Warum es die Automobilindustrie nicht schafft, Neuwagen an Frauen zu verkaufen

Sie sind konsumfreudig und besitzen durchschnittlich 13,1 Paar Schuhe – trotzdem lassen sich Frauen von deutschen Autobauern kaum begeistern, einen Neuwagen zu kaufen. Die Frauenquote unter den Neuwagenkäufern geht auf niedrigem Niveau weiter zurück und liegt aktuell bei 32,9 Prozent. Die geringe Frauenquote bei Neuwagen ist aber kein Naturgesetz, sondern eher die Folge einer Modell- und Markenpolitik der Autobauer, die die Vorlieben und Bedürfnisse von Frauen weniger berücksichtigt.

Von Ferdinand Dudenhöffer

Der Frauenanteil unter den deutschen Neuwagenkäufern dümpelt bei etwas über 30 Prozent vor sich hin. Im Jahr 2011 fiel er gar um 0,8 Prozent auf 33,4 Prozent. Im ersten Quartal 2012 ist der Frauenanteil weiter auf 32,9 Prozent gesunken.

Beim Pkw-Bestand ist der Frauenanteil nicht ganz so gering wie bei den Neuwagenkäufern. Zieht man Firmenwagen ab, sind in Deutschland derzeit 38,6 Millionen Pkw auf der Straße. Auf Frauen sind davon 14,1 Millionen Fahrzeuge angemeldet. Die Quote: 36,6 Prozent. Frauen kaufen also eher mal einen Gebrauchtwagen und sind weniger interessiert an Neuwagen. Eine andere Kennzahl zeigt, daß Frauen insgesamt am Auto weniger Interesse haben als Männer. Während in Deutschland 1 000 Männer immerhin 611 Pkw im Besitz haben sind es bei 1 000 Frauen gerade mal 311 Pkw.

Mini und die Importeure sind Frauenlieblinge

Es sieht so aus, als wäre die deutsche Automobilindustrie immer noch eine Männerindustrie – ein Vergleich mit dem Fußball drängt sich auf. Die deutschen Marken stehen in der Gunst der Frauen weiter unten. Die Importeure und Marken á la Mini zeigen aber, dass es auch anders geht. Frauen kaufen durchaus Premiumfahrzeuge, etwa die Marken Mini und Alfa Romeo. Die deutschen Marken sind bei den Frauen eher unterrepräsentiert. So kommt Mercedes gerade mal auf 17,3 Prozent Frauen unter seinen Käufern, BMW auf 24,4 Prozent und Audi auf 28,8 Prozent. Überraschend ist auch, dass der Smart bei Frauen weniger Käufer findet (30,8 Prozent). Der Vergleich mit Mini (51 Prozent Frauenquote) zeigt, daß Frauen durchaus auch sportliche Fahrzeuge mögen. Ford und Opel rangieren beide unter dem Durchschnitt von 32,9 Prozent und nur VW ist mit 35,5 Prozent wieder leicht über dem Durchschnitt. Hauptgrund ist der VW-up mit einem Frauenanteil von immerhin 50 Prozent unter den Neukäufern. Bei Autobauern wie Opel scheint man dagegen eher Angst zu haben, dass die Fahrzeuge zu stark auf Frauen ausgerichtet sind und zu wenig „männlich“ ausstrahlen. Warum sonst nennt man den zukünftigen Opel-Kleinwagen „Adam“?

Insgesamt sind die klassischen Premiummarken wie Audi, BMW, Mercedes, Jaguar, Land Rover und Volvo bei Frauen deutlich unterrepräsentiert. Dass Ferrari kaum Frauen in seinen Bann zieht, scheint verständlich, aber dass Smart, Volvo oder Audi bei Frauen unterrepräsentiert sind, ist eher überraschend. Pauschal kann festgestellt werden: Die deutschen Autobauer schaffen es nur in geringem Maße, für Frauen attraktiv zu sein. Die einzige Ausnahme ist Mini, ein Premiumfahrzeug aus England, gebaut von BMW. Die Marke Mini zeigt, dass mit emotional orientierter Kommunikation und eigenständigen, designorientierten Kleinwagen Frauen sehr gut als Neuwagenkäufer gewonnen werden können. Die Marke Mini zeigt zusätzlich, daß ein Frauenauto nicht unbedingt billig sein muss. Es gilt die Regel: Je größer und wuchtiger das Fahrzeug, desto geringer ist das Interesse der Frauen daran. Zweite Regel: Reine PS-Protze sind bei Frauen verpönt.

Dass Frauen nicht unbedingt unsportliche Autos kaufen, zeigen die Marken Mini und Alfa Romeo (37,6 Prozent). Und Dacia (32,5 Prozent) beweist, dass Frauen nicht nur billig kaufen. Es braucht also mehr Marken, die mit ihren Fahrzeugen stärker auf die weibliche Zielgruppe zugeschnitten sind.

Die Autobauer nutzen durch ihre geringere Attraktivität bei weiblichen Autofahrern nur unvollständig ihr Marktpotenzial. Würde etwa das Verhältnis zwischen Männern und Frauen bei den Neuwagenkäufen genauso sein wie beim Fahrzeugbesitz (36,6 Prozent aller privaten Pkw in Deutschland gehören Frauen), dann könnten in Deutschland pro Jahr gut 120 000 Neuwagen mehr verkauft werden. Das nicht genutzte Potenzial sitzt bei den Premiumherstellern und den deutschen Autobauern.

Frauenlücke im Marketing

Was machen die deutschen Autobauer falsch? Zum einem fokussieren sie sich sehr stark auf große und PS-starke Fahrzeuge. In ihrem Modellangebot klafft damit einen „Frauenlücke“. Moderne, schicke und agile Kleinwagen sind mit Ausnahme des Mini Mangelware. Die Kleinwagen der deutschen Autobauer strahlen eher Werte wie Konformität und Qualität aus. Wenn dann Opel seinen Kleinstwagen auch noch „Adam“ nennt, zeigt dies, dass auch im Marketing der deutschen Autobauer eine „Frauenlücke“ klafft.

Diese Frauenlücke bezieht sich aber nicht nur auf die Produktstrategie. Die Kommunikation ist ebenfalls wenig frauenaffin. Bestes Beispiel sind die Automobilmessen: Die IAA und andere Messen werden von Männern für Männer gemacht. Frauen werden auf Hostessen reduziert. In großen Ausstellungshallen und auf langen Wegen wird man wohl kaum eine Frau dazu gewinnen, wie auf einer Einkaufsmeile zu flanieren. Zehn Kilometer Autos am Stück bringt Frauen nur wenig Freude. Ähnliches gilt für die Autohäuser, die eher in wenig attraktiven Industriegebieten und Randlagen der Städte liegen. Neue Systeme wie Internet-Vertrieb werden von den Autobauern nicht genutzt. Kundengespräche und Produktdarstellungen bei Autohändlern und Autobauern sind stark auf Technikdaten fokussiert und illustrieren damit wenig den Kundennutzen. Der gesamte Marketing-Mix in der Automobilindustrie scheint ein Männer-Mix zu sein und schöpft damit das Marktpotenzial der Branche nur unvollständig aus.

Über den Autor:
Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.