Warten auf Aleksander Ruzicka

Nachdem seine Aussage per Videokonferenz scheiterte, sagte Aegis Media CEO Jerry Buhlmann am Montag persönlich im Ruzicka-Prozess als Zeuge aus. Jedoch begann der Prozesstag kurios: Aleksander Ruzicka fehlte. Justizmitarbeiter hatten ihn im Wartebereich der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt vergessen.

Wie Recherchen ergaben, hatte Ruzicka fast zwei Stunden lang versucht, Wärter davon zu überzeugen, dass seine Verhandlung in Wiesbaden in Kürze beginnt. Nach einer telefonischen Abklärung kurz vor Beginn der Hauptverhandlung wurde Ruzicka aus der seit dem 24.Oktober 2006 andauernden Untersuchungshaft zum Landgericht Wiesbaden eskortiert. Sowohl die Prozessbeteiligten als auch Zeuge Jerry Buhlmann mussten mehr als eine Stunde auf den Angeklagten warten.

In den folgenden fünf Stunden wurde der heutige Global CEO von Aegis Media zunächst vom Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk zu den Vorwürfen gegen Aleksander Ruzicka befragt. Ruzicka wird Untreue im Ausmaß von 51,2 Millionen Euro vorgeworfen. Aegis Media behauptet einen Schaden in dieser Höhe erlitten zu haben. Kernthemen der Befragung waren die von Ruzicka behauptete Kostenauslagerung auf Drittfirmen als auch die Praktiken für Informationsbeschaffung und vielschichtige CRM-Maßnahmen.

Erwartungsgemäß bestritt Buhlmann Ruzickas Einlassung. Es sei Sache der einzelnen Länderchefs von Aegis Media ihren Markt, ihre Kunden sowie potentielle Kunden zu kennen. Zusätzliche Kosten für Informationsgewinnung seien ihm nicht bekannt, so Buhlmann. Eine Kostenauslagerung auf Drittfirmen wäre eine grundlegende Änderung des Geschäftsmodells, das mit der Konzernzentrale in London schriftlich abgestimmt werden müsse, führte Buhlmann aus. Dies habe es nicht gegeben. Buhlmann räumte jedoch ein, dass die Länderchefs viele Freiheiten beim Erreichen der Gewinnmargen haben würden. Diese werden in Dreijahresplänen fixiert, so Buhlmann, welche jährlich überprüft werden. Die Pläne für die Region Zentraleuropa und Südafrika habe er mit Ruzicka abgestimmt, ergänzte Buhlmann. Von Richter Bonk auf den Umgang mit Naturalrabatten angesprochen, äußerte Buhlmann, dass diese in Deutschland eine wichtige Rolle spielen würden. Dabei habe jedes Land seine eigenen Strukturen und rechtlichen Möglichkeiten.

Zur externen Mediafirma PLV Programm- und Lizenzvermarktung befragt, äußerte Buhlmann, dass ihm diese nichts sagen würde. Ex-Agenturchef Kai Hiemstra hatte im Dezember vor Gericht ausgesagt, dass PLV eine legitimierte Sparbüchse gewesen sei. Hiemstra sagte aus, dass die Zentrale von Aegis Media den Geschäftszweck der damaligen Treuhandfirma PLV kannte. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte man sich sehr schnell dem Vorwurf der Untreue ausgesetzt, so Hiemstra. Aleksander Ruzicka führt PLV als Muster für seine Firmen Camaco und Watson an, die ebenso strukturiert gewesen sein sollen. Zudem bestätigte Buhlmann ein Gespräch mit Ruzicka und dem Geschäftsführer von Emerson FF, Joachim Lüdeke, in dem es um Bartering ging – eine Möglichkeit um Freispots zu kapitalisieren.

