den noch zu beziffernden Zahlungsanspruch letztlich zu berücksichtigen sein, dass der Klägerin (Danone, Anm.) nicht pauschal der prozentual errechnete Rabattanteil im Verhältnis zum sonstigen Kundenstamm der Beklagten (Carat, Anm.) zustehen wird. Vielmehr wird auch hier von Bedeutung sein, dass die Vergünstigungen nicht bei allen Kunden gleichmäßig verteilt sein dürften, etwa größere Unternehmen mit höheren Platzierungen von Media-Zeiten wohl prozentual gesehen einen besseren Rabattanteil zugesprochen erhalten, als eher kleinere beziehungsweise weniger bedeutende Unternehmen mit geringer Platzierung.“ Demnach darf Danone eine größere Rückzahlung zuviel bezahlter Mediakosten beanspruchen als bisher angenommen. Auch der Vortrag, Carat habe keine Kenntnis der Rabatte des verbundenen Unternehmens Aegis Media Central Services, folgte der Senat nicht: „Notfalls muss sie (die Beklagte Carat, Anm.) den Rechtsweg beschreiten, um sich die entsprechenden Kenntnisse zu verschaffen.“

Carat hatte argumentiert, dass das Jahr 2005 mit zusätzlichem Freispotvolumen im Wert von 500 000 Euro einvernehmlich beendet worden sei. Der Senat sieht das anders: „Die Beklagte (Carat, Anm.) hat nicht nachgewiesen, dass hinsichtlich der Ansprüche für das Jahr 2005 ein einvernehmlicher Abschluss erfolgt ist. Nach dem englischen Text ist lediglich ausgeführt, dass Carat 2005 mit zusätzlichen Freispots für 500 000 Euro vor dem Jahresende kompensiert. Die Klägerin (Danone, Anm.) hat hierzu substantiiert vorgetragen, dies sei für Unzulänglichkeiten in der Vertragsabwicklung wegen Nichterreichens der geplanten Werbeleistung im Jahr 2005 geschehen. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten und hat auch keine weiteren Beweisangebote für ihr Vorbringen erbracht.“

Ein Unternehmenssprecher von Danone äußerte auf Anfrage von absatzwirtschaft: „Das Urteil des OLG München stellt in der Begründung ausdrücklich klar, dass Danone nicht nur die kundenbezogenen Rabatte, sondern grundsätzlich alle Rabatte und sonstige Vergünstigungen verlangen kann. Es bestätigt damit unsere Rechtsauffassung, dass alle bei den Vermarktern erzielten Vorteile, Rabatte und Rückvergütungen uns gegenüber offen zu legen sind. Danone wird von Carat nun kurzfristig die Auskunft, die vollumfänglich über Freispots, Kickbacks und sonstige Vergünstigungen abzugeben ist, einfordern. Die Mediaagenturen sollten das Urteil als Chance begreifen. Für sie bietet sich jetzt mehr denn je die Gelegenheit, sich stärker auf die qualitative Seite ihres Geschäftes zu besinnen, eine Chance auch für mehr Wettbewerb und Vielfalt im MediaBusiness.“

Zu der nun vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung wollte sich bei Carat oder Aegis Media trotz mehrfacher Nachfrage niemand äußern.

Ein Grund dafür könnte der Umstand sein, dass für das Jahr 2006 eine weitere Klage von Danone gegen Carat am Landgericht München anhängig ist. Danone fordert darin eine Vertragsstrafe ein, die aus dem Betreuungsvertrag mit Carat vom 27. Oktober 2005 stammt. Carat soll die darin fixierten Leistungsparameter verfehlt haben. Dieser Vertrag wurde von der Carat-Eigentümerin Aegis Media durch Aleksander Ruzicka und Andreas Bölte, sowie von zwei Carat-Geschäftsführern unterschrieben. Nur wenige Wochen bevor Danone den Vertrag mit Carat endgültig kündigte und zur Düsseldorfer Mediacom wechselte, wurde am 4.Juli 2006 eine zusätzliche Penalty-Vereinbarung über bis zu 14 Millionen Euro vom Geschäftsführer von Danone ebenso unterschrieben wie von Aleksander Ruzicka (Ex-Aegis Media CE CEO) und Jerry Buhlmann (heutiger Global CEO Aegis Media) auf Agenturseite.

Siehe auch:

www.absatzwirtschaft.de/Wem gehören die Rabatte?,

www.absatzwirtschaft.de/Urteilsbegründung im Freispot-Streit,

www.absatzwirtschaft.de/Danone erklagt Einblick in Freispotkontingente bei Aegis Media