Warum Netzanbieter ihre Preise hinterfragen und neu strukturieren sollten

Die Roaming-Gebühr ist wegreguliert, die SMS stirbt, das Datenvolumen steigt jedoch und migriert mit Flatfee-Modellen stark ins Festnetz. Wo können Unternehmen der Telekommunikationsbranche heute überhaupt noch Geld verdienen? „Ein völlig neuer Ansatz für strategisches Preismanagement ist notwendig. Das setzt Mut und Expertise voraus“, sagt Dr. Ekkehard Stadie, Partner der Strategieberatung Simon, Kucher und Partners. Es sei Zeit, die Preise zu „entgiften“.

Quasi alle Umsatz- und Profitquellen von Mobil- und Festnetzanbietern sind unter Druck geraten – nicht nur durch radikale Veränderungen auf Seiten der Nutzer. „Wer im Pricing alleine auf Datenvolumen als Erlösmodell setzt, wird langfristig keinen Schnitt machen“, erklärt Strategieberater Stadie. Die Übernahme von WhatsApp durch Facebook und die kurz darauf erfolgte Ankündigung, auch Sprachtelefonie über WhatsApp anzubieten, sei ein letzter Weckruf. „Anbieter müssen die Preise ihrer klassischen Telekommunikationsdienste hinterfragen und in eine neue Struktur bringen“, betont der Telekommunikations-Experte. Denn die alleinige Bepreisung von ‚Stück SMS, Megabyte und Minute‘ sei überholt und ermögliche kein Wachstum.

Freies WLAN ist Standard

Dass sich mit WLAN kaum Geld verdienen lässt, wird immer klarer. Und das, obwohl Datenvolumen im Bereich Festnetz viel stärker als im Mobilfunk wachsen. ‚Kommerzielle‘ WLAN-Angebote werden die mobile Datennutzung kannibalisieren. Heute gehört es zum guten Ton, dass Hotels, Flughäfen, Unternehmen und Restaurants ihren Kunden und Besuchern freies WLAN anbieten. Daher gibt es an diesen Orten keine zwingende Notwendigkeit, auf Mobile Data-Angebote zurückzugreifen. Gewinner bei Zuwachs im Volumen ist das Festnetz. „Das Pricing sollte sich nicht ausschließlich auf das übertragene Datenvolumen fokussieren, sondern auch Dimensionen wie Speed, Qualität und Priorität berücksichtigen“, sagt Stadie. Auch stärkeres Bundling und die Integration in andere Services seien mögliche Wege.

Daten und Voice-Roaming neu erfinden

Daten-Roaming-Erlöse sind bald nicht mehr der Rede wert, dafür sorgen alleine schon die zahlreichen Regulierungseingriffe. Und das Voice-Roaming ist darüber hinaus durch qualitativ bessere Over-the-top (OTT)-Lösungen gefährdet. Für das immer noch als teuer wahrgenommene Telefonat über Voice-Roaming gibt es bessere und kostenfreie Alternativen. Facetime und Skype sind multimedialer, emotionaler und – teils wegen der meistens genutzten Festnetztechnologie – auch qualitativ besser.

Ad hoc Telefonate im Business-to-Business (B-to-B)-Bereich und solche von Handy zu Handy werden als Roaming-Anwendungsfälle erhalten bleiben. Aber Einwahlen in Telefonkonferenzen und längere Gespräche mit der ‚Heimat‘ werden von OTT-Anbietern attraktiver bedient. Microsoft bietet beispielsweise bereits bei seinem Skype-Service ein Premium-Package an, das auch eine Flatfee für Telefonate ins Festnetz eines Landes der Wahl als Inklusivleistung enthält.

Entsprechend rät Stadie, auch hier beim Pricing neu zu konzipieren. Etwa durch Bundling und weitere Preiselemente (Qualität, Priorität) sowie Zusatzservices (Bild, Gruppentelefonate, Sharing von Files), die dann aber auch den richtigen Preis haben müssten.

Absterben der SMS kann verlangsamt werden

Die SMS gilt als technologisch veraltet, eine weitestgehende Migration zu Angeboten wie WhatsApp ist wahrscheinlich. Dennoch werden SMS am schnellsten gelesen, sind immer noch am sichersten in der Zustellung und haben gerade in der geschäftlichen Kommunikation den direktesten Charakter aller Messenging-Formen. Insgesamt ist das Produkt am Ende des Lebenszyklus, das Absterben kann nur verlangsamt werden.

Laut Stadie bestehen im Wesentlichen zwei Pricing-Optionen: Entweder Re-Positionierung als 100-prozentig zuverlässiges Produkt (Auslieferungsgarantie in alle Netze) mit entsprechender Einzelbepreisung auf deutlich höherem Niveau oder als bezahlter Zusatzservice (flat) in andere Services gebündelt.

(Simon-Kucher & Partners/asc)