Warum die New Economy scheiterte

Die Nachrichtenwelle über Unternehmensinsolvenzen in der sogenannten New Economy ist noch nicht abgebrochen.

Zu verfolgen ist diese Entwicklung auch an stetigen Kursrückschlägen börsennotierter Unternehmen oder der Neuen Markt-Indices. Häufig wird der New Economy in diesem Zusammenhang vorgeworfen, „erprobte“ Geschäftsmodelle zu missachten, Pleiten seien daher nicht verwunderlich.
Ein Bestandteil der unternehmerischen Akivität ist häufig der Aufbau und die Pflege einer Marke, also die Markenführung. Daher fragten wir, inwiefern sich aus Verbrauchersicht (hier ausschließlich Internetnutzer) Online-Marken von Offline-Marken unterscheiden.

Den Resultaten unserer Untersuchung nach gibt es erhebliche Unterschiede: Ausgerechnet bei der für die Markenbildung so wesentlichen Werte wie Seriosität, hohe Qualität und Tradition schneiden die E-Marken schlechter ab. Dagegen können Online-Marken für sich verbuchen, stärker als modern, kreativ, aktiv, attraktiv und zielstrebig wahrgenommen zu werden. Allerdings verbinden Verbraucher mit ihnen ebenfalls einen günstigen Preis. Nicht unbedingt ein Pluspunkt für einen Markenartikler, weil Marken ja gerade in der Lage sein sollen, Preispremien durchsetzen zu können. (vgl. Abb.1).

Abbildung 1: Treffen die Attribute eher auf Online- oder auf Offline-Marken zu? (Angaben in
Prozent)

Außerdem überrascht die Konsumenteneinschätzung, dass Online-Marken eher günstigere Preise zugeschrieben werden. Denn Erfahrungen zeigen häufig genau das Gegenteil: Produkte sind im Internet eher teurer als auf der grünen Wiese. Woher diese Image kommt, darüber lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise sind Online-Auktionsportale oder die Powershopping-Portale, die vielfach übrigens um das Überleben kämpfen, nicht ganz schuldlos. Allerdings leistet die Wahrnehmung über den günstigeren Preis angebotener Produkte von Online-Marken genau dem Attribut des hohen Nutzens Vorschub.
Weitere Befunde der Untersuchung zeigen, dass Online-Marken häufig als „Mee too“ wahrgenommen werden (vgl. Abb. 2). Konsumenten bescheinigen Online-Marken eher als Offline-Marken kaum unterscheidbar zu sein.

Abbildung 2: Treffen die Aussagen eher auf Online- oder auf Offline-Marken zu?
(Angaben in Prozent; an 100% fehlende Angaben entfallen auf die
Antwortkategorien „trifft im gleichen Ausmaß auf Internet-Marken als auch auf
Offline-Marken zu“ und „trifft weder auf Internet- noch auf Online-Marken zu“)

Besonders auffällig ist, dass Internetnutzer Online-Marken häufiger als nicht vertrauenswürdig wahrnehmen. Dies ist ein konsistentes Resultat zu Abbildung 1: Online-Marken werden seltener als seriös wahrgenommen.
Vielleicht ist ein Grund für diese Wahrnehmung auch darin zu suchen, dass die Konsumenten die Interaktivität des Internets für Transaktionen nicht vollständig nutzen. Denn wider erwarten schreiben die Verbraucher eher den Offline-Marken eine Überprüfbarkeit der Markenversprechen zu. Dabei könnten die Verbraucher mit Unternehmen, die eine Online-Marke führen, eher in Kontakt treten – und zwar über das Internet – um das Markenversprechen zu prüfen und Vertrauen zu gewinnen. Dies bestätigen auch die Befragten: Nahezu die Hälfte der Befragten sagt aus, mit Unternehmen, die eine Online-Marke führen, in Kontakt treten zu können.

Was bleibt? Es lässt sich festhalten, dass Online-Marken als innovativ und Offline-Marken als konservativ wahrgenommen werden. Obwohl Online-Marken zunächst mehr positive Eigenschaften für sich verbuchen können, sind aber gerade die Tradition oder Geschichte einer Marke, das angesammelte Wissen und die Qualitätsversprechen, die sich um eine Marke ranken, die entscheidenden Faktoren, die erfüllt sein müssen, um Marken zu machen. Nicht zuletzt die Seriosität stellt in der Entscheidungsfindungsphase des Kaufs eine wesentliche Rolle dar.

Vielleicht ist daher am Ende das Scheitern der sogenannten New Economy kein Zufall und auf mangelndes Branding zurückzuführen. Der Fairness halber sei gesagt, dass es auch noch weitere Hürden für erfolgreich Online-Transaktionen im Internet gibt, wie zum Beispiel das leidige Thema mit den Bezahlungsmodellen. Aber ein Weg zur Absatzsteigerung bietet das Internet allemal. Das interaktive Medium hält dazu alle Möglichkeiten des One2One-Marketing bereit.

Hintergrund
eMind@emnid befragte zwischen dem 24. Mai und dem 29. Mai 2002 insgesamt 653 Internetnutzer. Die Untersuchung wurde im TNS EMNID-Onlinepanel durchgeführt. Sowohl beim Panelaufbau als auch bei der Auswahl der Teilnehmer an dieser Befragung wurde dafür Sorge getragen, daß die Struktur der Befragten der aller deutschen Onliner entspricht. Die Ergebnisse sind somit repräsentativ für alle Internetnutzer in Deutschland.

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Januar 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Februar 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage März 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage April 2002

>Zur Emnid-Exklusiv-Umfrage Mai 2002

http://www.emind.emnid.de


Autor: Tristan Helmreich
tristan.helmreich@emnid.tnsofres.com

eMind@emnid ist die Internetforschung von TNS EMNID, einem der führenden Markt-, Media- und Meinungsforschungsunternehmen Deutschlands. Neben der Durchführung von Onlinebefragungen hat sich eMind@emnid auf Forschung rund um das Netz, die Motive für dessen Nutzung und Nichtnutzung sowie Nutzer-und Nichtnutzerstrukturen spezialisiert.