Auch die Umstände der als anonym getarnten Strafanzeigen gegen Ruzicka waren Thema der Befragung. Buhlmann sagte aus, dass er erst durch die Hausdurchsuchungen bei Aegis Media und Aleksander Ruzicka am 12.September 2006 von den Verdachtsmomenten erfahren hat. Am Folgetag sei er nach Wiesbaden gereist, um sich mit Andreas Bölte zu besprechen. Ergebnis dessen war die Beurlaubung und spätere einvernehmliche Trennung von Ruzicka. Bölte übernahm den Posten des CEO Zentraleuropa und Südafrika am 14.September 2006. Buhlmann gab an, dass ihm Andreas Bölte zu diesem Zeitpunkt nicht gesagt habe, dass er hinter den als anonym getarnten Strafanzeigen stecke. Dies habe ihm Bölte erst im Sommer 2007 mitgeteilt. Buhlmann sagte aus, dass Bölte sein Vorgehen mit einer Bitte um Vertraulichkeit seitens der Staatsanwaltschaft Wiesbaden erklärt habe. Die Ermittler hatten jedoch bereits vor Prozessbeginn erklärt, dass es keine Vertraulichkeitsvereinbarung gab, wie es sie beispielsweise zum Schutz von Zeugen oder Opfern während eines Ermittlungsverfahrens gebe. Aegis Media habe darum gebeten, keine proaktive Öffentlichkeitsarbeit in dieser Sache zu betreiben. Von Ruzickas Verteidiger Marcus Traut darauf angesprochen, warum die Principles & Policies von Aegis Media das „lebensfremde Verhalten“ von Andreas Bölte nicht vorsehen, räumte Buhlmann ein, dass sich Bölte nicht an diese internen Richtlinien gehalten habe. Jedoch habe er mit seinem Vorgehen dem Unternehmen bestens gedient, so Buhlmann. Auch wenn Bölte seine detaillierte Kenntnis über die Verdachtsmomente jahrelang auch gegenüber seinem Vorgesetzten Buhlmann für sich behalten haben soll.

Aufhorchen ließ ein interner Revisionsbericht, den Buhlmann nach den Hausdurchsuchungen mit Hilfe einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellen ließ. Dieser Bericht habe keine Auffälligkeiten ergeben, so Buhlmann. Dieser Bericht habe bestätigt, dass die internen Kontrollmechanismen funktionieren – jedoch nicht für eine Verschwörung mehrerer Personen gedacht seien. Darauf angesprochen, ob der Bericht Erkenntnisse über das Vorliegen eines geldwerten Schadens enthält oder schlüssig festhält wo Geld fehlt, verstand Buhlmann zunächst die Frage nicht. Danach bat die gerichtlich vereidigte Dolmetscherin um eine Pause. Buhlmann wurde gebeten, den Revisionsbericht den Prozessbeteiligten zur Verfügung zu stellen. Da dieser Bericht offenbar in Unkenntnis des Umstandes erstellt wurde, dass Aegis Media in Deutschland die Vorgänge längst kannte, könnte dieser Bericht erstmals Aufschluss darüber geben, ob tatsächlich Geld fehlt, Aegis Media Vermögen vorenthalten wurde oder sich der Schaden auf „lost opportunities“, also entgangene Einnahmemöglichkeiten bei der Kapitalisierung von Freispots, beschränkt. Das hätte zwar keinen Einfluss auf das Vorliegen einer möglichen Untreue. Aber durchaus auf eine mögliche Strafhöhe oder die Frage, ob Aegis Media Ruzicka gewähren ließ, weil er die Gewinnvorgaben des Agenturnetzwerks erfüllte.

Die Befragung durch Staatsanwalt Wolf Jördens beschränkte sich auf die mögliche Kenntnis Buhlmanns der angeblichen Schein- und Tarnfirmen Camaco, Watson, Life 2 Solutions und Objektgesellschaft Haideweg 14. Buhlmann verneinte das viermal. Zum Umstand, dass mindestens Teile von Events und vermeintliche CRM-Maßnahmen über solche Firmen abgerechnet wurden, wollte oder konnte Buhlmann nichts sagen. Buhlmanns mehrstündige Aussage war von zurückhaltender Sachlichkeit geprägt. So gab es weder untergriffige Bemerkungen noch hatten Prozessbeteiligte den Eindruck, dass Buhlmann den links von ihm sitzenden Aleksander Ruzicka zusätzlich bezichtigen oder persönlich attackieren wollte. Jedoch erstaunt, dass auch Global CEO Jerry Buhlmann nicht dezidiert aussagen konnte, wo genau ein geldwerter Schaden entstanden ist oder ob die angeklagten Vorgänge ein Nullsummenspiel für Aegis Media waren.

Genauere Aufklärung darüber erhofft sich das Gericht von Mark Jamison, dem Global CFO (Chief Financial Officer) von Aegis Media. Jamison hätte bereits am Montag vernommen werden sollen und war auch anwesend. Aufgrund der Verzögerung zu Beginn des Prozesstages wurde seine Aussage auf kommenden Montag verschoben. Jamison wird erneut nach Wiesbaden kommen. Der Fortgang des Prozesses danach bleibt zunächst unklar. Während Richter Bonk die Zeugenvernehmungen als abgeschlossen betrachtet, liegen noch verschiedene Beweisanträge von Ruzickas Verteidiger Marcus Traut vor. Ein mögliches Prozessende im März ist wohl von dem zeitnahen Entscheid über diese Anträge als auch von neuen Beweisanträgen abhängig.

mz