Warum Unternehmen für „große“ Innovationen ihre Budgets zentralisieren sollten

Neue Produkte, die sich durchsetzen, weil der Kunde sie einfach haben muss – Produkte, die neue Kategorien oder Subkategorien definieren – sind das Ergebnis großer Innovationen. Solche Innovationen kommen nur leider allzu selten vor, obwohl sie der einzige Weg zu echtem Wachstum sind. Woran liegt das? Ein Hauptgrund ist, dass die Budgetkontrolle bei den großen Geschäftsbereichen liegt. Die aber konzentrieren sich auf ihre profitablen Geschäfte und finanzieren bevorzugt marginale Innovationen, die das bestehende Angebot verbessern und/oder die Kosten senken. Solche Investitionen bringen eine kalkulierbare Rendite; gegen riskantere Alternativen gibt es persönliche Vorbehalte und Vorbehalte in der Organisation – selbst dann, wenn die Chancen weit größer sind als die Risiken.

Unternehmen können diesen Vorbehalten begegnen, indem sie eine unternehmerische Kultur fördern. Ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang ist die Zentralisierung der Innovationsbudgets, durch die den großen Geschäftsbereichen die Entscheidungsmacht über Innovationsvorhaben entzogen wird. Die Einheit, die dann die Budgets verwaltet, muss zur Entwicklung neuer Ideen und zur Übernahme von Verantwortung für diese Projekte ermutigen; sie muss die vielversprechendsten Innovationen auswählen und sie dann bis zur Marktreife begleiten. Ziel ist es, der Bevorzugung marginaler Innovationen entgegenzuwirken und einzelnen großen Innovationen eine Chance zu geben.

GE, P&G und HP haben Strukturen entwickelt, die eine zentrale Kontrolle wesentlicher Teile des Innovationsbudgets ermöglichen:

GE startete Ende 2003 eine Innovationsinitiative, die intern unter dem Namen „Imagination Breakthrough“ (IB) lief. Jeder Geschäftsbereich sollte jährlich drei IB-Projekte vorschlagen, die ein Umsatzpotenzial von 100 Millionen US-Dollar über den Zeitraum von drei bis fünf Jahren versprachen. Um von einem Gremium unter Leitung des CEO als IB-Projekt ausgewählt zu werden, mussten die Vorschläge nicht nur eine gute Umsatzprognose und wirtschaftliche Tragfähigkeit nachweisen, sondern auch das Potenzial, Märkte zu verändern. Finanziert wurden die Projekte mit den Mitteln einer internen Einheit, die als eine Art „Venture-Capital“-Firma agierte. Die zentrale Marketinggruppe, die den IB-Prozess leitete, lieferte einen Planungsrahmen – von der Kalibrierung der Idee und Ermittlung des Marktpotenzials über die Entwicklung des Angebots und die Planung der Markteinführung bis hin zur Vermarktung. Vier Jahre nach dem Start des Programms erzielte GE einen Mehrumsatz von zwei bis drei Milliarden US-Dollar pro Jahr mit neuen Produkten, die aus der IB-Initiative hervorgegangen waren. Eines dieser Projekte war die GE Rail Evolution Locomotive, eine kraftstoffsparende Diesellok, die die strengen Abgasnormen der US-Umweltbehörde EPA erfüllt.

P&G hat einen sogenannten Corporate Innovation Fund (CIF) aufgelegt, der risikoreiche Ideen mit hohem Potenzial finanziert. Der Fonds unter Leitung des CIO und des CFO stellt Mittel zur Finanzierung von Projekten bereit, die durchschlagende Innovationen hervorbringen könnten. Als vollständig bereichsunabhängige Einheit kann er sich auf bereichsübergreifende Innovationen konzentrieren oder solche, die einen weißen Fleck zwischen den bestehenden Geschäftsbereichen füllen. Die blend-a-med Whitestrips entstanden beispielsweise durch Kombination der Filmtechnologie aus der konzernweiten F&E mit der Bleichtechnologie aus dem Waschmittelbereich. Das Ergebnis waren Zahnaufhellungsstreifen für den Mundpflegebereich. Keiner der beiden Bereiche hätte von sich aus ein solches Innovationsprojekt finanziert.

Mit dem Innovation Program Office (IPO) gründete ein großer Geschäftsbereich von HP eine eigene Einheit zur Unterstützung der Entwicklung innovativer neuer Produkte, die eine deutliche Entfernung vom bestehenden Produktangebot bedeuteten. Ein Produkt, das daraus hervorging, war der Blackbird – ein High-end-PC für Computerspiele. Wichtig bei der Prüfung der Projektvorschläge war die Frage, ob das Produkt das Potenzial besitzt, die Wettbewerbslandschaft grundlegend zu verändern bzw. neue Nachfrage bei den Kunden zu generieren. Das vorgegebene Ziel war, zwei neue Produkte pro Jahr zu entwickeln. Um dies zu erreichen, braucht man eine ganze Menge mehr Vorschläge, geht man davon aus, dass sieben oder acht es bis zur Prototypenentwicklung schaffen, vier davon bis zur begrenzten Markteinführung und nur zwei letztlich bis in den Massenmarkt.

Wichtig bei der Budgetallokation: Erstens, die Prozessverantwortlichen müssen die Kompetenz, die Glaubwürdigkeit und den Mut besitzen, harte Entscheidungen zu treffen – auch solche über die Streichung von Mitteln und den Stopp von Projekten. Zweitens, bei Vorschlägen, die als unzulänglich, aber vielversprechend eingestuft werden, sollte den Verantwortlichen Zeit eingeräumt werden, einen Weg zur Beseitigung der Schwächen und Hindernisse zu finden. Und drittens schließlich gilt es, für weitere Unterstützung und Entscheidungshilfe an wichtigen Checkpoints zu sorgen. Kein Projekt sollte scheitern, weil es vernachlässigt wurde.

Die Zentralisierung von Innovationsbudgets setzt voraus, dass Unternehmen Wert legen auf die Autonomie, unternehmerische Kultur, Kraft und Verantwortlichkeit ihrer dezentralen Einheiten. Es wird Gegenwehr geben und Versuche, die zentrale Kontrolle der Budgets zu umgehen. Sie ist und bleibt aber der einzige Weg, um „großen“ Innovationen – der Grundlage für echte Wachstumsplattformen – eine Chance zu geben und einen Nährboden zu bieten.

Über den Autor: David Aaker gilt als der Guru der Markenstrategie – Er hat das Markenwertmodell „Aaker Model“ erfunden und über 100 Artikel und 15 Bücher veröffentlicht. Als Vice Chairman berät David Aaker zudem exklusiv die Kunden von Prophet. Als Ehrenprofessor an der Haas School of Business, University of California, Berkeley, bekam er vier Karriere-Auszeichnungen, einschließlich des Paul D. Converse-Preises im Jahre 1996 für seine herausragende Arbeit zur Weiterentwicklung des Marketing.